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Klassische Medien und Innovation – ein Widerspruch in sich?

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Die moderne Demokratie lebt von interessierten und gut informierten Bürgern. Trotzdem geht gerade bei Printmedien die Leserschaft stetig zurück. Der Leser informiert sich online, gratis, kurz und knapp. Am Ende bleiben weniger Gelder für Qualitätsjournalismus. Klassische Printmedien sind gezwungen, auf den Onlinezug aufzuspringen und ihr Angebot anzupassen.

Marcel Dobler, Präsident ICT-Switzerland und FDP-Nationalrat (Source: Parlament.ch)
Marcel Dobler, Präsident ICT-Switzerland und FDP-Nationalrat (Source: Parlament.ch)

Mit den neuen Medien und Kommunikationsformen ist man schnell versucht, kurz die Headlines zu lesen und dann zu glauben, man sei informiert. Dem heutigen Tempo geschuldet, mit dem wir durchs Leben gehen, bleibt nur noch selten die Zeit, sich einem Artikel von A bis Z zu widmen. Das Kondensat ist gefragt, und zwar sofort! Aufgrund der Mobilität ist die sperrige Zeitung in vielen Situationen nicht mehr opportun. Als Konsequenz boomen die Gratis-Zeitungs-Apps, und die klassischen Zeitungen werden weniger und weniger. Das gängige Handwerk des Journalisten verschwindet.

Unabhängige und qualitative Informationen sind gefragt

Den Medien kommt in der Demokratie eine wichtige Funktion zu: Freier Zugang zu freien und fundierten Informationen ist zentral. Keine "Fake News", keine "Zeitungsenten" – gut recherchierte und vollständige Informationen. Nebst einigen wenigen Medien-Skandalen, die in der Diskussion wohl vernachlässigbar sind, besteht die heutige Problematik vor allem darin, dass die Informationen zwar in Hülle und Fülle vorhanden sind, sie aber immer wie weniger sauber eingeordnet und aufbereitet werden.

Wie sich die Netzmedien digital neu aufstellen, erfahren Sie im Editorial von Redaktor Marcel Urech.

Schaffen Printmedien den "innovativen Turnaround"?

Ja, es stimmt, es ist immer weniger Geld für journalistische Leistung vorhanden, der Kostendruck wird immer grösser. Die Werbeumsätze von Google dagegen sind in den letzten Jahren förmlich explodiert. Die Firmen verschieben ihre Werbeausgaben von Offline zu Online, weil sie da alles auswerten und den Nutzen besser messen können. Die neuen Onlineangebote der Zeitungen können die verlorenen Werbeeinnahmen aus dem Print nicht kompensieren.

Was ist also zu tun? Qualität verwässern und jammern? Der Strukturwandel findet statt, ob man das gut findet oder nicht. Es muss den guten Medienhäusern deshalb gelingen, ihre Produkte auf den Onlinekanal zu transferieren. Andere Branchen müssen genau so innovativ sein, um den Zeitgeist nicht zu verschlafen.

Mit Innovation und Kreativität neue Märkte erschliessen

Die Pendler etwa, damit meine ich Autofahrer, die während der Fahrt nicht Zeitung lesen können, und ÖV-Benutzer, die gerade keine Lust aufs Lesen haben, werden noch viel zu wenig als Zielgruppe erkannt. Ich warte immer noch darauf, dass mir jemand die Zeitung vorliest. Eine Kombination von Radio und Zeitung, sozusagen ein individueller Podcast von Zeitungsartikeln nach meinen Wünschen: Angenommen, man fährt als klassischer Zeitungsleser zirka 30 Minuten zur Arbeit. Gestützt auf die eigenen Interessen wählt man mehrere Themenfelder aus und lässt sich während der vorgegebenen Dauer genau zu diesen Themen die "Zeitung" vorlesen. Für diese Dienstleistung würde ich gerne bezahlen!

Es kann doch nicht sein, dass am Ende staatliche Eingriffe nötig sind, um weiterhin qualitativ hochstehenden Journalismus zu finanzieren. Und der Bürger muss deswegen womöglich noch Zensur in Kauf nehmen. Seien Sie kreativ, liebe Medienhäuser, an den technischen Möglichkeiten scheitert es ganz bestimmt nicht!

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