Editorial

Cloud: Loblied mit Misstönen

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(Source: Netzmedien)
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Ist es wirklich schon Juni? Ist es wirklich schon zweieinhalb Monate her, seit das Coronavirus unser Leben auf den Kopf gestellt hat? ­Vieles funktionierte in den vergangenen Wochen nicht mehr wie ­gewohnt. Zwar können wir uns mittlerweile wieder die Frisur richten lassen, Fussball gucken oder ein Abendessen im Restaurant genies­sen, doch von Normalität sind die Schweiz und die Welt noch weit entfernt. Etwas gibt es aber, das in den vergangenen Wochen stets funktionierte: die Cloud. Man stelle sich vor, wir hätten den Lockdown ohne Zoom-Familientreffen, Office 365, Netflix oder Online­games überstehen müssen. Die Telkos und Streaming-Provider ­kamen zu Beginn der Krise zwar ins Schwitzen, Befürchtungen über einen Zusammenbruch der ICT-Infrastruktur stellten sich im Nach­hinein aber als unbegründet heraus. Auch musste der Bund nicht eingreifen, um kritischen Diensten auf der Datenautobahn gegenüber Unterhaltungsangeboten Vorfahrt zu verschaffen.

Die Cloud bestand den Corona-Test nicht nur, sie – beziehungsweise die grossen Cloud-Provider – konnte(n) auch ökonomisch von der Krise profitieren. Laut Zahlen von Canalys kletterten die weltweiten Ausgaben für Cloud-Infrastrukturdienste im ersten Quartal 2020 um stattliche 34 Prozent auf 31 Milliarden US-Dollar. Das Wachstum komme vor allem von Unternehmen, die Collaboration-Tools, E-Commerce- und Consumer-Cloud-Dienste anschafften. Die Folgen der Pandemie befeuern einen Trend, der schon vorher unübersehbar war. Die Abbildung von Geschäftsprozessen in der Cloud wird für Unternehmen an Bedeutung zunehmen. Zu den bisherigen Gründen dieser Tendenz wie Kostendruck, mehr Effizienz oder neue Geschäftsmodelle tritt nun die Aufrechterhaltung des Betriebs in Krisenzeiten. All das ist Grund genug, dem Thema diese "Netzwoche"-Ausgabe zu widmen – und zwar nicht irgendeiner Cloud. Ab Seite 12 finden Sie Services, die auf bestimmte Branchen zugeschnitten sind.

Bei aller Anerkennung dessen, was uns Cloud-Dienste in den vergangenen Wochen ermöglicht haben, gibt es aber auch einige offene Fragen. Wie weit dürfen Firmen ihre Angestellten im Homeoffice überwachen? Wie sehen die Folgen aus, wenn CIOs jetzt mehr denn je auf Automatisierung und Digitalisierung setzen? Und geraten Firmen nicht in eine gefährliche Abhängigkeit, wenn sie ihre IT-Infrastruktur wie Strom, Büroräume oder Wasser als Service beziehen – gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten? Die Cloud eröffnet neue Möglichkeiten, sie schafft aber auch Herausforderungen.

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