Washington goes to San Francisco

Was Biden und Harris für die Tech-Giganten bedeuten

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von Rodolphe Koller und Übersetzt von Fabian Kindle

Die Wahl von Joe Biden und Kamala Harris könnte auch Auswirkungen auf die Tech-Giganten aus dem Silicon Valley und damit auf das tägliche Leben von Millionen von Usern haben. Doch mit einem republikanischen Senat sind weniger Regulierungen zu erwarten.

(Source: Jon Tyson / Unsplash)
(Source: Jon Tyson / Unsplash)

Die Chefs der Tech-Giganten begrüssen die Wahl von Joe Biden und seiner Vizekandidatin Kamala Harris, so wie sie vier Jahre zuvor Donald Trump begrüssten. Nach der Idylle der Obama-Jahre hatten die grossen Tech-Konzerne wie Apple oder Facebook ein turbulentes Verhältnis zur Trump-Administration. Dabei gab es Fotomöglichkeiten, Steuersenkungen und Druck, Arbeitsplätze in die USA zurückzuholen. Zudem hatten sie es mit einem Präsidenten zu tun, der sowohl süchtig nach Twitter als auch offen feindselig gegenüber dem Amazon-Chef Jeff Bezos eingestellt war. Zur Wahl des neuen Präsidenten haben Wired und The Information ihre Einschätzung über die Veränderungen für die grossen Tech-Konzerne veröffentlicht.

Mit Biden und Harris sollten die Dinge konsistenter und besser einschätzbar sein, was von Unternehmenschefs immer begrüsst wird. Was den Bidens Wahlversprechen betrifft, ist es überraschend, dass er kein Kapitel seines politischen Programms dem digitalen Raum widmet.

Mehr Regulierung erwartet

Für die US-amerikanische Presse ist jedoch klar, dass die grossen Tech-Konzerne eine grössere regulatorische Härte erwartet. Diese soll durch das Wissen und die Nähe zum Silicon Valley, von der aus San Francisco stammenden Kamala Harris, ausgeglichen werden. Auch der Senat, der wahrscheinlich in republikanischer Hand sein wird, dürfte den Spielraum für Regulierungen einschränken und Kompromisse einfordern.

Die künftige Regierung könnte daher einen pragmatischen Ansatz nach kalifornischem Vorbild bevorzugen. Wegen seiner Weigerung, Inhalte mit falscher oder missführender Aussage zu zensieren, riskiert Mark Zuckerberg, Jeff Bezos als Erzfeind des Weissen Hauses zu ersetzen.

Plattform-Ökonomie

Die Tech-Giganten sind seit über einem Jahr im Visier Washingtons. Es geht dabei um den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung, die Übernahme von Konkurrenten und die Bedingungen, die anderen Unternehmen auf ihren Plattformen auferlegt werden. Den US-amerikanischen Medien zufolge wird die Zusammensetzung der künftigen Regierung (Justizministerium, FTC) darüber entscheiden, ob sie eine aggressivere oder eine bescheidenere Haltung einnehmen wird.

Mit einem republikanischen Senat sollte es jedoch keine Gesetzesänderung geben, so The Information: "Obwohl die Republikaner Bemühungen unterstützen, grosse Technologieunternehmen wegen Missbrauchs von Marktmacht zu verfolgen, sind sie im Allgemeinen nicht für Änderungen des geltenden Kartellrechts."

Privatsphäre

Die USA könnten ein Gesetz nach DSGVO-Muster verabschieden, wie mehrere Medien berichten. Dieses könnte auf dem California Privacy Rights Act basieren, der bei den Präsidentschaftswahlen von einer Mehrheit der Kalifornier akzeptiert wurde und die Unterstützung der damaligen Staatsanwältin Kamala Harris hatte. Das kalifornische Gesetz behindert die Praxis der Datenerfassung und damit die personalisierte Werbung - die Haupteinnahmequelle von Tech-Konzernen wie Google und Facebook.

Moderation der Inhalte

Die neue Administration kann versuchen, Abschnitt 230 des Common Decency Act einzuschränken oder sogar aufzuheben. In diesem heisst es, dass Plattformen und andere soziale Netzwerke nicht für die Inhalte verantwortlich sind, die sie hosten. Eine Aufhebung und damit die Rechenschaftspflicht von Plattformen ist für beide grossen Parteien aus unterschiedlichen Gründen von Interesse.

Die Republikaner wollen die Zensur in Netzwerken wie Twitter verhindern, während die virale Verbreitung von falschen Informationen ein Dorn im Auge der Demokraten darstellt. "Diese diametral entgegengesetzten Missstände werden die Aussicht auf eine ernsthafte Gesetzesreform zunichtemachen", schreibt Wired.

Einwanderung

Die Trump-Administration hat die Beschaffung von H1-B-Visa und die Möglichkeit für Technologieunternehmen, ausländische Spezialisten einzusetzen, erheblich eingeschränkt. Es gibt allen Grund zur Annahme, dass die künftige Regierung diese Zwänge abschaffen wird. Laut The Information könnte sogar eine neue Gesetzgebung entstehen, die "die Länderobergrenze aufhebt und es den vielen indischen Angestellten in der US-Technologiebranche ermöglicht, Greencards zu erhalten".

Steuern

Nach den erheblichen Steuersenkungen durch die Trump-Administration gibt es kaum Zweifel daran, dass die Unternehmensbesteuerung mit einem Biden-Harris-Programm steigen wird. Laut mehreren Medienberichten werden jedoch gerade die Besteuerung von im Ausland erzielten Gewinnen und die Abschaffung bestimmter Steuernischen grössere Auswirkungen auf die Technologie-Konzerne haben. Während der Kampagne griff Biden ausdrücklich die niedrigen Steuern an, die Amazon und Netflix zahlen.

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