CDO Markus Wirth im Interview

Wie der Digitalchef der TX Group den Medienkonzern transformieren will

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Ein fünfköpfiges Team verantwortet die technische Leitung der TX Group. Das neueste Mitglied, Chief Digital Officer Markus Wirth, gibt im Interview einen Einblick in die neue Digitalstrategie. Dass die Kundschaft dabei im Fokus stehen soll, lernte er schon während seiner Zeit bei der Cofra-Holding.

Markus Wirth, Chief Digital Officer, TX Group. (Source: zVg)
Markus Wirth, Chief Digital Officer, TX Group. (Source: zVg)

Seit Februar arbeiten Sie bei der TX Group. Wie erlebten Sie Ihre ersten Monate?

Markus Wirth: Erst einmal extrem positiv und energiegeladen. Ich habe viele Gespräche geführt, zugehört und mir ein Bild unserer verschiedenen Geschäftsbereiche machen können. Natürlich gibt es grosse Herausforderungen. Der Werbemarkt ist unter Druck und wir spüren jeden Tag die Herausforderungen in unserem klassischen Mediengeschäft, aber mir ist extrem viel Gutes aufgefallen. Ich finde es wirklich beeindruckend, dass diese Gruppe bereits 53 Prozent des Umsatzes mit digitalem Geschäft erzielt und dass wir gemeinsam rund 80 Prozent der Personen in der Schweiz mit unseren Dienstleistungen und unseren Newsplattformen erreichen.

Ihr Jobtitel lautet Chief Digital Officer. Was ist Ihre Aufgabe?

Unser Marktumfeld bewegt sich mit rasanter Geschwindigkeit. Technologie ist klar einer der fundamentalen Treiber dieser Veränderung, aber es geht um mehr: Es geht darum, wie wir uns in diesem dynamischen und zunehmend unsteten Umfeld aufstellen und neu erfinden, um auch in Zukunft für unsere Kunden, Leser, Partner und Mitarbeitenden relevant zu bleiben. Alle unsere Geschäftseinheiten stellen sich diese Fragen und sind schliesslich mitten in ihrem Transformationsprozess. «Digital» greift da klar zu kurz, aber heisst am Schluss nichts anderes, als dass ich die spannende Aufgabe habe, mich gemeinsam mit unseren ­Geschäftseinheiten intensiv mit diesen Transformationsthemen auseinanderzusetzen und unsere gemeinsame Lernkurve als Veränderungsmotor Schritt für Schritt anzuschieben, respektive meine Kollegen im Business darin zu unterstützen.

Warum braucht die TX Group nun einen CDO?

TX hat über die ganze Gruppe hinweg gesehen über 500 Technologiespezialisten. Es mag nicht jedem klar sein, aber wir sind ein Schweizer Technologie-Powerhouse. Wir haben zudem in jeder unserer Geschäftseinheiten tolle CTOs, die ihr Business verstehen. Ich darf mich extrem glücklich schätzen, dass ich mit einem solch starken Talent-Pool zusammenarbeiten darf. Vor diesem Hintergrund wurde im Vorfeld meiner Rekrutierung auch überlegt, ob für die nächste Evolutionsphase der TX Group ein technisch orientierter CTO oder ein transformationsorientierter CDO hilfreich sein würde. Die Antwort auf diese Frage kennen wir nun ja, und ich glaube, dass diese Entscheidung genau richtig war.

Im Organigramm der TX Group gibt es neben Ihnen als Chief Digital Officer auch noch einen Chief Information Officer und einen Chief Data Officer. Wie unterscheiden sich diese Funktionen?

Eine wichtige Funktion haben Sie im Organigramm übersehen: es ist die Funktion unseres CISO, das heisst unseres Chief Information Security Officers. Gemeinsam mit Sam Hügli, dem Leiter Technology und Ventures, bilden wir die Technologie-Geschäftsleitung der TX Group. IT (CIO) und Security (CISO) bilden die stabile Basis für unser Tagesgeschäft sowie jedwelche weitere Innovationen. Wir sind da extrem gut und fortschrittlich aufgestellt. Die Kollegen haben zum Beispiel früh und konsequent Cloud-Lösungen vorangetrieben und in richtig gute Sicherheitskonzepte investiert. Unser Chief Data Officer wiederum beschäftigt sich intensiv mit der Generierung, Analyse und Interpretation von Daten in unserer Gruppe. Darüber hinaus stellt er sicher, dass dies im Einklang mit den rechtlichen Rahmenbedingungen und im Einverständnis unserer Kundinnen und Kunden erfolgt. Das Ergebnis seiner Arbeit ist wiederum Input für meine Arbeit. Nämlich bei der Identifikation von Kundenbedürfnissen und der Entwicklung von Geschäfts- oder Prozessinnovationen. Was wir machen und vorleben, ist Teamwork, weil wir alle überzeugt sind, dass wir dadurch gemeinsam besser zum Erfolg der ganzen TX Group beitragen können.

Sie haben kürzlich eine Digitalstrategie für die TX Group festgelegt. Wie sieht diese Strategie aus?

Im Rahmen der Technologiestrategie der Gruppe haben wir als integralen Bestandteil tatsächlich gemeinsam mit unseren Geschäftsbereichen eine geschärfte Digitalisierungsstrategie entwickelt. Die Kernaussage, die ich nach aussen teilen kann, ist ziemlich pragmatisch: Wir müssen den Motor anwerfen und lernen, gleichzeitig in kleinen und grossen, mutigen Digitalisierungsschritten zu gehen. Dazu zählen zum Beispiel das kürzlich angekündigte Joint Venture mit Ringier, der Mobiliar und General Atlantic, aber auch die vielen niederschwelligen Iterationen, Prototypen und Minimum Loveable Products. Dabei müssen wir stärker denn je unsere Kundinnen und Kunden wieder zurück ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken. Die Basis ist eine noch bessere Zusammenarbeit, dass wir aus Fehlern lernen sowie daraus die richtigen Schlüsse ziehen und wir uns laufend verbessern. Insbesondere Letzteres ist für eine Firma, die derart in der Öffentlichkeit steht, eine kulturelle Herausforderung. Wenn wir in diesem raschen Wandel bestehen und gegen die internationale Konkurrenz in der Schweiz gewinnen wollen, führt daran kein Weg vorbei. Letztlich wollen wir damit den Anteil am Digitalumsatz in unserer Gruppe nochmals substanziell und nachhaltig steigern und langfristig durch führende Marktpositionen wachsen.

Sie erwähnten das Joint Venture für digitale Marktplätze. Was ­bedeutet dies für Sie und Ihre Rolle als CDO der TX Group?

Die Zusammenlegung der Online-Marktplätze von TX Markets und Scout24 Schweiz ist wegweisend, denn mit dem Joint Venture entsteht eines der grössten Digitalunternehmen der Schweiz in den Bereichen Immobilien, Fahrzeuge, Finanzdienstleistungen und General Marketplaces. Das neu gegründete Unternehmen bleibt ein wesentlicher Teil der Gruppe, zudem wird die Integration und allmähliche Verselbstständigung einige Zeit in Anspruch nehmen. In den vergangenen Jahren hat die TX Group bewiesen, dass sie immer in Bewegung bleibt. Die gesamte Gruppe befindet sich in einer Transformation und wir als Technologieabteilung helfen ihr dabei, erfolgreich zu sein.

Was ist in Ihrer Strategie sonst noch neu oder anders, verglichen mit der letzten Digitalstrategie der TX Group?

Im letzten Jahr hat sich die TX Group neu strukturiert und damit den sehr unterschiedlichen Bedürfnissen und Herausforderungen unserer Geschäftsbereiche Rechnung getragen. Unsere gesamte Technologiestrategie nimmt diesen Grundgedanken auf – wir sprechen deshalb von einer föderalistischen Technologiestrategie. Damit meinen wir mehr Flexibilität und Agilität in spezifischen Geschäftsfeldern, aber gleichzeitig ein stabiles und starkes Rückgrat, auf dem alle Geschäftsfelder aufsetzen. Dieser Gedanke zieht sich durch alle Technologiebereiche. Für unseren Digitalisierungsansatz heisst das, dass wir noch stärker an den Kundenbedürfnissen und Businessprioritäten ansetzen sowie Mehrwert schaffen durch Brücken und Verbindungen von einzelnen Geschäftsbereichen und -modellen.

Und warum waren diese Neuerungen nötig?

Wie in vielen Unternehmen waren die Vorjahre dadurch geprägt, Verständnis für die Notwendigkeit und Relevanz von Themen wie Cloud, Cyber Security, Datenkompetenz und Digitalisierung zu schaffen. Als Erkenntnis aus dieser Vorarbeit hat die TX Group in vielen Bereichen bereits sehr mutige und auch kapitalintensive Schritte unternommen und umgesetzt. Diese wertvollen Vorarbeiten haben sich in der Pandemie hervorragend bewiesen und nun können wir darauf aufbauen, weiter denken und beschleunigen. Insofern war nun die Zeit einfach reif, einen Gang hoch zu schalten und gemeinsam mit unseren Geschäftsbereichen die nächste Evolutionsphase einzuläuten.

In Ihrer Unternehmensgruppe befinden sich journalistische Medien, Marktplätze und Werbeunternehmen. Wie gingen Sie vor, um deren unterschiedlichen Ansprüche in eine Strategie zu packen?

Indem wir eben die unterschiedlichen Ansprüche auch unterschiedlich angehen. Die Zeiten einer internen IT, bei der eine Abnahmepflicht besteht, sind vorbei. Wir haben uns so aufgestellt, dass wir ganz bewusst laufend gemeinsame Skalenvorteile und individuelle Wettbewerbsvorteile abwägen und dann unsere internen Kundinnen und Kunden optimal bedienen. Denn wenn unsere internen Kunden agil sein müssen, müssen wir das auch als Technologie-Abteilung sein.

Wie hat sich Corona auf Ihre Arbeit ausgewirkt?

Corona war schwierig und ist es immer noch. Trotz all der Herausforderungen versuche ich der aktuellen Situation auch Positives abzugewinnen. Durch die Technologie-Brille betrachtet, hat die Pandemie eindrücklich aufgezeigt, wie wichtig ein stabiler, sicherer und skalierender Backbone ist. Nachlässigkeit wurde hier schonungslos bestraft. Uns hat die Pandemie diesbezüglich bestärkt, dass wir mit den wegweisenden Technologie-Entscheidungen auf dem richtigen Weg sind und es einer weiteren Evolution und keiner Revolution bedarf. Sie hat auch aufgezeigt, dass unsere Mitarbeitenden echt tolle Arbeit abliefern, die uns alle stolz macht. Auch das ist nicht immer selbstverständlich und tut gut, wenn das auch von unseren Mitarbeitenden gesehen und wertgeschätzt wird. In der weiteren Evolution sind dadurch bereits wichtige Themen wie "Future of Work", "Security by Design", "Data Protection" noch prominenter geworden, was eine sehr gute Entwicklung ist.

Wie geht es weiter? Was passiert, um die Strategie umzusetzen?

Wir sind schon mittendrin. Konkret haben wir "Meilenstein-Initiativen" formuliert und mit den nötigen Mitteln und Talenten ausgestattet. Die Vorstellung, dass man eine Strategie macht und dann auf den Knopf drückt und exekutiert, entspricht nicht mehr der gelebten Realität. Wir begeistern unsere Kundinnen und Kunden und Mitarbeitenden nicht mit Folien und Worten, sondern indem wir diese Ideen vorleben und Taten folgen lassen. Die zentralen Elemente des Föderalismus, der Zusammenarbeit und des Lernens anhand von Prototypen setzen wir bereits in verschiedenen Bereichen um.

Vor Ihrer Zeit bei TX Group waren Sie Strategiechef der global ­tätigen Cofra-Holding. Welche Learnings können Sie der TX Group aus dieser Zeit mitgeben?

Ich habe in meinen acht Jahren und verschiedenen Rollen bei Cofra sehr viel lernen können. Von der Strategie über Private Equity bis hin zur digitalen Transformation von Modehandel. Was mich aber sicherlich am meisten geprägt hat, ist der radikale Kundenfokus. Wer im Einzelhandel den Bezug zum Endkunden verliert, die Bedürfnisse nicht mehr klar versteht, wird am Markt vorbeizielen. Das ist fatal, was ich selbst auf die harte Tour gelernt habe. Deshalb komme ich immer wieder mit den gleichen Fragen rund um unser Verständnis der Kundenbedürfnisse und was wir daraus machen.

Sie führten auch schon ein eigenes Unternehmen, Wirth Software Solutions. Was hat Ihre Firma angeboten?

Ich hatte sehr früh in meiner Karriere die Chance bekommen und auch ergriffen, mich selbstständig zu machen. Ich entwickelte unter anderem für ein grosses Schweizer Telekom-Unternehmen Datenbanken und verteilte Applikationen. Es war für mich eine wirklich tolle Erfahrung, die mich ökonomisch unabhängig gemacht hat und mich heute noch prägt. Viele theoretische Konzepte der Uni konnte ich dort direkt umsetzen und den Theorie-Praxis-Bezug herstellen.

Haben Sie seither je erwogen, wieder ein Unternehmen zu gründen?

Ich habe es nie ausgeschlossen und kann mir auch vorstellen, dass ich das später nochmals in Erwägung ziehe. Es hängt von der Kombination "Timing, Team und Idee" ab. Das Potenzial und die Möglichkeiten bei der TX Group sind aber so spannend, dass ich momentan gar keine Zeit und Musse habe, darüber nachzudenken. Im Gegenteil: Ich suche neue Talente, die mit mir und dem ganzen Team bei TX diesen spannenden Weg gestalten wollen.

Zur Person

Als Unternehmer, Berater, Stratege und Führungskraft verfügt Markus Wirth über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien in verschiedenen Industrien im schweizerischen wie auch internationalen Kontext. Vor seinem Engagement bei der TX Group war er in verschiedenen Managementpositionen bei der Cofra-Holding beschäftigt, davor unter anderem bei McKinsey und IBM. Wirth hat einen Master in Wirtschaft & Business ­Administration sowie einen Doktortitel der Universität St. Gallen.

Quelle: TX Group

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