Collaboration 4.0

Wie Studio KOH den Markt für Videokonferenzlösungen aufmischen will

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Mit einer Art kreisrundem Bildschirm will das Westschweizer Studio KOH hybride Meetings aufwerten. Doch für Collaboration 4.0 braucht es nicht nur Hardware, sagt CEO und Gründer Raphaël Briner im Interview. Er sieht auch die Führungskräfte in der Pflicht.

Raphaël Briner, CEO und Gründer, Studio KOH. (Source: zVg)
Raphaël Briner, CEO und Gründer, Studio KOH. (Source: zVg)

Vor fast zwei Jahren haben viele Unternehmen sehr rasch auf ­Fernarbeit umgestellt. Haben wir den Wechsel zu Collaboration 4.0 gut gemeistert?

Raphaël Briner: Na ja, ich hörte von einigen Führungskräften, die sich wegen der formalen Distanz nicht mehr mit ihrem Unternehmen verbunden fühlen, während sie gleichzeitig das Chat-Tool ablehnen, das ihnen beim Vertiefen dieser Verbindung helfen könnte. Insgesamt hat die Nutzung von Collaboration-Tools in den letzten zwei Jahren um 40 bis 50 Prozent zugenommen. Reicht dies? Ich glaube nicht. Die Menschen brauchen Zeit, um sich mit den Tools vertraut zu machen und neue Rituale zu entwickeln. Aber es ist klar, dass die speziellen Umstände den Teams für digitale Transformation Superkräfte verliehen haben. Beispielsweise wurde vielerorts die Migration in die Cloud zur Pflicht.

Sie haben viele Unternehmen bezüglich hybrider Arbeit beraten. Was sind die häufigsten Anliegen, die zur Sprache kommen?

Aktuell geht es oft darum, wie man die Mitarbeitenden ins reguläre Büro zurückbekommt, ohne sie dazu zwingen zu müssen. Bezüglich technischer Herausforderungen sehe ich grosse Unterschiede. In einigen Unternehmen drängt die Führungsebene stark in Richtung hybrider Arbeitsformen. Andere leben einfach im Hier und Jetzt, ohne die Transformation ihrer Büros zu planen. Dabei geht es vor allem darum, die Anzahl eigentlicher Büros zugunsten von Räumen für die Zusammenarbeit zu verringern. Die Unternehmen, die sich auf die nächste Revolution vorbereiten, sind hier natürlich offen für neue Ansätze und Raumkonfigurationen. Arbeitsplatzmanager haben einen ungedeckten Bedarf an offenen Arbeitsflächen zur Zusammenarbeit und mittelgrossen bis grossen Räumen für Meetings.

Welche weiteren Herausforderungen gibt es für Unternehmen bei der Einführung hybrider Arbeit?

Hier denke ich zuerst an die Flexibilität des Büros aus Sicht des Einzelnen. Warum braucht man einen fixen Arbeitsplatz, wenn man nur 3 bis 4 Tage in der Woche ins Büro kommt? Glücklicherweise gibt es inzwischen viele Anwendungen und Buchungssysteme für flexible Arbeitsplätze. Die grösste Herausforderung besteht jedoch auf Teamebene und betrifft – früher, heute und in Zukunft – die Kommunikation: Mangelnde Kommunikation führt in Teams zu falschen Ausrichtungen, Spannungen, Missverständnissen und so weiter.

Wie kann man damit umgehen?

Führungskräfte müssen sicherstellen, dass sie die vor Ort arbeitenden Angestellten nicht gegenüber jenen aus dem Homeoffice bevorzugen. Und sie sollten integrative Rituale einführen, idealerweise ein tägliches Check-in am Morgen. Ich persönlich liebe die Idee einer Kaffee-Ecke. Unternehmen sollten eine Kaffeeecke pro 100 Quadratmeter einrichten sowie dedizierte Innovation Spaces mit digitalen Whiteboards, Smart-TVs und natürlich unserem Videokonferenzgerät.

Sie sprechen vom Teampod, einem Gerät für hybride Meetings. Was ist es genau und was kann es?

KOH Teampod ist kein passives Gerät, das man an seinen Laptop anschliesst. Es enthält die Windows IoT Enterprise Edition und eine Raumverwaltungssoftware mit allen wesentlichen Funktionen, wie einem One-Touch-Join-Button, Content Casting und einem Kiosk-Modus. Zudem kann ein 40- bis 50-Zoll-Fernseher angeschlossen werden. So können alle Teilnehmenden eine normale Körperhaltung einnehmen und sich ganz natürlich unterhalten. Die aus der Ferne zugeschalteten Teilnehmenden wissen genau, wann die Gruppe sie beobachtet.

Warum sollten hybride Teams damit arbeiten?

Wir bieten einem Team die Möglichkeit, bei einem Videoanruf gleiche Bedingungen für alle Beteiligten zu schaffen. Unser Gerät kombiniert vier Kameras, vier Bildschirme und 360-Grad-Sound. Es funktioniert nativ mit allen bestehenden Videokonferenzsystemen wie Cisco Webex, Google Meet oder Zoom. Die zugeschalteten Kolleginnen und Kollegen sind in der Mitte des Tisches sichtbar, um den Blickkontakt und die Galerieansicht zu verbessern, an die sich die Menschen gewöhnt haben, wenn sie von zuhause aus arbeiten. Wir sprechen dabei von flexibler Telepräsenz, weil das Gerät leicht ist und sich einfach im Unternehmen bewegen lässt. Es löst das Problem, dass Sitzungszimmer aufwändig zu Kollaborationsräumen umgerüstet werden müssen.

Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Gerät zu entwickeln?

Ich habe sechs Jahre lang zwischen Brüssel und Genf gearbeitet. Ich weiss genau, was Zoom-Müdigkeit bedeutet. Man kann noch so gute Collaboration-Tools haben. Wenn deine Meetings scheitern, bist du gescheitert. Ein schlechtes technisches Set-up hat im Minimum unangenehme und unbewusste langfristige Auswirkungen auf Ihre tägliche Energie und Ihr Engagement. Als Covid aufkam, wurde mir klar, dass die Zeit der hybriden Arbeit angebrochen war. Entsprechend fokussierte ich meine Arbeit ganz auf das Thema Telepräsenz. KOH eignet sich auch für die Anzeige von Inhalten und die Zusammenarbeit vor Ort. Es kann mit jeder bestehenden Windows- und Webanwendung der Welt erweitert werden. Dies ist aber nicht unsere Go-to-Market-Strategie.

Das Gerät sieht beeindruckend aus, hat aber auch einen beeindruckenden Preis. Warum sollten Unternehmen in den Teampod investieren, anstatt normale Computerbildschirme zu kaufen?

Telepräsenz war für Vorstände und Entscheidungsträger schon immer ein Muss. Bei ihren Sitzungen zählen die Konversationen viel mehr als die Präsentationen. Führungskräfte wissen, wie wichtig Blickkontakt ist, wenn sie schwierige Entscheidungen treffen müssen. Unser Produktpreis liegt zwischen einem Drittel und einem Zehntel des Preises herkömmlicher Telepräsenzgeräte. Wir wollen die Telepräsenz demokratisieren und flexibel machen. Denken Sie an neue Konfigurationen wie Flure mit Stehtischen und neue Arbeitsumgebungen wie Golfclubs oder Hotels.

Laut Studien investierten Arbeitgeber während der Pandemie vermehrt in People Analytics Tools. Die Zahlen suggerieren, dass die Arbeitgeber versuchen, ihre Angestellten genauer zu überwachen. Finden Sie das in Ordnung?

Anonym, ja. Die Daten werden benötigt, um die Raumnutzung zu optimieren und die Gewohnheiten der An­gestellten zu verstehen. Wir können zum Beispiel fest­stellen, dass Angestellte während der Pandemie nicht zu den üblichen Zeiten im Büro waren. Wir verlangen von ihnen, dass sie flexibel sind und sich alle drei Monate an neue staatliche Vorschriften anpassen. Es sollte normal sein, dass sie sich die Zeit frei einteilen ­können, also etwa selbst bestimmen, wann sie einkaufen oder Sport ­treiben. Solange sie pünktlich zu den Calls erscheinen und ihre tägliche Dosis an To-dos erledigen, ist das kein Problem. Wenn die Daten jedoch genutzt ­werden, um diese Flexibilität einzuschränken, bin ich sicher, dass die besten Talente zu flexibleren Organisationen gehen werden.

Letztes Jahr sprachen viele grosse Tech-Unternehmen über ­virtuelle Realität und das Metaverse. Wie wird das Metaversum unser Arbeitsleben verändern?

Es wird noch etwas dauern, bis das Metaverse unser Arbeitsleben wirklich beeinflusst. Persönlich sehe ich vor allem einen Nutzen für Telearbeitende und weniger für persönliche Treffen. Unser Produkt wird natürlich mit dem Metaverse kompatibel sein. Generell tut sich viel in diesem Bereich. Magicleap lanciert eine neue VR-Brille, und auch Apple könnte den Markt aufmischen. Ich bin neugierig auf die Brille des Schweizer Start-ups Creal, die optische Tiefe bietet. Aber bevor sie sich damit auseinandersetzen, sollten Unternehmen zunächst die Transformation ihrer Büros und das Testen intelligenter Videokonferenzgeräte angehen.

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