Focus: Accessibility

Alles digital – Fluch oder Segen?

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von Amir Sahi, wissenschaft­licher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut ­Public Sector Transformation des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule.

Die Digitalisierung der Gesellschaft schreitet stetig voran und betrifft mittlerweile fast alle Lebensbereiche. Mit wenigen Klicks können wir heute einkaufen, einen Umzug melden, ein Konto eröffnen oder einen Coiffeurtermin buchen. Was für die einen eine Erleichterung ist, ist für andere eine Barriere.

Amir Sahi, wissenschaft­licher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut ­Public Sector Transformation des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule. (Source: zVg)
Amir Sahi, wissenschaft­licher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut ­Public Sector Transformation des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule. (Source: zVg)

Digitalisierung ist für alle eine Herausforderung, doch für bestimmte Gruppen eine Barriere. Wer sind die Menschen, für welche die Digitalisierung ausschliessend wirkt? Das sind nicht nur Seniorinnen und Senioren, die einfach nicht mehr mit der neuen Technologie zurechtkommen. Das sind auch Menschen mit tieferer Schulbildung und sogenannten fehlenden digitalen Grundkompetenzen. Ebenso Menschen, die aus finanziellen Gründen keinen Zugang zu technologischen Geräten und Internet haben. Auch Menschen mit Behinderungen können davon ausgeschlossen werden, wenn Websites und Applikationen nicht barrierefrei gestaltet sind. So ist etwa für Menschen mit Sehbehinderungen und für viele weitere das Thema E-Accessibility enorm wichtig.

Nationales E-Accessibility-Monitoring im öffentlichen Sektor

Unter der Federführung des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (EBGB) führten wir vom Institut Public Sector Transformation (IPST) der Berner Fachhochschule (BFH) im Rahmen eines Pilotprojekts Ende 2021 ein nationales E-Accessibility Monitoring durch. Dabei testeten wir E-Accessibility-Kriterien von 245 Websites (mit 1854 Webpages) des öffentlichen Sektors und entwickelten dabei ein Framework für die vereinfachte, automatisierte Prüfung der Websites. 

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die konkreten Vorgaben und Massnahmen der Behörden dazu geführt haben, dass der Zugang zu digitalen Dienstleistungen bei Bund und Kantonen auf einem guten Level ist, wobei aber nach wie vor Handlungsbedarf besteht. Vor grösseren Herausforderungen stehen die Gemeinden, wo aufgrund knapper Ressourcen, fehlenden Know-hows oder Bewusstseins noch keine flächendeckende Barrierefreiheit erreicht werden konnte. 

Barrierefreiheit in der Privatwirtschaft

In der Privatwirtschaft gibt es noch viel zu tun. Viele zen­trale Dienstleistungen etwa in der Gesundheitsversorgung oder dem Bankwesen sowie viele Beratungsangebote sind für Menschen mit Behinderungen nur eingeschränkt zugänglich. Privatunternehmen sollen im Rahmen einer Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes verpflichtet werden, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit Menschen mit Behinderungen diese Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht der Hochschule Luzern hat 13 Schweizer Banken hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit untersucht. Insgesamt scheint die thematische Auseinandersetzung noch bei den wenigsten Banken angekommen zu sein.

Blick in die Zukunft

Aktuell zeigt sich mit dem durchgeführten Monitoring, dass der öffentliche Sektor in Sachen E-Accessibility zwar nicht flächendeckend, aber bereits gut unterwegs ist. Für die Privatwirtschaft gibt es noch grösseren Handlungs-bedarf. Wir haben eine gesellschaftliche Verantwortung und die Verpflichtung, dass die Digitalisierung nicht ausschliessend wirkt. Dafür braucht es weiterhin viel Engagement, damit die digitale Welt von allen Menschen als Segen oder zumindest nicht als Fluch erlebt wird. 


Der Autor: Amir Sahi ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektleiter am Institut Public Sector Transformation des Departements Wirtschaft der Berner Fachhochschule. In seiner Forschungstätigkeit beschäftigt er sich mit der Digitalen Inklusion und der Innovation im öffentlichen Sektor.

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