Parldigi-Anlass zu Digisanté

So kommentieren Gesundheitsdienstleister die E-Health-Pläne des Bundes

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von René Jaun und jor

An einem Open Hearing hat sich die Gruppe Parldigi mit dem Projektpaket Digisanté befasst, mit dem der Bund das Gesundheitswesen digitalisieren will. Behörden kamen ebenso zu Wort wie Vertreter der Gesundheitsbranche. Sie plädierten für Anreize und fürs EPD.

Das Open Hearing zum Programm Digisanté (v.l.): Stefan Wild von Pharmasuisse; Barbara Biedermann vom Verein Gesundheitsdatenraum Schweiz; Marco D’Angelo, Vizedirektor des BFS; Mathias Becher, Leiter Digitale Transformation beim BAG; Nationalrätin Min Li Marti; Stefan Hostettler, Generalsekretär des EDI und Anne Lévy, Direktorin des BAG. (Source: zVg)
Das Open Hearing zum Programm Digisanté (v.l.): Stefan Wild von Pharmasuisse; Barbara Biedermann vom Verein Gesundheitsdatenraum Schweiz; Marco D’Angelo, Vizedirektor des BFS; Mathias Becher, Leiter Digitale Transformation beim BAG; Nationalrätin Min Li Marti; Stefan Hostettler, Generalsekretär des EDI und Anne Lévy, Direktorin des BAG. (Source: zVg)

Digisanté hat seinen Weg durchs Bundeshaus angetreten. Der Bundesrat, der mit dem Programm die Digitalisierung im Schweizer Gesundheitswesen voranbringen will, beantragte dem Parlament Ende 2023 einen Verpflichtungskredit von annähernd 400 Millionen Franken, dem der Nationalrat am 7. März 2024 bereits zustimmte, wenn auch mit zusätzlichen Vorgaben, wie Sie hier lesen können. Wenige Stunden nach dieser Abstimmung war Digisanté auch Thema eines Open Hearings von Parldigi. An diesem Anlass wollte die parlamentarische Gruppe für digitale Nachhaltigkeit aktuelle Informationen zur Umsetzung des E-Health-Pakets weitergeben und inhaltliche Anliegen an die Programmverantwortlichen entgegennehmen.

Infrastrukturen und Standards

Zu Beginn des Treffens kommentierte Min Li Marti, Co-Präsidentin von Parldigi, die morgendliche Nationalratsdebatte zu Digisanté. Dass das Gesundheitswesen einen Digitalisierungs-Push brauche, darüber sei man sich einig, fasste die SP-Nationalrätin ihre Eindrücke zusammen. Dennoch gebe es offene Fragen und trotz der Zustimmung im Nationalrat hätten die parlamentarischen Beratungen erst begonnen.

Parldigi-Geschäftsführer Matthias Stürmer hiess danach vier Vertreterinnen und Vertreter des Bundes willkommen, die verschiedene Aspekte des Förderprogramms vorstellten. Mathias Becher etwa, Digitalisierungschef beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), führte aus, welche Infrastrukturen der Bund künftig aufbauen möchte. Dazu gehört ein zentrales Verzeichnis von Gesundheitsdienstleistern. Aktuell, so Becher, gebe es über 100 Register – an die 10 davon für Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich. Ziel sei es, einen "Single Point of Truth" zu schaffen.

Ein Foto vom Open Hearing: BAG-Digitalisierungschef Mathias Becher hält sitzend einen Vortrag.

Mathias Becher (4.v.l.), Leiter Digitale Transformation beim BAG, sprach über den Plan, ein zentrales Verzeichnis von Gesundheitsdienstleistern aufzubauen. (Source: zVg)

Marco D’Angelo, Abteilungschef Gesundheit und Soziales und Vizedirektor des Bundesamtes für Statistik (BFS), fokussierte auf das Thema Sekundärnutzen von Daten. Forderungen nach deren Verbesserung kämen etwa aus der Forschung, der Wirtschaft und der Politik, erklärte er und nannte Beispiele für mögliche Sekundärnutzungen. Um einmal gesammelte Daten jedoch auch andernorts verwenden zu können, seien längerfristig rechtliche Anpassungen nötig. Bis diese in Kraft treten, ist seine Behörde bemüht, die Möglichkeiten des Bundesstatistikgesetzes auszuschöpfen. Dieses erlaube es heute schon, unter bestimmten Umständen Daten zu verknüpfen.

BAG-Direktorin Anne Lévy erinnerte in ihrem Vortrag an die Rolle der Behörden in Sachen E-Health: "Wir fördern die übergreifende Infrastruktur zwischen den Akteuren", erklärte sie und stellte klar: "Wir sind aber nicht für die Digitalisierung einzelner Akteure zuständig."

Sie zeigte auch auf, dass mit Digisanté nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg digitalisiert werden sollte. So gebe es für jedes der 50 Projekte innerhalb des Förderprogramms einen Ausschuss mit Vertretern aus der Branche. Auf einer weiteren Stufe sind projektübergreifende Fachgruppen angesiedelt, darunter eine zum Datenmanagement. Sie befasst sich etwa mit der Schaffung einer einheitlichen Patienten-ID. Schliesslich wies Lévy auch auf regelmässige Informationsveranstaltungen für Akteure aus dem Gesundheitswesen hin. "Für den Erfolg von Digisanté ist es absolut notwendig, dass der Dialog stattfindet", gab sie sich überzeugt.

Fehlendes EPD

Die Sicht der Medizinbranche vertraten dann zwei Referierende. Barbara Biedermann ist Ärztin und Präsidentin des Vereins Gesundheitsdatenraum Schweiz. Sie erinnerte an das Sparpotenzial für das Gesundheitswesen, welches die Digitalisierung mit sich bringe. Laut einer Studie des Beratungsunternehmens McKinsey aus dem Jahr 2019 liegt es bei 10 Prozent, betrüge also über 8 Milliarden Franken. Biedermann berichtete aber auch von ihren praktischen Erfahrungen und erklärte, dass mehr Digitalisierung nicht automatisch die Arbeiten reduziere – "es braucht manchmal sogar noch mehr Personal, um den Aufwand zu stemmen".

Kurz sprach sie auch über die Notwendigkeit sicherer und nachhaltiger Datenhaltung. Hier regte sie die Schaffung einer Daten-Empa an, eine "eidgenössische Datenprüfanstalt mit wissenschaftlichem Anspruch".

Beim Durchsehen der Digisanté-Projekte habe sie das elektronische Patientendossier (EPD) vermisst. Dabei hätten viele der patientenbezogenen Projekte aus dem Förderprogramm Berührungspunkte zum EPD, fand Bidermann und fragte beispielhaft: "Wo sollte ein Patient seinen Widerspruch zur Organspende hinterlegen wenn nicht im EPD?"

In ihrer Antwort ging BAG-Direktorin Anne Lévy auf diesen Punkt ein. Zwar führe ihre Behörde EPD und Digisanté als zwei unterschiedliche Projekte, auch wenn das schwer zu erklären sei. "Es ist wohl eine Verwaltungseigenheit, dass man das auseinandernimmt." Man sei sich aber der Berührungspunkte zum EPD und dessen Wichtigkeit bewusst. "Digisanté wird ohne EPD nicht funktionieren", betonte Lévy.

Mehr Anreize

Für "etwas mehr Pfeffer" in Digisanté sprach sich Stefan Wild aus, Vorstandsmitglied der Verbände Pharmasuisse und IG eHealth. "Es dürfte noch etwas ambitionierter sein", kommentierte er das Förderprogramm und appellierte an die Verantwortlichen, "die Public-Private-Partnership in den Vordergrund zu stellen". Sein Vortrag war ein Plädoyer dafür, die Leistungserbringer schon früh in die Digisanté-Projekte einzubeziehen und ihre Digitalisierungsbemühungen mit Anreizen zu unterstützen.

Finanziell wolle man nicht zu stark in die Privatwirtschaft eingreifen und plane darum auch keine entsprechenden Anreize, hiess es dazu seitens der Bundesvertreter. Man hoffe, dass durch die Digitalisierung weniger Fehler im Gesundheitssystem auftreten werden, was wiederum die Behandlungsqualität erhöhe. "Es müsste ein Anreiz sein, die Patientensicherheit zu verbessern", fand Lévy. Für die Industrie dürften ihrer Meinung nach zudem die Daten ein Anreiz sein, die im Zuge von Digisanté einfacher genutzt werden könnten.

Im Sommer 2023 schickte der Bundesrat eine umfassende Revision des EPD-Gesetzes in die Vernehmlassung. Bereits im Parlament wird eine Übergangsfinanzierung debattiert. Aktuell herrsch noch Uneinigkeit zwischen Stände- und nationalrat. Den aktuellen Stand erfahren Sie hier.

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