Umfrage der Stiftung Risiko-Dialog

Schweizer sind pro Digitalisierung – wollen aber mehr Mitsprache

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Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer sieht die Digitalisierung als Chance - vor allem für die Wirtschaft. In puncto Datenpolitik will die Bevölkerung aber mehr mitreden. Und beim Thema 5G braucht es mehr sachliche Informationen statt Lobbyarbeit und Verschwörungsgeschichten, wie eine Befragung der Stiftung Risiko-Dialog zeigt.

(Source: Pei Lin / Fotolia.com)
(Source: Pei Lin / Fotolia.com)

Schweizerinnen und Schweizer sehen in der Digitalisierung mehr Chancen als Risiken - vor allem mit Blick auf die Arbeitswelt. Die Bevölkerung wünscht sich aber auch mehr Mitsprache, insbesondere im Umgang mit Daten. Dies geht aus einer Befragung der Stiftung Risiko-Dialog hervor.

Den Ergebnissen zufolge beurteilen 57 Prozent der Befragten die digitale Transformation der Wirtschaft als überwiegend positiv; demgegenüber stehen 11 Prozent, die darin eher nur Gefahren sehen. Auch für die eigene Lebensqualität sieht die Mehrheit der Befragten hauptsächlich Chancen. Für die Studienautoren ist dieser Befund kaum überraschend, zumal die Digitalisierung viel Nutzen mit sich bringe, beispielsweise neue Möglichkeiten der sozialen Vernetzung oder des Lernens.

Mit Blick auf die Gesellschaft herrscht jedoch eine differenzierte Sicht vor: Die meisten Befragten sehen gleichermassen Chancen wie Gefahren. Nutzen und Herausforderungen halten sich die Waage, wie es im Ergebnisbericht heisst.

(Source: DigitalBarometer 2020/21, Stiftung Risiko-Dialog)

Auf dem Land kommt die Digitalisierung an - in der Westschweiz weniger

Welche Art von Menschen steht der Digitalisierung besonders positiv gegenüber? Den Ergebnissen zufolge sind es vor allem jene Menschen, die für eine offene, tolerante und ökologische Schweiz einstehen - im Gegensatz zu jenen Befragten, die eine starke, traditionelle und unabhängige Schweiz bevorzugen würden.

Auch Männer würden mit der Digitalisierung häufiger Chancen assoziieren. Zudem sprechen die Studienautoren von einem Sprachregionen-Effekt: Befragte aus der Romandie hätten eine pessimistischere Haltung gegenüber der Digitalisierung zum Ausdruck gebracht als die Befragten aus der deutsch- und der italienischsprachigen Schweiz. Keine Unterschiede gebe es hingegen zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Die Studienautoren interpretieren diesen Befund so: Auch in ländlichen Regionen sieht man das Potenzial der Digitalisierung.

Die Zukunft der Arbeit treibt die Menschen um

Am meisten beschäftigt die Befragten die Zukunft der Arbeit. 76 Prozent erachten dieses Thema als sehr wichtig. Und für knapp jeden dritten Befragten überwiegen diesbezüglich die Chancen; 22 Prozent sehen hingegen eher Gefahren.

Die Befragten würden die Digitalisierung der Arbeitswelt nun positiver beurteilen als noch im Vorjahr, schreiben die Autoren der Studie und begründen den Befund damit, dass beispielsweise durch die Automatisierung von Routinetätigkeiten das Menschliche mehr Platz bekomme. Kreative und beziehungspflegende Berufe würden wichtiger. Und: "Die Leute sind sich ihrer eigenen Verantwortung bewusst und zeigen eine proaktive Haltung, sich zu informieren oder weiterzubilden." Über die Hälfte der Befragten gab an, Weiterbildungen besuchen zu wollen.

(Source: DigitalBarometer 2020/21, Stiftung Risiko-Dialog)

Datenpolitik ist mehr als nur Datenschutz

Am zweitwichtigsten ist den Befragten ein vertrauenswürdiger Umgang mit Daten. Dieser gilt den Ergebnissen zufolge als wahrgenommenes Risiko Nummer 1 im Zusammenhang mit der Digitalisierung. 37 Prozent der Befragten assoziieren damit Gefahren; gerade einmal 11 Prozent Chancen.

Die Menschen möchten die Digitalisierung mitgestalten, so ein weiterer Befund. Dies betrifft insbesondere den Umgang mit Daten (80 Prozent) - beispielsweise mithilfe von Tools für einen besseren Datenschutz. 70 Prozent möchten gerne wissen, wofür ihre Daten verwendet würden. 57 Prozent fänden ein Ampelsystem hilfreich, das anzeigen würde, wie gut bestimmte Daten geschützt sind.

Doch auch die Politik sei gefordert. Insbesondere im Umgang mit Daten gehe es nicht nur um Datenschutz, sondern auch darum, Chancen für die Schweiz zu nutzen - beispielsweise als "sicherer Datenhafen", schreiben die Studienautoren. Die Befragten wünschen sich zudem eine klare Datenpolitik, zum Beispiel in Form von stärkeren Datenschutzgesetzen (48 Prozent). Denn in erster Linie sehen die Befragten Datenschutzbehörden (66 Prozent) und die Politik (63 Prozent) in der Verantwortung.

5G weckt kaum Interesse, ausser in den gegnerischen Lagern

"5G interessiert kaum", heisst es in der Zusammenfassung der Ergebnisse. Das Thema polarisiert zwar, doch nur wenige Befragte messen dem neuen Mobilfunkstandard eine hohe Bedeutung bei. Befürworter betonen, es brauche 5G aufgrund des steigenden Datenvolumens und für neue Anwendungen in Industrie, Mobilität und Sicherheit. Kritiker weisen hingegen auf mögliche Gefahren der Strahlung sowie den fraglichen Nutzen für die Gesellschaft hin. "Niemand weiss, wie die Diskussion um 5G sinnvoll weitergebracht werden kann - zumal sich auch nur ein kleiner Teil der Bevölkerung dafür interessiert und engagiert", schreiben die Studienautoren.

Unter denen, die das Thema als sehr relevant einschätzen, gibt es zwei Lager: Die 5G-Befürworter und -Befürworterinnen, die sagen, die Debatte sei dominiert durch Verschwörungstheorien (62 Prozent) und dass zu wenig über den konkreten Mehrwert informiert werde (56 Prozent). Die 5G-Gegnerinnen und -Gegner hingegen geben an, die Debatte sei getrieben durch Lobbys respektive wirtschaftliche Interessen (50 Prozent).

Mehr informieren, weniger weibeln

Generell bestehe ein Informationsbedürfnis: Unabhängig von der Bewertung (Pro oder Kontra) befürwortet die Hälfte der Befragten eine fortlaufende Messung der effektiven Strahlenbelastung (48 Prozent). Man möchte also ein klareres Bild von der Situation haben.

Wer gleichermassen Chancen und Gefahren von 5G sieht, tendiert eher zu einem vorsichtigen Vorgehen. Die Studienautoren ziehen aus diesem Befund den Schluss: Ein Grundkonflikt prägt die 5G-Debatte - und zwar jener zwischen Schutz und Fortschritt.

Die Autoren empfehlen insbesondere den Behörden, diesen Konflikt nicht als Widerspruch, sondern als aktiven Abwägungsprozess darzustellen - zum Beispiel durch eine auf Fakten basierende Informationspolitik. Weiter sei es wichtig, sich in der Kommunikation vor allem an den nicht polarisierten Teil der Bevölkerung zu richten. "Sie sind bei ihrer Meinungsbildung zu unterstützen - beispielsweise durch die transparente Darstellung von Argumenten und Bewertungen aus unterschiedlichen Perspektiven", schreiben die Autoren der Studie.

Über die Befragung

Durchgeführt hat die Befragung die Initiative Apropos der Stiftung Risiko-Dialog. Die Studie wurde mitfinanziert von der Mobiliar-Versicherung. 1648 Personen aus der Deutschschweiz, der Romandie und aus dem Tessin haben zwischen dem 22. Juni und dem 12. Juli 2020 an der Umfrage teilgenommen. Die Ergebnisse stehen auf der Website der Stiftung Risiko-Dialog online bereit.

Das Meinungsforschungsinstitut GFS Bern kam kürzlich auf andere Befunde bezüglich der Akzeptanz von 5G in der Schweiz: Den Ergebnissen zufolge sieht die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer im neuen Mobilfunkstandard mehr Vor- als Nachteile. Finanziert wurde diese Studie allerdings von einer 5G-Lobby.

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