Dominic Williams im Interview

Wie Dfinity das Internet zur öffentlichen Ressource machen will

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Eine gemeinnützige Stiftung, die sich zum "Unicorn" unter den Schweizer Blockchain-Projekten gemausert hat: Das amerikanisch-schweizerische Start-up Dfinity will nichts weniger als ein neues Internet aufbauen und gegen die grössten Cloud-Anbieter der Welt antreten. Wie das funktionieren soll, erklärt Dominic Williams, Chief Scientist und Gründer von Dfinity.

Dominic Williams, Chief Scientist und Gründer von Dfinity. (Source: Christian A. Werner)
Dominic Williams, Chief Scientist und Gründer von Dfinity. (Source: Christian A. Werner)

Dfinity entwickelt ein Netzwerk für dezentrales Cloud Computing. Was für eine Idee steckt dahinter?

Dominic Williams: Wir bauen einen Internet-Computer, eine Public-Cloud-Ressource, die die nächste Generation von Software und Internetdiensten der Welt hosten soll. Im Wesentlichen erweitern wir das öffentliche Internet, sodass es selbst Softwaresysteme hosten kann.

Sie wollen das Internet zu einer öffentlichen Infrastruktur machen. Was hätte ein Unternehmen davon?

Die meisten Unternehmen würden es vorziehen, ihre Softwaresysteme auf einer öffentlichen Infrastruktur zu hosten statt in einer proprietären Cloud, die von einem Internet-Giganten wie Amazon Web Services betrieben wird. Allein schon deswegen, weil solche Anbieter ihre Kunden kaum mehr aus den Fängen lassen. Ich sehe im heutigen Cloud-Markt Parallelen zum Duell, das in den 1990er Jahren zwischen privaten Netzwerken wie AOL und dem öffentlichen Internet stattfand.

Wie wollen Sie sich gegen Marktgiganten wie AWS durchsetzen?

Zum einen schaffen wir eine Plattform, welche die Entwicklung und Wartung neuer Softwaresysteme vereinfacht, Kosten reduziert und Hosting in einer hacksicheren Umgebung ermöglicht. Diese Umgebung funktioniert ohne traditionelle Sicherheitslösungen wie etwa Firewalls und sorgt trotzdem – gewissermassen von sich selbst heraus – für mehr Datensicherheit, als dies heutige Cloud-Anbieter tun könnten. Zum anderen stellt der Internet-Computer auch eine neue Art von "autonomer Software" dar, die die Erstellung von "offenen Internetdiensten" unterstützt.

Können Sie dies anhand eines Beispiels erläutern?

Software kann in diesem Modell völlig unabhängig von einer Person oder einem Unternehmen existieren. Sie aktualisiert sich über ein integriertes offenes Governance-System selbst. Das Modell kann verwendet werden, um etwa quelloffene Alternativen zu allen möglichen Applikationen zu entwickeln, von der Dating-App bis hin zu Business Software wie CRM-Systemen. Schliesslich schafft das neue Internet, wie wir es nennen, ein so hohes Mass an Datenschutz und Ausfallsicherheit, wie es bislang nicht möglich war.

Wo liegen die grössten Stolpersteine?

Aus Sicht von Forschung und Entwicklung ist das Projekt äusserst komplex. Aus diesem Grund haben wir uns zu einem Team aus rund 50 Forschern und Ingenieuren zusammengetan. Derzeit arbeiten wir unter anderem daran, Rechenzentren mit Technologien auszustatten, die es ermöglichen, den Internet-Computer zu starten.

Wie sieht der Zeitplan aus?

Wir planen, in der ersten Jahreshälfte 2019 live zu sein. Ausser dem Go-Live des Netzwerks wird es im kommenden Jahr weitere bedeutende Technologie-Releases von Dfinity geben.

Dfinity baut auf einer Blockchain auf, die mit Ethereum verwandt ist und trotzdem schneller arbeitet. Wie soll das möglich sein?

Dfinity teilt mit Ethereum eigentlich keine Technologie, obwohl es einige Ähnlichkeiten in den Konzepten gibt. Ethereum ist insbesondere auf Hosting von Smart Contracts ausgelegt. Dfinity hat hingegen ein anderes Ziel. Unser Netzwerk zielt auf das Hosting von "Network Code" ab, um die Entwicklung von Geschäftssystemen und Internetdiensten im grossen Massstab zu unterstützen. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Ethereum zwar eine Code-is-Law-Umgebung ist, das Dfinity-Netzwerk jedoch vollständig einem offenen algorithmischen Governance-System unterliegt. Deswegen ist das Dfinity-Netzwerk vollständig adaptiv.

Herzstück Ihrer Plattform ist ein eigener Konsensalgorithmus. Was hat es damit auf sich?

Unser Konsensmechanismus basiert auf einem sogenannten "Proof of Stake"-Konsens. Der Mechanismus ermöglicht nicht nur eine deterministische und viel schnellere Endgültigkeit als Proof-of-Work-Mechanismen, sondern erreicht dies auch mit deutlich weniger Energieverlust – was schliesslich die Umwelt schont. Unser Algorithmus geht allerdings weit über die bekannten Proof-of-Stake-Verfahren hinaus. Wir haben eigene Konsensmechanismen geschaffen und uns dabei stark auf die "Magie" der Kryptographie gestützt.

Welche Vorteile können Entwickler von Dfinity erwarten?

Dfinity bietet ein offenes Framework für die Entwicklung und das Hosting auf Basis von Webassembly. Dies ist ein Standard für die Ausführung von Webbrowsern, der bereits von den vier grossen Browserherstellern Apple, Microsoft, Mozilla und Google unterstützt wird und daher weit verbreitet ist. Webassembly ermöglicht es Entwicklern, in den Sprachen zu programmieren, die sie bereits kennen und ihren Quellcode von dort aus zu kompilieren. So müssen sie keine zusätzlichen Sprachen lernen. Insofern können Entwickler auf diese Weise effizienter arbeiten.

Welche Vorteile bietet dieses Framework gegenüber anderen quelloffenen Entwicklungsumgebungen wie etwa Cloud Foundry?

Mit Dfinity lässt sich Software deutlich günstiger entwickeln und warten. Zudem sind die Programme in unserem Netzwerk automatisch sicherer als in anderen Umgebungen, immer verfügbar und hochgradig interoperabel. Ausserdem ist unser Internet-Computer besser als andere IT-Systeme in der Lage, die Privatsphäre von Personen wie auch vertrauliche Inhalte zu schützen. Ferner wird unsere Plattform eine neue Art von "autonomer Software" hosten, mit der selbstverwaltete offene Internetdienste geschaffen werden können.

Webcode
DPF8_113224