Digitalisierung ist Chefsache

« Unser Ziel ist eine selbstlernende Plattform im Stil von IBMs Watson »

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von Interview: Marc Landis, Redaktion: David Klier

Swissquote war die erste rein digitale Bank der Schweiz. Vor 18 Jahren. Heute sprechen alle über Fintech; aber wo bleibt die Innovation? Swissquote-CEO Marc Bürki wirft im Interview einen kritischen Blick auf den aktuellen Fintech-Hype.

Marc Bürki, CEO, Swissquote
Marc Bürki, CEO, Swissquote

Sie haben Swissquote 1996 als Finanzplattform für Realtime-Kurse gegründet, und seit 2001 ist Swissquote eine Onlinebank mit Banklizenz. Wie hat sich das Banking-Umfeld in dieser Zeit verändert?
Marc Bürki: Banken und Onlinebanken verkaufen immer noch die gleichen Produkte wie vor 20 Jahren. Die Art und Weise, wie sie die Produkte verkaufen, und die Benutzeroberfläche, über die der Kunde die Produkte konsumieren kann, haben sich aber komplett verändert. 1996 gab es kein Google, keine iPhones, das Internet war noch ganz am Anfang. Unsere Plattform swissquote.ch war die zwanzigste Website in der Schweiz. Heute tragen wir Supercomputer in der Hosentasche. Man kann sich kaum vorstellen, was in den nächsten 20 Jahren passieren wird. 

Das ist der technologische Aspekt. Was hat sich konkret aufseiten des Bankings verändert?
Das Ende des Bankgeheimnisses und die Neuorganisation der Banken haben die Schweizer Finanzwelt auf den Kopf gestellt. Allein darüber könnte man ein ganzes Magazin füllen. 

Was war denn für Sie der einschneidendste Moment? Die Finanzkrise vielleicht?
Finanzkrisen wird es immer geben. Ich glaube, die fundamentalste Veränderung war und ist die rasante technologische Entwicklung. Sie hat die Bankenwelt umgekrempelt und letztlich die Swissquote-Bank ermöglicht. Wenn ich heute zurückblicke, haben das Internet und die Smartphones die relativ konservative Bankenwelt komplett durchgeschüttelt. 

Und Sie sind einer der «Shaker»?
Ja, das kann man so sagen. Aber wir stehen alle immer noch am Anfang dieser digitalen Transformation. Und es ist, wie gesagt, nicht eine Transformation von Bankprodukten wie etwa Aktien, Obligationen und Fonds, sondern eine Transformation der Art und Weise, wie der Kunde diese Produkte konsumiert.

Ihr Weg mit Swissquote war aussergewöhnlich. Sie gründeten ein Fintech, als es diesen Begriff noch gar nicht gab. Wie stehen Sie zum aktuellen Start-up-Hype in Ihrer Branche? 
Fintech ist ein neues Wort, aber die Innovation dahinter gibt es schon seit 20 Jahren. Wir waren damals tatsächlich ein Fintech, auch wenn es diesen Begriff noch gar nicht gab. Ist es heute ein Hype? Bis zu einem gewissen Punkt ja. Und ich glaube, der Hype ist notwendig. Denn viele der etablierten Grossbanken haben eine sehr hierarchische Struktur mit viel zu vielen Leuten, die mitreden oder entscheiden müssen. Heute braucht man aber kleine Teams, eine Organisation, die agil ist. Und zwar nicht nur auf der Entwicklungsseite, sondern auch in der Art und Weise, wie die ganze Bank organisiert ist. Deshalb finde ich es gut, dass man als Bank heute von Start-ups herausgefordert wird. 

Sie sagen, dass der Hype nur bis zu einem gewissen Punkt geht. Was geschieht danach?
Sobald es darum geht, dass man Geld verwaltet, gelangt man relativ schnell zu dem Punkt, ab dem man eine Banklizenz braucht. Die Finma gibt zwar die sogenannte Banklizenz «light» aus, die einem Start-up die Möglichkeit gibt, bis zu einem gewissen Niveau zu wachsen. Aber auch so kommt unausweichlich der Moment, wo man dann eine Volllizenz braucht. Und diese Lizenz bedingt, dass man genügend Eigenkapital und eine entsprechende Struktur innerhalb seiner Organisation hat. Das drosselt die Erfolgsstory der Fintech-Start-ups. Hinzu kommt, dass viele der Fintechs im gleichen Bereich unterwegs sind. Meistens geht es um E-Payment oder Crowdfunding. Wirklich viel technische Innovation sehe ich in der Schweiz nicht.  

Egal, was die Briten mit der EU aushandeln, es wird von unserer Seite wohl nicht mehr funktionieren. Deshalb haben wir die Vollbank Internaxx in Luxemburg zugekauft. 

Marc Bürki, CEO, Swissquote

Würden Sie es begrüssen, wenn der Regulator die Bedingungen lockern würde?
Ja, absolut. Ich finde, dass die Situation in der Schweiz noch sehr konservativ ist. Die Kontoeröffnung über den Onlineweg ist beispielsweise erst seit Kurzem möglich und mit sehr vielen Konditionen verbunden. Fairerweise muss ich sagen, dass diese auch in allen anderen Ländern üblich sind. Ich bleibe aber dabei: Die Schweiz ist konservativ, was die Regulierung der Finanzbranche angeht. 

Digitale Unterschrift, digitale Identität? Würde das helfen?
Ja. Die Zertifizierung von Dokumenten ist in der Schweiz immer noch notwendig und sehr kompliziert. Einen Kunden aus China muss ich zur Botschaft oder zu einer Polizeistation schicken, um seine Ausweispapiere beglaubigen zu lassen. Das ist ein grosses Hindernis. 

Swissquote war von Anfang an eine digitale Bank. Können Sie sich nun zurücklehnen und geniessen, dass Sie schon 20 Jahre Vorsprung haben?
Leider nicht. Die Konkurrenz holt auf und wir müssen sicherstellen, dass wir schneller sind als sie. Beim Kapital und der Finanzkraft können wir uns nicht mit Kalibern wie beispielsweise der UBS messen. Deshalb konzentrieren wir uns auf unseren Vorteil: die Schnelligkeit. Wir waren die Ersten in der Branche, die eine App auf den Markt gebracht haben, wir waren die Ersten mit einer App für die Apple Watch. Und wir waren die Ersten mit einem Robo-Advisor. Das soll so bleiben.

Woran arbeiten Sie konkret, um Ihren Vorsprung zu behalten?
Gegenwärtig beschäftigen wir uns sehr viel mit der Blockchain. Auch wenn der Hype etwas vorbei ist, die Technologie ist noch immer interessant. Ausserdem arbeiten wir an einer neuen Generation unseres Robo-Advisors. Das System wird sehr viel intelligenter sein als das bisherige. Unser Ziel ist eine selbstlernende Plattform im Stil von IBMs Watson. 

Was machen Sie genau mit der Blockchain?
Wir haben fünf Krypto-Währungen, die man bei uns handeln und in einem Wallet lagern kann. Besonders das Lagern ist allerdings sehr kompliziert. Die Finma verlangt, dass wir nachweisen können, wer der Besitzer eines Wallets ist. Das muss automatisiert werden können. Daran arbeiten wir derzeit. 

Viele traditionelle Banken schnallen sich an ein Fintech, um die Start-up-Philosophie zu adaptieren. Wie arbeitet Swissquote mit Fintechs zusammen?
Wir haben ein paar Kooperationen, etwa im Bereich Crowdfunding, wo wir als Depot-Bank fungieren. Wie schon gesagt, im Schweizer Fintech-Markt gibt es nicht sonderlich viel Kreativität. Es gibt 300 Tokenisation-Plattformen und 100 davon machen Crowdfunding. Das war’s. Vielleicht hilft die neue EU-Regulierung PSD2. Sie könnte einen Kick in Richtung Open-Banking geben. 

Werden Sie entsprechende Schnittstellen bereitstellen? 
In der Schweiz warten wir mal ab, was die Finma entscheidet. 

Wie sehen Sie die Zukunft des Retail Banking und des Private Banking?
Im Private Banking sind die Margen unter Druck. Die Antwort auf diesen Druck kann nur Technologie liefern. Das heisst, ein Bankberater wird in Zukunft umzingelt sein von Tools, die ihm seine tägliche Arbeit vereinfachen. Früher hatte ein Relationship-Manager einer Privatbank vielleicht 50 Kundenbeziehungen. Heute bis zu 300. Das geht nur, wenn er intelligente Tools hat, die ihn unterstützen helfen. Auf das Retail Banking kommt eine neue Generation von Kunden zu. Diese Generation hat einen weniger starken Bezug zum Markt und den Brands, die wir mit Banking verbinden. Die Retailbanken müssen sich darauf einstellen und sich ganz stark in Richtung Mobile orientieren.

Wie entwickeln Sie Swissquote weiter?
In der Schweiz wollen wir breiter werden, also mehr Dienstleistungen anbieten. Denn bisher sind wir ja immer eher die zweite Bank des Kunden gewesen. Also die Bank, bei der er sein Vermögen selbstständig verwaltet. Das werden wir ändern und uns in Richtung Universalbank entwickeln. 

Welche Strategie verfolgen Sie auf dem internationalen Markt?
Wir gehen in die Länder, in denen wir bereits Erfolg haben. Von den 3 Milliarden Franken Neugeld, die wir im Jahr 2018 akquiriert haben, kam rund ein Drittel aus Asien. Deshalb werden wir im September dieses Jahres in Singapur eine neue Filiale eröffnen. Plätze, die wir schon aufgebaut haben, wie etwa Dubai, sind sehr erfolgreich. Unser Standort in London wird allerdings durch den Brexit etwas überschattet. Eigentlich wollten wir von London aus das Europageschäft abwickeln. Aber egal, was die Briten mit der EU aushandeln, es wird von unserer Seite wohl nicht mehr funktionieren. Deshalb haben wir die Vollbank Internaxx in Luxemburg gekauft.

Digitale Fitness

Auf einer Skala von 1 bis 10, als wie « digital fit » bezeichnen Sie...

9 | sich selbst?
5 | die Schweiz?
4 | die Finanzbranche?
10 | Ihr Unternehmen?

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Über Swissquote

Swissquote wurde im 1997 von der Marvel Communications S.A. in Gland als Online-Finanzdienst lanciert, über den Nachrichten, Anlagestudien und Kurse der wichtigsten Börsen angeboten wurden.
Marvel Communications S.A. war ursprünglich als Finanzinformations-Software gegründet worden. Im Verlaufe von 1999 entstanden die Swissquote Trade S.A. und die Swissquote Info S.A., während die auf die Entwicklung integrierter Weblösungen für Internetkommunikation und E-Business spezialisierte Marvel Communications S.A. nur noch für ihren Kernbereich zuständig war. Die Unternehmensgruppe wurde unter dem Dach der ebenfalls 1999 gegründeten Swissquote Group Holding S.A. zusammengefasst. Im Mai 2000 erfolgte der Börsengang an der Schweizer Börse SWX Swiss Exchange.