Kritik an Amtsführung

Europas Cloud-Projekt Gaia-X wird zum Problemfall

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von Yannick Chavanne und Übersetzung: Silja Anders

Gaia-X, das Projekt einer unabhängigen europäischen Cloud, hat ein Gründungsmitglied verloren. Derweil nehmen chinesische und US-amerikanische Hyperscaler zunehmend Einfluss auf das Projekt. Der CEO von Gaia-X äussert sich nun zur zunehmenden Kritik.

(Source: Sara Kurfeß / Unsplash.com)
(Source: Sara Kurfeß / Unsplash.com)

Eines der Gründungsmitglieder des europäischen Cloud-Projekts Gaia-X, der französische Anbieter Scaleway, zieht sich aus dem Projekt zurück. "Die Ziele des Verbandes waren ursprünglich lobenswert, werden nun aber zunehmend von einem Polarisierungsparadoxon abgelenkt und durchkreuzt. Das hat zur Folge, dass der Status quo, also ein unausgewogener Wettbewerb, gestärkt wird", teilt der Cloud-Anbieter via Twitter mit. CEO Yann Lechelle sagte gegenüber mehreren französischen Medien, dass die US-amerikanischen und chinesischen Hyperscaler indirekt Einfluss auf die Entscheidungen des Gaia-X-Verwaltungsrates – insbesondere die technischen Ausschüsse – nehmen würden, obwohl sie diesem Gremium offiziell nicht angehörten. Der Verband würde mit dem Projekt nicht mehr an der digitalen Unabhängigkeit Europas von den USA und China arbeiten. Zudem würden sich aussereuropäische Akteure an seiner Finanzierung des Projekts beteiligen, sagte der Scaleway-CEO. Der französische Anbieter werde sich für den Aufbau einer europäischen Cloud auf den Gaia-X-Konkurrenten Euclidia konzentrieren.

Das Gaia-X-Projekt wurde Ende 2019 vom deutschen und französischen Wirtschaftsministerium vorgestellt und Anfang 2021 als Verein mit rund 20 Gründungsmitgliedern, einem öffentlich-privaten Konsortium aus verschiedenen Wirtschaftssektoren, gestartet. Der Verein besteht heute aus rund 300 Mitgliedern. Sein Ziel ist es, den technischen Rahmen zu entwickeln und ein digital unabhängiges Ökosystem von cloudbasierten Diensten zu betreiben. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Wirtschaftsverbands Swico würde es eine grosse Mehrheit der Schweizer IT-Anbieter begrüssen, wenn die Schweiz mit dem Gaia-X-Projekt verbunden wäre.

Kritik und Reaktionen

Der Ausstieg von Scaleway erfolgt vor dem Hintergrund einer angespannten Situation für Gaia-X. Im Rahmen seines jüngsten Jahresgipfels äusserten einige Mitglieder Kritik bezüglich der Auswahl der Sponsoren. Die Zeitschrift "Politico" erhielt Zugang zu E-Mails, in denen Vorstandsmitglieder Bedenken darüber äusserten, dass Huawei, Alibaba, AWS und Microsoft als massgebliche Unterstützer einer Initiative zur Förderung der europäischen Datensouveränität angesehen werden.

Der CEO von Gaia-X, Francesco Bonfiglio, reagierte auf diese Bedenken. Während des Gipfels teilte er den anwesenden Journalisten mit, dass die Vereinigung für jeden offen sei, dass aber der Vorstand eine strenge Kontrolle über die Ziele der Initiative ausübe. Seiner Meinung nach gebe es keine Möglichkeit, den Verein von seiner Mission abzubringen. "Wer glaubt, dass die Lösung darin besteht, die Türen für Nicht-Europäer zu schliessen, hat nicht verstanden, was mit den globalen Daten passiert", fügte Bonfiglio hinzu.

Auch wenn Gaia-X keine echte europäische Alternative zu den Infrastrukturen der Hyperscaler darstellt, ist die Initiative nach Einschätzung von Forrester nicht unbedingt zwecklos: "Gaia-X hatte nie eine Chance, eine unabhängige europäische Cloud zu werden. Doch das Projekt hat die Anbieter dazu gebracht, deutlicher zu machen, wie sie die Daten ihrer Kunden schützen, was allen zugute kommt. Gaia-X hat auch den Startschuss für Standards bezüglich Transparenz und Datennutzung gegeben."

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