Outsourcing

Die häufigsten Outsourcing-Fehler und wie man sie vermeidet

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von Sacha Hofer, unabhängiger Dozent, HSLU

Der Trend zum Outsourcing in all seinen Facetten ist kaum mehr wegzudenken. Obwohl sehr viele Erfahrungen gesammelt worden sind, wiederholen sich viele Fehler immer wieder. Zum Teil, weil zu hohe Erwartungen an die Dienstleister gestellt werden, die in einem sehr kompetitiven Umfeld auch alle nur mit Wasser kochen und keine Wunder vollbringen können. Zum anderen, weil sehr oft unterschätzt wird, was der eigene Beitrag zu einem erfolgreichen Outsourcing ist.

Sacha Hofer, unabhängiger Dozent, HSLU
Sacha Hofer, unabhängiger Dozent, HSLU

Natürlich sollte man möglichst klare Verträge abschlies­sen und einen Lenkungsausschuss einführen. Jedoch vergisst man oft, einen "Management of Change"-Prozess, kurz MOC, zu betreiben. Dabei geht es vor allem darum, schon vor dem Outsourcing notwendige Vorbereitungen zu treffen, während der Transformation unterstützend zu wirken und danach Verbesserungen zu ermöglichen.

 

Das MOC umfasst folgende Kerngebiete:

  • Wie wird meine Organisation auf die Veränderungen reagieren, und wie muss kommuniziert werden?

  • Welche direkten und indirekten personellen Konsequenzen wird das Outsourcing haben?

  • Wie sieht mein "Governance"-Modell und das Change-Management aus? Wer entscheidet? Wer ­finanziert?

  • Welche Prozesse sind betroffen? Sind alle dokumentiert?

  • Welche KPIs (Messkriterien) sind definiert? Wie messe ich ein erfolgreiches Outsourcing?

  • Wie lange dauert die Transformation? Was passiert, wenn der Zeitplan nicht eingehalten wird?

Gewiss lässt sich die Liste beliebig erweitern. Wichtig ist die Erkenntnis, dass sehr oft die Komplexität unterschätzt wird. Man erhofft sich, dass vieles einfacher und günstiger wird. Dies ist durchaus machbar, jedoch nicht ohne entsprechenden Initialaufwand. Im Folgenden soll anhand einiger realer Beispiele ein Gespür dafür vermittelt werden, was passieren kann und wie solche Situationen vermieden werden können.

 

Fall 1: Wir rufen da nicht an!

In einer global tätigen Firma wurde vor einigen Jahren das IT-Service-Desk (Level 0/1) nach China ausgelagert. Der Service lief gut an und die meisten Länder waren zufrieden mit der Leistung. Jedoch fiel dem Service-Manager auf, das ein Land sehr schlechtes Feedback gab: Japan. Man entschied sich daher, der Sache genauer auf den Grund zu gehen. Einen Monat lang wurden die Tickets überwacht. Zur Überraschung aller stellte sich heraus, dass kein einziges Mal ein Benutzer mit dem Support direkt telefoniert hatte. Auf die Anfrage, warum dies so sei, bekam der Service-Manager nur folgende Antwort: "Japanese never call Chinese!"

Wichtig ist, zu verstehen, dass es immer wieder Faktoren gibt, die auf den ersten Blick "irrational" wirken, jedoch signifikanten Einfluss darauf haben, ob ein Outsourcing-Service erfolgreich ist oder nicht. Die sogenannten Soft-Faktoren spielen immer unbewusst mit, und man ist in jedem Falle gut beraten, mittels offener proaktiver Kommunikation klarzustellen, was vom neuen Service erwartet werden darf und welche potenziellen "Trade-offs" akzeptiert werden müssen. Da rückt auch die Frage eines Callcenter-Managers in Indien in ein anderes Licht, der wissen wollte, ob der englischsprachige Support mit amerikanischem, südafrikanischem oder britischem Akzent erfolgen sollte. Auch wenn sich das vielleicht im ersten Moment wie ein Witz anhört ...

 

Fall 2: Offshoring ist nicht immer günstiger als Nearshoring

Ein grosser Telekomanbieter in Italien hatte einmal die Idee, gewisse IT-Dienstleistungen auszulagern. Ich arbeitete damals für eine IT-Outsourcing-Firma, die natürlich sehr interessiert war. Die Konkurrenz war gross, und es gab auch indische Anbieter, die mit uns konkurrierten. Unser Team kam relativ schnell zu dem Schluss, dass wir nur konkurrenzfähig anbieten können, wenn wir unsere Lösung auch mehrheitlich auf indischen Service-Center aufbauen würden.

Gesagt, getan – Ausschreibung am Ende trotzdem verloren. Bei einer "Loss-Review" stellten wir später fest, dass wir 20 Prozent günstiger gewesen wären, wenn wir das Service-Center in Italien selbst betrieben hätten.

In der Outsourcing-Welt gibt es auch sehr viele Stereo­typen und Binsenwahrheiten, die nicht immer hinterfragt werden. Es lohnt sich daher manchmal, kreativer zu sein und Lösungen zu prüfen, die auf den ersten Blick nicht attraktiv aussehen. Business Cases lassen sich manchmal sehr einfach in MS Excel rechnen. Lohnkosten und Standard-Betriebskosten lassen sich dabei noch einfach kalkulieren, weitere Kosten sind schon schwieriger zu definieren und werden der Einfachheit halber auch mal weggelassen. Jedoch gilt auch: An Hotspots steigen die Lohnkosten immer, vor allem, wenn alle am gleichen Ort Outsourcing-Center betreiben. Entsprechend wird es auch schwierig, gute Mitarbeiter zu finden. Je unterschiedlicher die Kulturen und lokalen Gesetzte sind, umso mehr Projektleiter und Consultants werden benötigt, um die Verträge und die Transition zu managen. Am Ende "fressen" diese Kosten die Vorteile auf und eine lokale Lösung wird attraktiver.

 

Fall 3: Im Tal der Tränen

Vor etwa zwei Jahren lagerte eine grosse Firma das komplette Backoffice, das schon mehrheitlich in eigenen ­Nearshoring-Center betrieben worden war, zu einem renommierten globalen Backoffice-Service-Provider aus. Dabei wurden mehrere hundert Mitarbeiter transferiert. Zwei Gründe waren dafür ausschlaggebend: Man hatte es erstens über Jahre unterlassen, die eigene IT-Infrastruktur zu modernisieren und zweitens entsprechend mehr Leute angestellt, um die Schwachstellen zu schliessen.

Der Backoffice-Service-Provider bekam den Zuschlag, weil er zwei Schlüsselelemente angeboten hatte: Automatisierung und Robotics und das zu einem operativen Preis, der über die Jahre vertraglich sinkt. Ein Jahr nach dem Vertragsabschluss waren alle ein bisschen weiser und hatten eine Unmenge an Eskalationen hinter sich. Das Business hatte damit zu kämpfen, dass keine Rechnungen mehr an die Kunden versendet werden konnten. Die Serviceabteilungen konnten keine massgeschneiderten Dienstleistungen mehr anbieten, weil keine Abteilung diese intern verarbeiten konnte. Später sagte mir ein Senior Manager, dass nun alle das Tal der Tränen durchquert hätten und es von jetzt an wieder besser werde. Aber warum konnte überhaupt so etwas passieren?

Automation/Robotics und Preisnachlass bedeuten auch, dass man über die Zeit weniger Mitarbeiter benötigt. Das dadurch die Motivation bei den Betroffenen relativ tief ist, liegt auf der Hand. Es ist daher auch nicht überraschend, dass mehr als 50 Prozent dieser Mitarbeiter in den ersten Monaten nach dem Transfer gekündigt haben. Wenn man nun bedenkt, dass viele dieser Mitarbeiter die Schwachstellen manuell überbrückten und viele Prozesse gar nicht richtig funktionieren konnten, dann kann man sich gut vorstellen, was danach passierte. Die Situation konnte nur gerettet werden, weil die Firma ein paar Schlüsselmitarbeiter behalten hatte und diese den Serviceprovider direkt betreuten. Dabei mussten viele Prozesse neu definiert werden, sodass diese überhaupt erst beim Serviceprovider implementiert werden konnten.

 

Fazit

Denken Sie beim Outsourcing an die Folgen für die Mitarbeiter! Eventuell brauchen Sie diese mehr als Sie denken. Bei Grossaufträgen lassen sich auch renommierte Anbieter manchmal blenden und versprechen Dinge, die so nicht eingehalten werden können. Nur weil Prozesse irgendwo in einem Visio dokumentiert sind, heisst das a) noch lange nicht, dass diese auch so gelebt werden und b) auch nicht einfach so automatisiert werden können. Und unterschätzen Sie niemals, wie viele eigene Mitarbeiter und wie viel Know-how eventuell über Jahre an so ein Projekt gebunden werden können! Und zu guter Letzt: Manchmal ist der Grundsatz "teile und herrsche" auch nicht so falsch. Ein gestaffeltes Vorgehen wäre in letzterem Fall unter Umständen einfacher gewesen.

Eine gute, langfristige Zusammenarbeit mit dem Serviceprovider ist sehr wichtig, da nur so die gewünschten Einsparungen und Optimierungen erzielt werden können. Zu guter Letzt hat man mit einem erfolgreichen Management of Change sehr vieles selbst in der Hand, ob der gewünschte Weg erfolgreich umgesetzt werden kann.

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