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Dolmetschen vor Ort oder online: Das sind die Unterschiede

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Konferenzen und Meetings verlagern sich zunehmend in den digitalen Raum. Das bedeutet auch Anpassungen beim Dolmetschen. Wie diese aussehen und worauf es bei der Technik ankommt, erklären Screenpro, der Schweizerische Gehörlosenbund und Focus Film.

(Source: benjamin hofer)
(Source: benjamin hofer)

Events, Konferenzen und Meetings finden zunehmend digital statt. Das hat sich auch beim Dolmetschen bemerkbar gemacht. Wo die Unterschiede zwischen dem Dolmetschen vor Ort und bei Onlineanlässen liegen und worauf es bei der Technik ankommt, erklären Vertreter von Screenpro, dem Schweizerischen Gehörlosenbund und dem Video- und Audiotechnik-Unternehmen Focus Film.

Ähnliche Technik bei physischen und virtuellen Events

"In technischer Hinsicht unterscheidet sich das Dolmetschen bei Events oder Onlineanlässen nur geringfügig von den physischen Events", erklärt Giancarlo Licci von Screenpro. Für das simultane Dolmetschen in verschiedene Sprachen kommen in der Regel sogenannte Simultandolmetscheranlagen oder -kabinen zum Einsatz. Diese sind entweder fest installiert oder für mobile Einsätze konzipiert.

Auch wenn das eingesetzte Material bei Online-Anlässen und bei physischen Events grundsätzlich identisch ist, haben sich während der Coronakrise die Umstände etwas geändert. So könne aufgrund der BAG-Hygienevorschriften pro Simultankabine nur ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin eingesetzt werden. "Dies gibt aus logistischen Gründen entsprechend Mehraufwände in der Umsetzungsphase", sagt Licci.

Stabile Videoübertragung und gute Tonmischung wichtig

Damit das Dolmetschen während Online-Anlässen reibungslos funktioniert, sind gemäss Licci vor allem zwei Punkte entscheidend. Erstens muss die Stabilität der Videoübertragung sichergestellt sein. Die Dolmetscher und Dolmetscherinnen müssen den Stream in ihrer Kabine live mitverfolgen können. Zweitens muss der Tonmix der übersetzten und der originalen Sprache gut aufeinander abgestimmt sein.

Beispiel von Dolmetscherkabinen während der Vorstellung des Films "Helle Nächte" auf der Berlinale 2017. (Source: Martin Kraft via Wikimedia Commons, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

"Dolmetscheranlagen sind Hardware im klassischen Sinne", sagt Licci. Sie funktionieren sehr zuverlässig und stabil. Durch die Folgen der Pandemie ist auch die Nachfrage nach progressiven Softwarelösungen stark angestiegen. "Diese werden zurzeit von verschiedenen Streaming-Plattformen entwickelt und lanciert", so Licci. Als Beispiel nennt er eine neue Option bei Zoom, durch die Zuhörende während des Streams darüber entscheiden können, ob sie eine Übersetzung oder den Originalton wünschen. Für die Übersetzung müssen der Dolmetscher oder die Dolmetscherin nicht mehr physisch vor Ort sein.

Herausforderungen beim Gebärdensprachdolmetschen

Auch für Gebärdensprachdolmetscher und -dolmetscherinnen ändert sich technisch nicht viel, ob es nun um physische oder Onlinekonferenzen geht. Dennoch haben sich die Situation und die Bedingungen verändert, wie Tirza Verelst vom Schweizerischen Gehörlosenbund sagt.

"Erst kürzlich durften wir erste Erfahrungen mit Onlinekonferenzen sammeln", erklärt sie. Dafür haben sich die Dolmetschenden trotzdem vor Ort eingefunden. Das lag an der komplexen Koordination zwischen den Übersetzern, der Moderation, des Aufnahmeleiters und der Techniker. Ein weiterer Grund ist gemäss Verelst: "Ein Gebärdensprachdolmetscher oder Deaf Interpreter benötigt den richtigen Hintergrund, dunkle Kleidung, gute Beleuchtung ohne Schattenwurf – speziell im Gesicht –, eine professionelle Kamera und eine gute Internetverbindung."

Beim Gebärdensprachdolmetschen sind Beleuchtung, Kleidung und der Hintergrund des Dolmetschenden entscheidend. (Source: zVg)

Hohe Anforderungen an Kamera und Ton

Die Kameraeinstellung variiert dazu noch von Person zu Person, wie Stanko Pavlica von Focus Film ergänzt. Es gebe unterschiedliche Körpergrössen und -bauten sowie Haut- und Haarfarben, die berücksichtigt werden müssen.

Bei sechs verschiedenen visuellen und auditiven Sprachen muss ausserdem beachtet werden, dass die Audiotechniker und -technikerinnen alle Dolmetschenden, Zuhörenden und Zuschauenden auf dem richtigen Sprachkanal haben. Das kann eine Herausforderung sein: Wenn etwa eine italienisch gebärdende Person referiert, müssen Dolmetschende die Gebärden zuerst in italienische Lautsprache, dann etwa in französische Lautsprache und schliesslich in französische Gebärdensprache übersetzen.

"Parallel zur Tontechnik sind die im Vorfeld gelieferten Informationen wie etwa Sitzungsunterlagen für die Dolmetschenden eine grosse Hilfe", sagt Pavlica. "Gerade Gebärdensprachdolmetschende haben während der Verdolmetschung keine Gelegenheit, um auf eine ausgedruckte Präsentation zu schauen. Aus diesem Grund stellen wir direkt neben der Kamera einen Monitor auf, welcher unter anderem die Live-Präsentation zeigt."

Diese Hard- und Software kommt zum Zug

Abschliessend listet Pavlica die Hardware und Software, die er beim (Gebärdensprach-)Dolmetschen während Online-Anlässen einsetzt:

  • Sony Prof. Kameras mit grossem Sensor und guter Linse

  • Grauer Hintergrundmolton

  • BDM-Videocapture-Interface-Geräte mit Serial Digital Interface (SDI)

  • SDI-HDMI-Konverter

  • LED-Lichter

  • Videoswitcher für den Kamerawechsel

  • Grosse TVs und Monitore ab 30 Zoll für Dolmetschende und Moderation

  • XLR-Mikrofon

  • Software: Zoom Videowebinar mit Mini Macs und zum Teil Windows-Laptops

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