Ubique

Vom Hackathon zur produktiven App - die Geschichte der SwissCovid-App

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von Felisa Peral, Ubique Innovation

Die Swiss-Covid-App hat ihre Anfänge auch bei Ubique. Doch wie genau kam es dazu und was waren die Beweggründe, an dieser App zu arbeiten? Angefangen hat es mit einer Idee, die ­praktisch über Nacht zur Realität wurde.

Felisa Peral, Ubique Innovation. (Source: zVg)
Felisa Peral, Ubique Innovation. (Source: zVg)

Um sie ranken sich in Tagen dieser eigentümlichen Corona-Zeit allerlei Diskussionen und Spekulationen. Sie war zunächst eine Idee, über die man nach Feierabend mutmasste, und wurde praktisch über Nacht zur Realität. Die Rede ist von der - gerne einfach als Corona-App betitelten - Swiss-Covid-App. Diese App, wie sie jetzt in den Stores zum Download bereitsteht, hat ihre Anfänge auch bei Ubique. Doch wie genau kam es dazu und was waren unsere Beweggründe an dieser App zu arbeiten?

Next Step

Angefangen hatte alles in der letzten Märzwoche: Die Idee des Proximity Tracing und erste Ansätze aus Asien wurden in den Medien diskutiert. Inspiriert von Marcel Salathés Konzept "One Step Ahead" wollten wir zeigen, dass Proximity Tracing, im Gegensatz zu Lösungen aus dem asiatischen Raum, auch unter Wahrung der Privatsphäre umgesetzt werden kann. Alles andere wäre aus unserer Sicht für die Schweiz nicht akzeptabel gewesen, und es war uns wichtig, eine Lösung präsentieren zu können, bevor es Kopien der überwachungsstaatlichen Ansätze geben würde.

So kam es, dass wir im Rahmen des Hackathons "#Code­VsCOVID19" Ende März Tag und Nacht an der Umsetzung eines Open-Source-Projekts dazu gearbeitet haben. Innerhalb weniger Tage entwickelten wir einen funktionierenden Prototyp für dezentrales Proximity Tracing: die Next-Step-App.

Was wir nach dieser kurzen, aber intensiven Zeit in den Händen hielten, machte uns durchaus stolz. Wir gehörten zu den Ersten, welche die Idee einer Privatsphäre wahrenden Proximity-Tracing-App umgesetzt hatten. Trotzdem wussten wir nicht, inwiefern unsere Entwicklung für das Eindämmen des Virus später eine Rolle spielen würde. Und ob wir mit unserem Projekt auf Anklang stossen würden.

Von Next Step zu DP-3T

Das mediale Echo zu Next Step liess nicht lange auf sich warten. So kamen wir schnell mit der EPFL und der ETH Zürich in Kontakt, die schon ein ähnliches Konzept mit den gleichen Zielen verfolgten. Daraufhin schlossen wir uns den beiden Technischen Hochschulen mit ihrer Initiative DP-3T an - ein quelloffenes und internationales Projekt.

In dieser Kollaboration haben wir uns schnell dort einbringen können, wo unsere Stärken sind. So haben wir massgeblich bei der Umsetzung des DP-3T-Konzepts auf iOS und Android mithelfen können, wo wir unsere Erfahrung auf der Ebene von Security/Kryptologie und der Implementation der Kommunikation über Bluetooth eingebracht haben. Mit unserem "Hybrid-Ansatz", der unter anderem auch für iPhones im Hintergrundmodus funktionierte, hatten wir bereits eine Lösung, die technisch sehr weit war. Zudem haben wir eine Kalibrations-App entwickelt, die es den Forschern der beiden ETHs ermöglicht, Tests durchzuführen, um die Interpretation von Bluetooth-Signalen für das darunterliegende epidemiologische Modell zu kalibrieren. Als erfahrene Programmierer für Consumer Products konnten wir parallel dazu auf Basis der Erfahrungen von Next Step die User-Experience und das UI-Design entwickeln. Daraus resultierte unsere erste Demo-App.

"Die Resultate der unermüdlichen Arbeit der Wissenschaftler in der DP-3T-Initiative stiess international auf grosses Interesse. Nicht nur Google und Apple haben sich massgeblich davon inspirieren lassen, sondern auch Gesundheitsämter verschiedener Länder. Wir sind stolz, Teil dieses wichtigen Teams zu sein und unseren Beitrag leisten zu können", sagt Ubique-CEO Mathias Wellig.

Die Geburtsstunde von Swiss-Covid

Ende April verkündete das BAG, eine App auf Basis von DP-3T zu entwickeln, die als Ergänzung zum klassischen Contact Tracing dienen soll. So haben wir zuerst im Rahmen der Zusammenarbeit mit den Hochschulen an der Schweizer App gearbeitet und nach der Verordnung des 13. Mai dann auch im direkten Auftrag des Bundes.

Damit eine Proximity-Tracing-App letztlich auch ihren Nutzen hat, muss diese ins Gesundheitssystem eingebettet sein. Dazu wird vom BAG ein neuer Prozess initiiert, der Covidcodes nach einem positiven Covid-19-Test bereitstellt, mit dem man über die Swiss-Covid-App andere Nutzer über eine mögliche Ansteckung informieren kann.

Auf der technischen Seite wurde dieses System mit einem grossen Effort in kürzester Zeit vom Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) umgesetzt. Zusätzlich zu diesem System betreibt das BIT auch die Serverumgebung, auf dem die Umsysteme der Swiss-Covid-App laufen. "Das Projekt ist für uns eine herausfordernde und enorm spannende Erfahrung. Die enge und intensive Zusammenarbeit mit dem BAG, dem BIT, dem NCSC und den Hochschulen ist bereichernd und wertvoll", sagt Wellig. "Hut ab vor dem unermüdlichen Einsatz und Engagement aller Beteiligten für die Sache!"

Auf Augenhöhe mit den Grossen

Am 20. Mai erschien iOS 13.5 und das Android-Play-Services-Update mit dem neuen Exposure-Notification-Framework, das es erlaubt, direkt auf Funktionen auf Systemebene zuzugreifen, um Proximity-Tracing-Apps robuster und energiesparender zu entwickeln. In diesem historischen Schulterschluss von Apple und Google diente DP-3T als Inspiration für die Schnittstelle. "Als wir die Analyse durchführten und uns verschiedene Ansätze ansahen, haben wir uns sehr stark von der DP-3T-Gruppe und ihrem Ansatz inspirieren lassen - und das ist es, was wir als Lösung gewählt haben", sagt Dave Burke, Vice President, Android Engineering, Google.

Tatsächlich sind wir mit der Swiss-Covid-App weltweit die Ersten, die das Covid-19-Kontaktprotokoll von Android und iOS in einem grösseren Pilotprojekt produktiv einsetzen. Eine technische Pionierleistung der Schweiz - und für uns als App-Entwickler quasi ein Ritterschlag.

Testing an der Front

Besonders spannend war auch, als wir die DP-3T-App Ende April zusammen mit Schweizer Soldaten der RS in Chamblon testen durften. Definitiv ein User-Testing der aussergewöhnlichen Art. "Was wir bis jetzt gemacht haben, waren Labortests. Mit den Soldaten konnten wir die Anwendung im echten Leben testen", sagt Simon Rösch, Verantwortlicher Android, Ubique.

Was bedeutet die Swiss-Covid-App für Ubique?

Als während des Hackathons unsere Köpfe und Rechner heissliefen, hatte wohl niemand von uns erwartet, dass Next Step einmal so zur Swiss-Covid-App beitragen würde. Natürlich hatten wir gehofft, dass Next Step Beachtung findet und wir unseren Teil zum Ganzen beitragen können. Jetzt entwickeln wir mit BAG, BIT und NCSC, mit EPFL und ETH Zürich auf Augenhöhe mit den kalifornischen Megakonzernen Google und Apple die Swiss-Covid-­App. Wir sind damit an vorderster Front der internationalen Bestrebungen für eine Privatsphäre schützende Contact-Tracing-App. Damit hatte definitiv niemand gerechnet.

Der Grund, aus dem wir von Anfang an engagiert waren und an einer Lösung tüftelten, ist der Glaube an die Sache: dass es möglich ist, Proximity Tracing umzusetzen, ohne die Privatsphäre der Benutzer und damit wichtige rechtsstaatliche Prinzipien aufgeben zu müssen.

Damit folgt auch Swiss-Covid unserem einfachen Ansatz: Wir arbeiten mit Herzblut und Begeisterung an Dingen, von denen wir selbst überzeugt sind - in der Annahme, dass das auch von anderen Leuten geschätzt wird.

In diesem Sinne ist Swiss-Covid ein typisches Projekt von Ubique - und wohl das beste Aushängeschild für unsere Fähigkeit, komplexe, technische Systeme effizient und gesamtheitlich umzusetzen.

Raus aus der Isolation und zurück zur Normalität

Die letzten Wochen waren enorm lehrreich und aufregend, aber zwischenzeitlich auch kräftezehrend. Wie alle vermissen wir das Leben vor Corona: Unsere schönen Büros direkt an der Limmat, das gemeinsame Montags-Kochen, den sozialen Austausch.

Und gerade das spornt uns an und ist der Grund, aus dem wir so viel Herzblut für dieses Projekt geben - denn wir wissen, dass es auch nach dem Release der Swiss-Covid-App noch viel zu tun gibt. Gemeinsam leisten wir unseren Beitrag zur Verbesserung der Krise und zwar mit dem, was wir am besten können: mit Technologie, die unseren Alltag einfacher macht; Technologie, die uns hoffentlich einen weiteren Schritt zurück zur Normalität führt.

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