Forum-Spam statt Journalismus

So missachtet Google News seine eigenen Richtlinien

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von Marc Landis und jor

Die Rubrik "Wissenschaft & Technik" bei Google News Schweiz wird seit Monaten von Forumsbeiträgen des Onlinehändlers Digitec Galaxus zugespamt. Dies geschieht auf Kosten journalistischer Inhalte. Pikant: Damit verstösst Google News gegen seine eigenen Richtlinien.

Ärgernis für Leserschaft und Redaktionen: Forum-Spam von Digitec-Galaxus statt Journalismus auf Google News. (Source: Screenshot Google News)
Ärgernis für Leserschaft und Redaktionen: Forum-Spam von Digitec-Galaxus statt Journalismus auf Google News. (Source: Screenshot Google News)

Wer die Rubrik "Wissenschaft & Technik" bei Google News in der Schweiz aufruft, dem zeigt sich seit vielen Monaten ein ähnliches Bild. User finden nicht nur mehr kuratierte journalistische Inhalte im Newsfeed, sondern wähnen sich im Frage-Forum des Schweizer Onlinehändlers Digitec Galaxus. Prominent platzierte Beiträge mit Titeln wie "Frage zu EZVIZ DL01S Smart DIY Lock Kit", "Frage zu Samsung Galaxy A56" oder "Frage zu Sp Connect Wireless Powerbank SPC+ 10.000mAh" verdrängen aufwändig recherchierte Artikel von Fachredaktionen.

Was wie ein bizarrer, einmaliger Fehler anmutet, ist in Wahrheit ein seit längerem fortbestehendes Ärgernis und ein Symptom für ein tieferliegendes Problem: Google News scheint die Kontrolle über seine eigenen Algorithmen teilweise verloren zu haben – und schadet damit direkt jenen journalistischen Redaktionen, auf deren Inhalten der Google-News-Dienst eigentlich aufbauen sollte.

Kampf um Sichtbarkeit wird zur Farce

Für echte Newsredaktionen ist diese Entwicklung verheerend. Sie – und natürlich auch wir als Netzmedien-Redaktion – investieren Ressourcen, Zeit und journalistisches Know-how, Fach- und Sprachkompetenz, um qualitativ hochwertige, geprüfte und relevante Inhalte zu erstellen. Die Platzierung in Google News ist aber vor allem ein wichtiger Faktor, damit redaktionelle Inhalte mehr Reichweite erhalten und damit mehr Werbeeinnahmen generieren, die diesen Journalismus mitfinanzieren.

Wenn journalististische Artikel jedoch von banalen Konsumentenfragen und platten Werbeangeboten aus den Feeds verdrängt werden, wird der Kampf um Sichtbarkeit zur Farce. Jeder Platz, den sich ein Foren-Post eines Digitec-Galaxus-Kunden erschleicht, ist ein verlorener Platz für Journalismus.

Das Problem ist aber nicht nur der wirtschaftliche Schaden. Es ist die systematische Aushöhlung von Googles eigenem Qualitätsversprechen. Google News wurde einst als zuverlässiger Aggregator für journalistische Inhalte konzipiert. Doch die aktuelle Praxis untergräbt dieses Fundament. Sie vermittelt den Nutzern ein verzerrtes Bild davon, was "Nachrichten" sind, und wertet die Arbeit professioneller Redaktionen ab.

Googles Richtlinien sind nur noch Makulatur

Wenn es nicht tragisch wäre, könnte man in dieser Situation gar eine gewisse Ironie erkennen, denn die Anzeige von Forum-Spam statt redaktionellen Inhalten verstösst direkt und eklatant gegen die  "Google News-Richtlinien". Diese fordern von Publishern Transparenz über Autoren und Herausgeber, eine klare redaktionelle Verantwortung und eine strikte Trennung von redaktionellen und kommerziellen Inhalten. Nutzergenerierte Forenbeiträge ohne Autorenschaft und redaktionelle Prüfung erfüllen keine dieser Voraussetzungen.

Ein Onlineshop, dessen primäres Ziel der Abverkauf von Produkten ist, als Nachrichtenquelle in der Rubrik "Wissenschaft & Technik" zu präsentieren, ist nicht nur irreführend, sondern spottet der Prinzipien, die Google vorgibt zu verteidigen. 

Beschwerden im digitalen Nirwana

Weiter ist an diesem Fall stossend, dass Google das Problem zu ignorieren scheint. Mehrfach haben Redaktionen, darunter auch diejenige der Netzmedien, Google über verschiedene Kanäle während eines Zeitraums von mehreren Monaten über die Missstände informiert. Es gingen detaillierte Hinweise an die Kommunikationsabteilung von Google Schweiz. Es wurden dutzende Meldungen über das offizielle Google-News-Feedback-Formular eingereicht, inklusive Screenshots, welche die Verstösse detailliert dokumentieren.

Nach ersten verständnisvollen Reaktionen seitens Google Schweiz folgten auf Nachfragen bekannte Verzögerungsmassnahmen. Man fragte nach, ob "diese Problematik bereits durch News Contact Us Form (CUF) oder auch (öffentlich) im Community Forum gemeldet" worden sei. Man könne das "konkrete Feedback nicht finden". "... do you happen to have support case numbers you could provide? We did a search in the internal news tool and couldn't find any cases, but may be missing them." Die Sache wird verschleppt und es entsteht der Eindruck, dass bei Google kein echtes Interesse besteht, das Problem zu lösen. 

Entweder ist Google technisch nicht in der Lage, die eigenen Algorithmen so zu justieren, dass sie zwischen einem echten Newsartikel und einer Produktfrage unterscheiden können, oder die Prioritäten liegen woanders. Beides ist für einen Tech-Giganten wie Google ein Armutszeugnis.

Es scheint, als würden die auf "Relevanz" und "Nutzerinteraktion" getrimmten Algorithmen blind Signale auswerten und dabei die fundamentalen Regeln der Inhaltsqualität über Bord werfen. Eine Anfrage in einem Foren-Post mag dem Algorithmus "Engagement" signalisieren – dass es sich dabei um wertlosen Content für einen Nachrichten-Feed handelt, erkennt er nicht.

Dieser Fall ist mehr als nur ein technischer Fehler. Er ist ein Vertrauensbruch von Google gegenüber den Verlagen und dem Publikum.

 

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