Kolumne von Cornelia Stengel

Was bei einer Fintech-Anwältin aktuell auf dem Tisch liegt

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von Cornelia Stengel, Rechtsanwältin für Finanzmarktrecht und Datenschutz. Partnerin bei Kellerhals Carrard und Head der Practice Group Banking, Finance & Fintech von Kellerhals Carrard

Der Begriff Fintech wird ebenso oft wie unterschiedlich verwendet. Wir verstehen darunter aus unserer rechtlichen Perspektive jene Projekte, die einen Bezug sowohl zum Finanzmarkt als auch zu (neuer) Technologie oder (neuen) digitalen Prozessen und Geschäftsmodellen aufweisen. Aber was bedeutet das konkret? Ein Einblick in unseren Alltag.

Zu den aktuell spannendsten, aber gleichzeitig schwierigsten Projekten gehören jene, die basierend auf der neuen Schweizer DLT-Gesetzgebung (Distributed Ledger Technology – verkürzt häufig Blockchain genannt) Innovationen auf dem Finanzplatz einführen wollen. Viele dieser Projekte befinden sich in der Schweiz derzeit in der Schwebe, weil allgemeingültige Auslegungshilfen für die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der neuen Regeln noch fehlen und Aufsichtsbehörden wie die Finma, aber auch Selbstregulierungsorganisationen im Bereich der Geldwäschereibekämpfung, erst auf konkrete Anfragen für einzelne Projekte ihre Auslegung der Regeln bekannt geben. Zudem neigen sie dazu, jene Auslegungsvariante vorzuziehen, die den althergebrachten Gepflogenheiten am nächsten kommt und damit gleichzeitig am weitesten von Innovation entfernt liegt.

Auch Datenschutzthemen spielen bei vielen Innovationen auf dem Finanzplatz eine grosse Rolle. Die Schweiz hat ihr Datenschutzgesetz einer Totalrevision unterzogen, um insbesondere die Transparenz von Datenbearbeitungen zu erhöhen und die Rechte der betroffenen Personen zu stärken. Damit sollten gleichzeitig die Standards erreicht werden, welche die EU mit der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) gesetzt hat. Das nun vorliegende Gesetz und die dazugehörige Verordnung stimmen zwar in vielen Teilen mit den EU-Regeln überein. Bei der Umsetzung der neuen Bestimmungen müssen Schweizer Unternehmen trotzdem einige sogenannte "swiss finishes", also Schweizer Besonderheiten, berücksichtigen. Dafür haben sie nun ein Jahr Zeit – das neue Datenschutzgesetz tritt am 1. September 2023 in Kraft.

Bei anderen Themen, wie zum Beispiel bei künstlicher Intelligenz (KI), ist die Regulierungsmaschinerie in der Schweiz erst gestartet und es finden sogenannte "Roundtable-Diskussionen" in Bern statt. Meiner Meinung nach ist das die richtige Vorgehensweise. Denn die in der EU bereits besprochenen, konkreten Entwürfe für die Regulierung einer (neuen) Technologie passen einerseits nicht zur Schweizer Art der Gesetzgebung, die technologieneutral und prinzipienbasiert ist, sind aber insbesondere auch gar nicht nötig. Unsere Rechtsordnung bietet genügend Grundlagen, die durch wenige Ergänzungen, beispielsweise im Bereich der Produkthaftung, der Transparenz oder auch des Verbots der Diskriminierung, auf die neuen technologischen Möglichkeiten ausgerichtet werden können.

Aber es geht natürlich auch weniger futuristisch. Auf unserem Tisch landen auch Digitalisierungsprojekte, die für unsere Klientel beziehungsweise deren (zukünftigen) Geschäftsmodelle zentrale Fragestellungen enthalten: Wie können wir den Prozess für das Onboarding von Kundinnen und Kunden so gestalten, dass in möglichst wenigen Schritten alle gesetzlichen oder regulatorischen Erfordernisse abgehakt werden können? Und wie formulieren wir die dazugehörigen "Checkboxen" und Verträge, damit das "Kleingedruckte" nicht überhandnimmt? Welche Datenbearbeitungen sind unter welchen Voraussetzungen möglich, beziehungsweise was dürfen wir mit "unseren" Daten überhaupt machen?

Fintech- und Datenschutzthemen sind vielfältig und oft arbeiten wir in interdisziplinären Teams mit Expertinnen und Experten aus dem technischen oder ökonomischen Bereich, um die neuen Ideen, Technologien und die damit entstehenden neuen Herausforderungen anzugehen.

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