Archivrecherche 2.0

Forschende schicken KI in den Geschichtsunterricht

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von Coen Kaat und jor

An der Universität Graz soll eine künstliche Intelligenz in der Archivrecherche trainiert werden. In Zusammenarbeit mit Historikern soll die moderne Technologie neue Aufschlüsse aus jahrhundertealten Dokumenten gewinnen.

(Source: Wikimedia / Public Domain)
(Source: Wikimedia / Public Domain)

Künstliche Intelligenz (KI) kann schon Bilder malen, Schach spielen, Musik komponieren und auch Katzen zeichnen. Nun soll sie einen weiteren Trick lernen. Dafür schickt Georg Vogeler eine KI in den Geschichtsunterricht. Vogeler ist Historiker und Leiter des Zentrums für Informationsmodellierung der Universität Graz.

"Etablierte Methoden reichen nicht mehr aus, um die grosse Zahl der Urkunden, die seit dem 13. Jahrhundert in Europa entstanden ist, zu analysieren und die darin verborgenen Geschichten herauszulesen", lässt sich Vogeler in einer Mitteilung der Universität zitieren.

Darum soll KI nun aushelfen, um digitalisierte historische Dokumente besser erforschen zu können. Wie diese Hilfe aussehen soll, will Vogeler mit seinem Projekt DiDip (From Digital to Distant Diplomatics) definieren und dabei eine "virtuelle Forschungsumgebung" entwickeln, wie es auf der Website der Uni Graz heisst.

Mensch und Maschine Hand in Hand

In dieser Lernumgebung sollen Mensch und Maschine gemeinsam anpacken. "Das Computerprogramm kann aus der Fülle von Daten lernen und Informationen sammeln", sagt Vogeler. "Es braucht aber menschliche Kreativität und Verständnisfähigkeit, um diese dann auch zu interpretieren."

Georg Vogeler, Historiker und Leiter des Zentrums für Informationsmodellierung der Universität Graz. (Source: Universität Graz)

Von dieser Zusammenarbeit erwartet Vogeler neue Aufschlüsse über gesamteuropäische Entwicklungen, Trends und Brüche, nicht zuletzt über die grosse Pest in den Jahren 1348 und 1349 sowie die ihr folgende Wirtschaftskrise.

"Ich frage mich schon seit mehr als 20 Jahren, wo man in der europäischen Vergangenheit Gemeinsamkeiten und übergreifende Trends findet", wird Vogeler in "Der Standard" zitiert. "Das war damals aber nicht möglich, weil man nicht genügend Dokumente schnell verarbeiten konnte und stattdessen dafür Jahrzehnte durch Europa hätte reisen müssen, auch weil die Bestände aus historischen Gründen eigenwillig verteilt sind."

600'000 Dokumente über Raubritter, Heldentaten und Religion

Als Grundlage für den "Geschichtsunterricht" dient Monasterium.net - eine Datenbank vom International Centre for Archival Research (Icarus). Das Portal versammelt über 600'000 mittelalterliche und frühneuzeitliche Dokumente mit Geschichten über flüchtige Raubritter, Heldentaten, Beihilfe zur Flucht oder religiöse Spaltung von Familien.

Für seine Forschung erhielt Vogeler einen mit knapp drei Millionen Euro dotierten ERC Advanced Grant - eine der höchsten Förderungen, die die Europäische Union vergibt, wie die Uni Graz schreibt. Dieser hat eine Laufzeit von 2022 bis 2026.

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