Interview mit dem "Werber des Jahres" 2017

Deshalb sollten Werber Daten lieben

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Dennis Lück, Chief Creative Officer bei Jung von Matt/Limmat, hat 2017 den Titel "Werber des Jahres" gewonnen. Im Gespräch berichtet er darüber, wie die Digitalisierung die Werbebranche verändert und weiterhin verändern wird. Die Agenturen, so wie wir sie heute kennen, werden nicht verschwinden, sich aber grundlegend verändern.

(Source: Netzmedien)
(Source: Netzmedien)

Sie sind 2017 "Werber des Jahres" geworden, wie hat das Ihr ­Leben verändert?

Dennis Lück: Es hat mein Leben auf jeden Fall bereichert. Man kann über Titel sagen, was man will, aber dieser Titel hat schon für sehr viel Aufmerksamkeit gesorgt. Sie war zum Glück nicht nur auf meine Person gerichtet, sondern auch auf die Agentur, für die ich arbeite. Anfragen als Speaker, Gastautor oder im Bereich New Business lassen sich schon auf den Titel zurückführen. Er hat also sicher einen ordentlichen Wert.

Sie haben sich bei der Preisverleihung auch sehr gefreut.

Ja, Emotionen kann ich nur schlecht unterdrücken.

Dann haben Sie auch gut gefeiert?

Ja, so war es. Es blieb nicht nur bei einem Bier. Wir feierten mit der ganzen Kommunikationsmannschaft, der Branche und den Kunden zusammen. Ich feierte mit allen, die einen Anteil an dem Titel haben. Mir ist es wichtig, zu sagen, dass der Titel "Werber des Jahres" nicht für eine Einzelperson ist. "Werber des Jahres" ist eigentlich "Trainer des Jahres". Deshalb lud ich jeden, mit dem ich jemals zusammengearbeitet habe, ein. Und dann nahmen wir eine Metal-Bar auseinander.

Wem drücken Sie in diesem Jahr die Daumen?

Ich drücke allen die Daumen. Alle drei Kandidaten hätten es verdient, ausgezeichnet zu werden. Deshalb bin ich auch wirklich gespannt, an wen ich das Zepter an der Best of Swiss Web Award Night weiterreichen kann.

Ergibt es für Sie Sinn, dass der "Werber des Jahres" nun im ­Rahmen von Best of Swiss Web ausgezeichnet wird?

Ich habe mich riesig gefreut, dass da nun etwas zusammenwächst. Für mich ist es logisch und erfrischend zugleich, dass der "Werber des Jahres" in einem Umfeld wie Best of Swiss Web ausgezeichnet wird. Man kann die Konvergenz zwischen Werbung und Digital nicht besser zum Ausdruck bringen.

Wie weit haben sich die Werbe- und Webbranche in den letzten Jahren angenähert?

Annäherung greift da meines Erachtens viel zu kurz. ­Werbe- und Webbranche leben heutzutage in einer WG. Man sieht nicht immer alles gleich, man unternimmt auch mal was ohne einander, aber man wohnt und isst am gleichen Ort.

Versprechen Sie sich als Branche auch einen Vorteil durch das neue Format?

Absolut. Der neue "Werber des Jahres" wird von einem grösseren und zum Teil auch anderen Publikum erkoren, das macht ihn über das bisherige Spielfeld hinaus bekannt. Und natürlich hoffe ich darauf, dass die darauffolgenden Wahlen ebenfalls gut durchmischt sein werden mit Kandidaten aus Werbe- und Webbranche.

Sie sind jetzt über zehn Jahre in der Werbebranche aktiv. Zunächst in Deutschland und nun auch in der Schweiz. Wie hat sich die Branche in der Zeit verändert?

Ich frage mich eher, was sich nicht verändert hat. Ich glaube, das Einzige, was sich nicht verändert hat, ist die Leidenschaft für Kreativität. Der Rest wurde komplett umgekrempelt und wieder und wieder neu erfunden. Wir befinden uns in einem Perpetuum-Transformations-Mobile. Sich ständig zu ändern, ist das neue Normal.

Können Sie ein Beispiel für diese Veränderungen nennen?

Als ich angefangen habe, da passte ein Mediaplan auf einen Bierdeckel. Wenn man heute einen Mediaplan aufzeichnet, dann braucht man eine komplette Hauswand. Und: Der grösste Wandel ist für mich, dass wir uns von der Zielgruppe zur Zielperson verändert haben.

Was bedeutet das?

Als ich angefangen habe, versuchte man, Zielgruppen anzusteuern. Heute sind wir technologisch so weit, dass wir Zielpersonen ansprechen können. Die Individualisierung der Ansprache ist weit fortgeschritten.

Konnte man dies erreichen, weil man mehr weiss über die ­einzelne Person?

Genau. Zum einen wissen wir durch Daten immer mehr. Zum anderen können wir durch Mittel wie Programmatic Creativity die Zielperson auch immer besser ansprechen.

Was braucht es in der Branche, um die digitale Transformation weiter voranzubringen?

Know-how, die richtigen Talente und den Mut, Neues zu wagen und auszuprobieren. Und wenn ich das Wort Ausprobieren verwende, dann gehört dazu sicher auch eine gute Fehlerkultur. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für mich, eine andere Sichtweise auf Daten zu erreichen. Wir müssen Daten lieben lernen. Daten sind nichts anderes als ein riesiger Topf voller Insights. Und die müssen wir für die Kommunikation und die Kreativität einsetzen.

Was braucht es, um mit den Daten umgehen zu können?

Man braucht ein fantastisches Tool dafür: das Gehirn. Es braucht Leute, die Daten lesen, analysieren und in Erkenntnisse umwandeln können. Nicht umsonst sind Data Engineers gerade so gefragt. Es braucht also genau diesen Typus Hirn, um aus dem Heuhaufen an Daten die Nadeln herauszufischen, mit denen wir dann sticheln können.

Der Trend in der Werbebranche geht immer mehr in Richtung loser Zusammenschlüsse von Werbern und Kreativen für einzelne Projekte. Wird es in zehn Jahren noch Agenturen geben, wie wir sie heute kennen?

Eines lässt mich daran glauben, dass wir Agenturen, wie wir sie heute kennen, auch künftig noch brauchen werden: das ist der Teamgeist, der nur in einer Agentur entstehen kann. Es ist der Teamgeist, der herausragende Ideen entstehen lässt. Wenn ich sage, Kreativität ist ein Mannschaftssport, dann brauche ich auch nach wie vor eine eingespielte Mannschaft und keine lose zusammengewürfelte Söldnertruppe. Was nicht heisst, dass wir uns bei der Art, wie die Mannschaft zusammenspielt, in den nächsten Jahren radikal verändern werden.

Wie muss sich die Arbeitsweise verändern?

Wir müssen das Kundenerlebnis als heiligen Gral betrachten. Jede Idee – ganz gleich ob Kommunikationsidee oder Service Design Innovation – muss ein spezifisches Problem auf der Customer Journey lösen. Das Verknüpfen der richtigen Fragen mit überraschenden Antworten ist unser Job. Das Generieren von lustigen Ideen reicht nicht mehr aus.

Es braucht also eine noch stärkere Kundenorientierung?

Genau. Ich mache einmal einen leicht hinkenden, aber bildlich einfachen Vergleich: Man kann sich die Customer Journey als Styling eines Menschen vorstellen. Eine Agentur wird etwa damit beauftragt, das T-Shirt für ihn oder sie zu entwerfen. Eine andere Agentur kümmert sich um die Frisur und eine dritte um die Accessoires. Am Ende blickt die Person in den Spiegel und denkt: "Scheisse, was ist denn hier los?" Das ganzheitliche Kundenerlebnis der Journey stimmt nicht. Wir müssen uns um den Gesamteindruck kümmern.

Würden Sie sich selbst als digitalen Vorreiter bezeichnen?

Digitaler Vorreiter finde ich übertrieben. Aber "leidenschaftlich digital", das würde ich unterstreichen. Ich konnte beispielsweise mit 10 Jahren kleine Programme in Basic schreiben, später kam dann noch C++ hinzu. Lange ist’s her. Dann beschäftigte ich mich schon ganz früh mit der Datenkreativität. Ich sorgte auch dafür, dass die ersten Creative Data Lions zu uns in die Schweiz kamen. Ich habe von Anfang an daran geglaubt, dass Daten meine neue Spielwiese sind.

Welche Fähigkeiten sind in der Zukunft im Umgang mit Daten ­gefragt?

Die Fähigkeit, Daten präzise zu analysieren und daraus einen Mehrwert für Mensch und Marke zu schaffen. Das wird elementar sein.

Wie trainiert man das Zusammenspiel zwischen künstlicher und kreativer Intelligenz?

Trainieren ist der passende Begriff. Wir müssen das trainieren, immer wieder üben, immer wieder neue Möglichkeiten ausprobieren. "Trainieren" heisst ja "noch nicht gleich können". Wichtig beim Trainieren ist aber auch: Man muss die künstliche Intelligenz als Mitspieler betrachten. Die kreative Intelligenz muss aus der künstlichen etwas Grösseres machen. Sie müssen sich gegenseitig befruchten. Es muss ein Zusammenspiel sein.

Welche Technologien werden die Branche in Zukunft noch ­prägen?

Hier kann man wahrscheinlich tausende Dinge nennen: Am spannendsten finde ich das Zusammenwachsen von Mensch und Maschine.

Wie wird Werbung in 10 oder 20 Jahren aussehen?

Ich glaube nicht, dass Werbung in 10 bis 20 Jahren anders aussehen wird. Wir werden nach wie vor den Job haben, Tomatensuppe zu verkaufen. Nur die Kanäle, die Art und Weise wie auch die Formate werden sich sehr radikal verändern. Es wird ein Skalieren der Kommunikation auf tausenden Formaten und auf hunderttausenden verbunden Geräten geben.

Möchten Sie den Siegern an der Best of Swiss Web Award Night noch etwas sagen?

Ich bin stolz auf alle, die am Best of Swiss Web Award etwas gewonnen haben! Best of Swiss Web muss ein Abend der Neidlosigkeit und der rauschenden Feier sein. Lasst uns gegenseitig das feiern, was wir als Branche erreicht haben und darauf anstossen!

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