Fachbeitrag

Telemedizin - alter Wein in neuen Schläuchen?

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von Dr. Joachim Steinwendner, Forschungsfeldleiter "GeoHealth Analytics", Laboratory for Web Science, Fernfachhochschule Schweiz

Es brauchte eine Pandemie, um den fast altmodisch klingenden Begriff "Telemedizin" wieder an die Oberfläche zu schwemmen. Die medizinische und ökonomische Bedeutung der Technologien, die sich hinter diesem Begriff verstecken, sind jedoch nach wie vor hochaktuell.

Dr. Joachim Steinwendner, Forschungsfeldleiter "GeoHealth Analytics", Laboratory for Web Science, Fernfachhochschule Schweiz. (Source: zVg)
Dr. Joachim Steinwendner, Forschungsfeldleiter "GeoHealth Analytics", Laboratory for Web Science, Fernfachhochschule Schweiz. (Source: zVg)

Der Begriff Telemedizin ist nicht einfach zu fassen, denn die üblicherweise zu findende Definition lautet in etwa folgendermassen: "Die Telemedizin bezeichnet Diagnostik und Therapie unter Überwindung einer räumlichen oder auch zeitlichen Distanz zwischen Gesundheitsdienstleistern (Arzt, Pflege, Physiotherapeut, Apotheker, …) und Patient oder auch die Konsultation zwischen zwei Gesundheitsdienstleistern mittels moderner Informations- und Kommunikationsmittel". Mit dieser Definition ist der Raum der telemedizinischen Anwendungen ein riesiger und umfasst von Telechirurgie bis Telekonsultation ein sehr reiches Feld an Möglichkeiten.

Geschichtliche Entwicklung und Beispiele der Telemedizin

Pater Lorenz Heister, deutscher Chirurg, Botaniker und Anatom aus dem 17. Jahrhundert, hat bereits zu seiner Zeit telemedizinische Betreuung angeboten. Mithilfe von damals modernen Kommunikationsmitteln - den Heister’schen Patientenbriefen (die "Konsiliarkorrespondenz Lorenz Heisters 1683 - 1758" von Dr. Marion Ruisinger) hat er mit Patienten, aber auch Kollegen kommuniziert.

Die Entwicklung der modernen Telemedizin begann so richtig in den 1980er-Jahren und trat in der Folge zumeist mit Flaggschiffprojekten hervor, wie etwa die "Lindbergh Operation", wo im Jahre 2001 die erste transatlantische telechirurgische Gallenblasenentfernung durchgeführt wurde, mit dem Operateur in New York und der Patientin in Strassburg.

Aber einfache telemedizinische Applikationen existieren natürlich schon länger und sind operativ im Einsatz. Ein Beispiel ist die schweizerische Vergiftungszentrale, wo Experten sofort medizinische Auskunft in akuten Vergiftungsfällen bieten, wie PD Dr. Stefan Weiler, wissenschaftlicher Leiter der Tox Info Suisse, berichtet. Auch manche Krankenversicherungen bieten Telemed-Modelle für ärztliche Beratung an.

Treibende Kräfte zur Entwicklung der Telemedizin

Treibende Kräfte für telemedizinische Entwicklungen sind zum einen gegebene physikalische Distanzen, wie es bei Militär, Raum- oder Luftfahrt der Fall ist, und zum anderen der hohe ökonomische Druck der stark ansteigenden Gesundheitskosten.

Zu nahezu unüberwindbare Distanzen hat auch die Coronapandemie geführt und die Telemedizin für den Normalbürger greif- und spürbarer gemacht. Dr. Gudrun Herzog, Leiterin der Gehörlosenambulanz der Universitätsklinik Salzburg, meint dazu: "Für meine Patient(innen), die ohnehin unter dem eingeschränkten Kontakt zur Welt der Hörenden leiden, fiel mit der Pandemie eine weitere Kontaktmöglichkeit durch die Unmöglichkeit des Arztbesuchs weg. Die Telemedizin in Form von Videosprechstunden war da die Rettung."

Die Pandemie hat gezeigt, dass bisherige medizinische, organisatorische und juristische Hindernisse dann sehr schnell überwunden werden können. Auf jeden Fall werden in den Definitionen zur Telemedizin nicht mehr nur Militär und Raumfahrt, sondern in Zukunft auch Pandemien als treibende Kraft für dessen Entwicklung hinzukommen - und manche Entwicklungen werden hoffentlich auch bleiben.

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