Finance 2.0 Conference

Von Innovatoren, Intelligenzen und Investitionen

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Vom Fintech-Start-up bis zum Initial Coin Offering: Die Finance 2.0 Conference hat sich den Themen gewidmet, die momentan die Finanzbrache aufwirbeln. Im Zentrum stand ein Wesen, das für die Wirtschaft oft unbekannt ist: Der Kunde.

Am vergangenen Wochenende stand der Zürcher Schiffbau ganz im Zeichen von Fintech. Am Six Hackathon 2018 codeten und pitchten Entwickler und Jungunternehmen 48 Stunden um die Wette. Fintech stand im Industriegebäude neben der Hardbrücke auch heute auf dem Programm. Allerdings gab es nun nicht Laptops und Kapuzenpullis, sondern Lackschuhe und Krawatten zu sehen. Zum sechsten Mal fand im Schiffbau nämlich die Finance 2.0 Conference statt.

Moderatorin Corinna Egerer eröffnete die Konferenz mit einer Frage an das Publikum: "Welche Adjektive kommen Ihnen beim Thema Banking spontan in den Sinn?" Die per Online-Tool ausgewerteten Antworten zeichneten ein deutliches Bild. Banking, damit assoziierten die Besucher der Finance 2.0 in erster Linie Langeweile, Langsamkeit und Kosten.

Corinna Egerer wollte vom Publikum wissen, was es vom Banking hält. (Source: Netzmedien)

Mit dieser Erkenntnisse schwenkte Egerer auf das Motto der Veranstaltung ein: "Customer managed Relationship". Das trübe Image der Banken müsse durch eine Fokussierung auf die Kunden aufpoliert werden.

Der erste Auftritt des neuen Six-Chefs

Um den Wandel auch personell zu unterstreichen, holte die Moderatorin als ersten Redner Jos Dijsselhof auf die Bühne. Der Niederländer bestritt im Schiffbau seinen ersten öffentlichen Auftritt als CEO des Finanzdienstleisters Six.

Kunden seien heute weitaus anspruchsvoller im Umgang als früher, sagte Dijsselhof. Die Leute wechselten ihre Anbieter häufiger und stünden in engem Kontakt mit den Unternehmen. "Wer den Kontakt mit seinen Kunden nicht pflegt, dem werden sie davonlaufen", merkte er an.

Six-CEO Jos Dijsselhof stellte Innovation ins Zentrum der Unternehmensstrategie. (Source: Netzmedien)

Für Six bedeute dies, dass man die Kunden besser verstehen müsse. Ein Weg, dies zu tun, sei Innovation. Dijsselhof zeigte verschiedene Massnahmen, mit denen das Unternehmen in diesem Sinne eine strategische Neuausrichtung vollzogen habe.

Six wolle sich künftig stärker auf die Schweiz konzentrieren, Ressourcen in neue Fintech-Ideen stecken und Start-ups fördern, sagte Dijsselhof. Dabei müsse man stets die Augen offenhalten. Oft kämen Geschäftsideen für die Finanzwelt aus anderen Bereichen der IT. An die Adresse des Finanzplatzes Schweiz richtete er mahnende Worte: "Wenn wir uns nicht auf Innovation konzentrieren, haben wir keine Zukunft."

Was ist Disruption?

Mit einem Geständnis betrat Thomas Ruck, Managing Director von Accenture Interactive Schweiz, die Bühne. Das Beratungsunternehmen habe sein Versprechen, Schweizer Firmen erfolgreich durch die Digitalsierung zu führen, nicht erfüllt, sagte er. In den letzten 12 Jahren seien Tech-Grössen wie Google, Apple oder Amazon weitaus stärker gewachsen, als die im Swiss Market Index gelisteten Unternehmen.

Ruck erläuterte die Gründe, weshalb dies so sei. Google & Co. hätten sich erfolgreich zwischen die Kunden und die bestehenden Unternehmen gedrängt und so ganze Branchen gekapert, sagte Ruck. Drei Aspekte seien bei dieser Disruption zentral gewesen: Die Erwartungen der Kunden, das Verhalten der Kunden und der Wert des Angebots für die Kunden.

Was Erfolg in der digitalen Transformation ausmacht, zeigte Thomas Ruck von Accenture Interactive. (Source: Netzmedien)

Anhand von Google Maps illustrierte Ruck diesen Vorgang. Die App habe die Anforderungen, die Menschen an Karten stellten, ja unsere Wahrnehmung von Raum und Zeit fundamental verändert. Unzählige Menschen nutzten Google Maps heute alltäglich - und das noch kostenlos. Ähnliches gelte für andere Angebote, etwa Amazon Prime oder den iPod.

Viele Firmen würden diesen Erfolg gerne wiederholen. Ihnen riet Thomas Ruck, einen sogenannten "Experience Loop" zu starten. Eine Art Innovations-Kreislauf, für den es einen möglichst einfachen Einstieg, die Verknüpfung mit Daten und die Fähigkeit, schnell zu wachsen brauche. Am wichtigsten sei aber, den Kunden ein gutes Produkt anzubieten, das sie in ihrem Alltag bald nicht mehr missen möchten.

Die erweiterte Intelligenz

Um das Thema künstliche Intelligenz (KI) drehte sich das Referat von Martin Moeller, Digital Transformation Principal von Microsoft. Wobei, KI sei die falsche Bezeichnung, sagte Moeller zum Einstieg. Microsoft wolle die menschliche Intelligenz nicht durch eine künstliche ersetzen, sondern ihr mit Technologie unter die Arme greifen. "Augmented Intelligence" (AI) - erweiterte Intelligenz - sei deshalb das Gebot der Stunde.

Martin Moeller erklärte, warum Microsoft nicht auf KI sondern AI setzt. (Source: Netzmedien)

Ziel sei es, dem Computer das Sehen, Sprechen, Hören und Verstehen beizubringen, sagte Moeller. Für die Finanzbranche stünde hier die Analyse von Märkten und Kundenverhalten im Vordergrund. Moeller zeigte verschiedene Anwendungsbeispiele, etwa die bessere Reaktion auf Kundenfeedback, ein virtueller Bankberater oder eine AI, die Investment-Entscheidungen aufgrund von Daten im Internet trifft.

"Momentan krabbeln wir noch wie ein Baby", sagte Moeller zum Abschluss. Die Technik entwickle sich aber rasant und mit ihre die Geschäftsideen. Mit der Cloud könne zudem jeder auf AI-Angebote zugreifen. Für die Schweiz plane Microsoft den Start einer entsprechenden Intelligent Cloud für das kommende Jahr.

Augen auf beim Token-Kauf

Ein Panel der Finance 2.0 war der Finanzierung mittels "Initial Coin Offering" (ICO) gewidmet. "A bubble or the future of funding?", darüber diskutierten Marc P. Bernegger, Andrea-Franco Stöhr, Ralf Glabischnig, Rasoul Jalali und Yassin Hankir.

Hankir, CEO des deutschen Krypto-Start-ups Savedroid, erzählte von seinen Erfahrungen mit einem ICO. Eine besondere Herausforderung sei hierbei die Kommunikation mit den mehreren zehntausend Investoren. Gutes Community Management mit den Token-Käufern sei für einen ICO-Veranstalter Pflicht.

Das ICO-Panel: Marc P. Bernegger, Andrea-Franco Stöhr, Ralf Glabischnig, Rasoul Jalali und Yassin Hankir (von links). (Source: Netzmedien)

Ralf Glabischnig, Mitgründer der Zuger Crypto Valley Association, vertrat eine deutliche Meinung zu den Millionen von Franken, die momentan bei ICOs fliessen. "Diese Industrie ist völlig verrückt und die meisten Personen, die mitmachen, sind töricht", sagte Glabischnig. ICOs sammelten riesige Geldsummen ein, ohne dass ein klares Commitment oder ein fertiges Produkt dahinter stecke. Was mit dem Geld dann passiere sei oft unklar.

Schwarze Schafe entfliehen in die ICO-Ferien

Nicht alle Teilnehmer des Panels teilten Glabischnigs Einschätzung. Hankir sah in ICOs das Potenzial, die Finanzierung von Start-ups zu revolutionieren. Sie seien auch für klassische Investoren interessant, merkte Rasoul Jalali, COO von Tend Technologies und ehemaliger DACH-Chef von Uber, an.

Momentan hätten ICOs allerdings noch ein grosses Vertrauensproblem, sagte Hankir. Betrugsversuche und Leute, die mit dem Geld "permanente ICO-Ferien" machten, würden den Markt belasten. Savedroid habe dies am eigenen Leib erfahren müssen. Während die Firma ihr ICO durchführte, seien im Web fünf Webseiten aufgetaucht, die unter falscher Flagge Geld von Investoren zu ergaunern versuchten.

Um mehr Regulierung komme man deshalb nicht herum, darin war sich das Panel einig. Dies könne Glaubwürdigkeit und Stabilität in eine turbulente Branche bringen. ICOs seien für die Schweiz eine riesige Chance, war auch Glabischnig überzeugt. Denn mit ihnen könnten Unternehmen dereinst vom Kapitalmarkt des Silicon Valley unabhängig werden. Bis dahin "werden aber noch viele Leute viel Geld verlieren", sagte er.

Crowdfunding für Hackathon-Projekte

Die Finance 2.0 öffnete ihre Bühne auch den Teilnehmern des Six Hackathons. Drei Gewinner des 48-Stunden-Wettbewerbs konnten ihre Projekte in Pitches dem Publikum vorstellen. Die Idee dahinter ist, in kurzer Zeit von der Idee zur Marktreife zu gelangen, wie Andreas Iten, Head Corporate Ventures bei Six, sagte.

Das Team hinter "Taxesy" zeigte eine App, mit der die Steuererklärung so einfach wie nie fallen soll. Die "Birthday Girls" stellten einen Prototyp für eine Suchmaschine vor, die das Internet nach persönlichen Daten durchforstet, die aus Datenlecks stammen. Mit "Sustaid" sollen Nutzer einfacher und transparenter Spenden tätigen können.

Im Anschluss an die Pitches folgte ein Crowdfunding, bei dem das Publikum per Twint Geld an die drei Teams überweisen konnte. Was jetzt mit dem Geld passiere, liege bei den Jungunternehmern, sagte Iten. Vielleicht steckten sie es in die Weiterentwicklung ihrer Idee, vielleicht gingen sie damit auch eine Pizza essen. "Es ist wie bei einem ICO", meinte er. "Sie spenden Ihr Geld und erhalten dafür womöglich gar nichts."

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DPF8_85256