Focus: Accessibility

Heute im Web: geschlossene Gesellschaft

Uhr
(Source: Elizabeth Woolner / Unsplash.com)
(Source: Elizabeth Woolner / Unsplash.com)

Niemand darf wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung diskriminiert werden. So steht es in Artikel 8 der Bundesverfassung. Dennoch gehört die systematische Benachteiligung bestimmter Bevölkerungsgruppen zum Alltag, auch im Internet. Vor allem jene Menschen, die für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ganz besonders auf das Web angewiesen sind, erfahren tagtäglich Ausgrenzung – ohne dass es den meisten anderen bewusst ist.

20 Prozent der Schweizer Bevölkerung können das Internet nur beschränkt nutzen, wie aus Schätzungen des Bundesamts für Statistik hervorgeht. Sie sind vielleicht seh- oder hörbehindert und können Software wie auch Websites nur dann richtig nutzen, wenn diese barrierefrei konzipiert sind – was in der Privatwirtschaft jedoch noch längst nicht die Regel ist. Ganz im Gegensatz zu den öffentlichen Verwaltungen: Bund, Kantone und Gemeinden sowie bundesnahe Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, barrierefreie Onlinedienste anzubieten. Trotzdem bestehe Handlungsbedarf, schreibt Markus Riesch vom Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in seinem Fachbeitrag. Vor allem für Gemeinden sei die barrierefreie Gestaltung ihrer Webangebote eine Herausforderung. Doch die ganz grosse Challenge geht uns alle an: "Barrierefreiheit muss zur Selbstverständlichkeit werden, zum guten Ton gehören und von Grund auf immer gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen angegangen werden", schreibt Riesch.

Den meisten Menschen mag kaum bewusst sein, dass das Web voller Barrieren ist und was diese für Menschen mit Behinderungen bedeuten. Um sich das zu vergegenwärtigen, hilft ein simples Gedankenexperiment. Marsel Szopinski von Microsoft Schweiz steigt in seinem Fachbeitrag damit ein: "Stellen Sie sich vor, Sie wären auf Alternativtexte angewiesen, um die Bilder auf einer Website wahrzunehmen. Sind aber keine Alternativtexte vorhanden und gibt es auch keine Bildlegenden, dann erhalten Sie einzig ‹Bild 1› oder ‹Bild 2› als Information vorgelesen." Das Beispiel zeigt, wie häufig beispielsweise blinde Menschen von wichtigen Teilen der Onlinewelt ausgeschlossen werden. Und es zeigt auch, dass es oftmals nicht viel braucht, um die Qualität des Zugangs zu verbessern.

Doch in den meisten Fällen kann man Barrierefreiheit nachträglich kaum noch erreichen – so etwas wie Accessibility-Patches gibt es nicht. Stattdessen müssen Entwicklerinnen und Entwickler ebenso wie UX-Designerinnen und -Designer das Thema von Anfang an mitdenken, Barrierefreiheit iterativ implementieren und regelmässig sicherstellen, wie Josua Muheim, Accessibility Engineer bei der Berner UX-Design-Agentur Nothing, in seinem Fachbeitrag schreibt. Muheim zeigt auch einige Best Practices auf, von denen alle Nutzerinnen und Nutzer profitieren können.

Lässt sich das Problem eines Tages mithilfe von Technologie lösen? Andreas Uebelbacher von der Stiftung "Zugang für alle" sagt ganz klar: nein, das sei Wunschdenken – und zumindest zurzeit nicht praktikabel. Die Vorstellung sei vergleichbar mit dem Ansatz, ein Gebäude erst als baufälligen Pfusch zu erstellen und es dann mit Aussengerüsten geradebiegen zu wollen. Im Interview spricht Uebelbacher darüber, was der Barrierefreiheit in der Onlinewelt im Weg steht, wie sich das Problem entschärfen lässt und was der Trend in Richtung Metaversum für Menschen mit Behinderungen bedeuten könnte.

Webcode
DPF8_252080