Martin Walthert: Werber des Jahres 2020

Ein CMO in kreativer Mission

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von Ann-Kathrin Kübler, Werbewoche.ch

Martin Walthert und sein Team kreieren die populären Kampagnen von Digitec und Galaxus seit Jahren weitgehend inhouse und gehen dabei immer wieder überraschende, unkonventionelle Wege. Dieser Mut wird nun mit der Egon-Trophäe belohnt.

Martin Walthert, Chief Marketing Officer bei Digitec Galaxus, ist "Werber des Jahres 2020". (Source: zVg)
Martin Walthert, Chief Marketing Officer bei Digitec Galaxus, ist "Werber des Jahres 2020". (Source: zVg)

"Der Dreh hat Spass gemacht", sagt Martin Walthert und lacht. "Sehr witzige Geschichte, cooles Team, ich freue mich." Es ist Sommer. Der Marketingleiter von Digitec Galaxus kommt gerade von einem Werbedreh an einem Strand in Dänemark zurück. Das Gespräch über seine Nomination zum "Werber des Jahres" 2020 findet in einem Sitzungszimmer des Digitec-Galaxus-Firmensitzes an der Zürcher Pfingstweidstrasse statt. Viele Schreibtische im offen gestalteten Büro sind leer. Wegen Corona arbeiten die meisten aus Waltherts 70-köpfigem Marketingteam im Homeoffice.

Werbung als notwendiger Wachstumstreiber

15 Jahre nach Beat Mühlemann von der Migros wird mit Martin Walthert wieder ein Marketingleiter zum "Werber des Jahres" gekürt. Keine Premiere also – und auch sonst fühlt sich der Zürcher nicht als Exot: "Wir haben ein grosses Kreativteam und investieren letztlich in die Branche. Darum finde ich, dass das passt." Es gehe ja nicht um operative Details, sondern darum, welches Gewicht man Werbung gebe und auf welche Art man sie betreibe. "Ich denke, dass ich als Kommunikationsverantwortlicher eines erfolgreichen, schnell wachsenden Unternehmens mit zwei bekannten und beliebten Brands glaubhaft vertreten kann, dass kreative, sorgfältig gemachte Kampagnen nicht einfach ein netter Luxus sind, sondern ein wesentlicher langfristiger Wachstumstreiber."

Das gilt auch jetzt, zu Zeiten der Pandemie. "Wir haben durch Corona einen grossen Wachstumsschub erhalten", sagt Walthert. "Wir haben neue Mitarbeitende angestellt und hatten strukturell schon 'Glück', wenn man es überhaupt so nennen darf." Ganz in Digitec-Galaxus-Manier entschied der 43-Jährige mit seinem Team spontan, den Text zweier Kampagnen auf den Corona-Alltag anzupassen. Ausserdem trat er kurzerhand selbst in einem Dankesspot mit Augenzwinkern auf. Digitec Galaxus hat sich mit genau solchen Kampagnen schweizweit einen Namen gemacht: Mit Werbung, die humorvoll und anders ist. Dies so erfolgreich, dass die Migros-Tochter regelmässig in Rankings punkto Image und Bekanntheit ganz vorne mitmischt.

Im Corona-Frühling 2020 setzten viele Werbetreibende auf Dankesbotschaften. "Es stand im Raum, für Galaxus etwas Passendes umzusetzen, mit Selbstironie, aber hier natürlich besonders wichtig ohne uns über die Situation oder andere lustig zu machen. So haben wir spontan diese Idee entwickelt", erzählt Walthert, der im Spot selbst die Hauptrolle übernahm.

Mutiger und direkter

Die Kreativkampagnen von Digitec Galaxus prägt Walthert seit jeher mit. Das ist seine Leidenschaft. "Wir passen teils noch am Set die Drehbücher an und schleifen an den Dialogen", beschreibt er seine Zusammenarbeit mit dem hauseigenen Creative Director Flurin Spring und der Produktionsfirma Plan B. Besonders ist, dass der Marketingleiter bewusst auf die Expertise von Agenturen verzichtet und Kampagnen stattdessen intern kreieren lässt. Schon in einem früheren Gespräch mit der Werbewoche verriet Walthert das Erfolgsrezept der Digitec-Galaxus-Kampagnen. "Der wichtigste Punkt ist, dass wir kurze Entscheidungswege haben. Wir müssen die Kampagnen nicht über mehrere Instanzen laufen lassen, sondern wir probieren direkt aus und lernen daraus." Dazu komme ein grosses Vertrauen seitens Management. Seiner Ansicht nach sehe man kommunikativen Massnahmen anderer Firmen oft an, dass zu viele Leute mitentschieden hätten. "Wir sind nicht per se kreativer als andere, höchstens mutiger und direkter."

Transparenter Umgang mit Kritik

Ein Beispiel für diese mutige Werbung ist die Produktbewertungskampagne von Digitec, in welcher der Händler auch tatsächlich abgegebene schlechte Bewertungen gross auf Plakaten abbildet. Gegenüber den Herstellern der Produkte musste das Marketingteam anfangs Überzeugungsarbeit leisten. "Mittlerweile haben die Hersteller aber verstanden, dass ihnen die Kampagne nicht schadet", sagt Walthert. "Es geht nicht um die Produkte, sondern um die Sterne, den Spruch, den Witz dahinter." Die Kampagne solle darstellen, dass Digitec eine glaubwürdige Plattform ist, wovon auch die Partner profitieren. Darum finden auch Kommentare, die Digitec selbst kritisieren, den Weg auf die Sujets. Laut Walthert ein Beweis für den transparenten Umgang mit Kritik. "Fehler passieren überall und sind via Social Media heute auch schnell publik", sagt der Zürcher. "Darum ist es viel relevanter, dass man Kritik zulässt und konstruktiv damit umgeht, statt zu versuchen, sie mundtot zu machen."

Kommunikationsziele richtig messen

So überrascht wenig, wofür sich Martin Walthert als "Werber des Jahres" 2020 einsetzen möchte: "Ich plädiere für mehr kreativen Mut und den selbstsicheren Einsatz auch ‹klassischer› Kampagnen gerade seitens werbetreibender Unternehmen." Es gebe ja viele gute Ideen da draussen, doch oft sehe man den Resultaten an, dass zu viel gewollt worden sei bei vielleicht auch zu vielen Stakeholdern, statt sich auf ein wesentliches Ziel zu fokussieren und dieses konsequent zu verfolgen. "Damit zusammenhängend erscheint mir auch wichtig, die Erreichung des kommunikativen Ziels mit den passenden Methoden zu messen, was meiner Erfahrung nach oft etwas vermengt wird und zu falschen Schlussfolgerungen verleitet", sagt Walthert. "Zum Beispiel muss eine Kampagne, welche die emotionale Markenbindung festigen soll, keinen unmittelbaren Website-Traffic-Zuwachs oder gar eine Umsatzsteigerung zeigen." Erst dies ebne den Weg für eine klare Botschaft, den bewussten Einsatz der Mittel und die Wahl der richtigen Kanäle.

Mit der Veränderung gehen

Martin Walthert reflektiert viel und ruht sich nicht auf Altbekanntem aus. Er habe weniger die grossen kreativen Ideen, sondern biete seinem Team vielmehr eine Unterstützung mit seinem Gespür dafür, welche Werbung funktionieren könnte, sagt der zweifache Familienvater. "Wir setzen auf Humor, müssen aber aufpassen, dass sich niemand angegriffen fühlt." Seit er vor 14 Jahren direkt nach dem Publizistik-Studium im Unternehmen startete, hätten sich sowohl die Firma als auch die Anforderungen an das Marketing stetig verändert, erzählt der 43-Jährige. Zu Beginn verfasste er noch selbst Newsletter, kreierte Produktwerbungen und druckte Flyer. Heute leitet er sechs Teams. "Die ständige Adaption an neue Situationen hat mich geprägt", sagt Walthert. "Nur weil wir etwas letztes Jahr so gemacht haben, heisst das nicht, dass das dieses Jahr auch so sein muss." Zuletzt strukturierte Walthert den Content-Bereich um. "Wir wollen mit den richtigen Inhalten die richtigen Kanäle bespielen. In dem Bereich können wir noch vieles besser machen als bisher", begründet er die Entscheidung.

Der Marketingleiter ist Mitglied der Digitec-Galaxus-Geschäftsleitung und setzt sich dafür ein, dass das digitale Unternehmen auch in klassische Werbung investiert. "Im Marketing gibt es die Tendenz, alles automatisiert, alles online, alles performance-orientiert zu machen, weil es eine verlockende, aber auch vermeintliche Messgenauigkeit verspricht", sagt Walthert. "Wir sind ein Gegenbeispiel. Wir setzen natürlich auch auf performanceorientierte Werbung, investieren aber gleichzeitig sehr viel in Branding, Image-Kampagnen und emotionale Markenpflege. Und das funktioniert ausgesprochen gut."

Waltherts Tipp an Marketer:

Die Digitalisierung der Werbekanäle bringt eine neue vermeintliche Genauigkeit in der Messung ihres Erfolges mit. Die Versuchung ist gross, diesen Zahlen blind zu vertrauen und sich endlich im Besitz dieses einfachen, eindimensionalen Schalthebels "x Franken Werbeinvest = y Franken Mehrumsatz" zu wähnen. Dies begünstigt dann tendenziell eine Verlagerung des Werbebudgets weg von "klassischer" Werbung hin zu digitalem Performance Marketing.

Je tiefer man jedoch in die Zahlen abtaucht, desto mehr sieht man, wie wenig man immer noch weiss und welche Komplexität verschiedener gleichzeitig wirkender und sich gegenseitig beeinflussender Faktoren herrscht. Ich würde also dazu raten, nicht einfach den vordergründigen Performancezahlen zu vertrauen, sondern eine bewusste Werbestrategie mit unterschiedlichen, klar getrennten Zielen zu verfolgen und diese auch separat zu messen und zu optimieren.

Steckbrief Martin Walthert

  • Beruf: Chief Marketing Officer bei Digitec Galaxus (seit 2006)

  • Wohnort: Kilchberg ZH

  • Geburtsort: Zürich

  • Alter: 43

  • Familienstand: verheiratet, zwei Kinder (4 und 6 Jahre)

  • Ausbildung: Studium der Publizistikwissenschaft und der Informatik an der Uni Zürich

  • So verbringe ich meine Freizeit: beim Singen im Bach-Collegium Zürich, beim Berg- und Alpinwandern oder auf dem See.

  • So bewege ich mich fort: meist mit meiner Vespa.

  • Lieblingsessen: Ou, das schaff ich nicht, all das grossartige Essen auf einen Nenner zu bringen.

  • Wollte ich früher werden: Journalist oder Pilot.

  • Lieblingskampagne: Da ist es ähnlich wie mit dem Essen. In besonders guter Erinnerung habe ich aber aus jüngerer Zeit die (Nicht-)Super-Bowl-Kampagne von Skittles mit David Schwimmer.

Kampagnen Digitec Galaxus

Alles für die Katze

Die Weiterführung der "Wir haben die Produkte, Du das leben"-Kampagne, die Galaxus im September 2019 lanciert hat, nahm einmal mehr gewohnte Werbeklischees - hier die Katzenfutterwerbung - aufs Korn.

Galaxus-Weihnachtskampagne 2019

Eine schon länger intern herumgeisternde Idee, einmal in bewährter Galaxus-Manier die "Realität" hinter den gängigen Klischee-allezusammen-Weihnachtssongs zu zeigen.

Erweiterte Produktbewertungs-Kampagne

Während der Corona-Pandemie mussten viele bereits gedruckte Digitec-Plakate zwischenzeitlich eingelagert werden. Das Marketingteam hat die Zeit genutzt, um weitere Sujets zu schaffen, und die Produktbewertungs-Plakate um Fragen, Kommentare und Diskussionen erweitert. In der Westschweiz hat es sogar eine Kundin aufs Plakat geschafft: Sie hatte kommentiert, dass sie auch gerne mal auf einem der Plakate zu sehen wäre. Digitec Galaxus hat ihr den Wunsch erfüllt.

Jedes Sujet ein Unikat

Im August 2020 hat Galaxus eine Plakatkampagne lanciert, in der jedes Sujet ein computergeneriertes Unikat war. Auf 11'214 Plakaten, Hängekartons, eBoards, ePanels und Inseraten wurde das regionale Einkaufsverhalten der Kundschaft gezeigt. Ein paar Stolpersteine gab es dabei: Für die Bewohner verschiedener Gemeinden reichte keine simple «-er»-Endung, wie zum Beispiel bei den Klostermer*innen und den Ustermer*innen.

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