E-Government

Hoffen auf den zweiten Anlauf

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Es besteht Nachholbedarf in Sachen E-Government in der Schweiz. Im internationalen Vergleich landet die Schweiz bestenfalls im Mittelfeld und mehrfach verkamen Digitalisierungsvorhaben im ersten Anlauf zu Rohrkrepierern. ­Dennoch kommt die digitale Verwaltung hierzulande langsam in die Gänge.

(Source: Slowlifetrader - stock.adobe.com)
(Source: Slowlifetrader - stock.adobe.com)

Ohne Papier geht es nicht – wer 2024 mit Behörden zu tun hat, kommt in vielen Fällen nicht um diesen Fakt herum. Gleichzeitig ist das Thema Digitalisierung in Schweizer Verwaltungen keineswegs neu. Bund, Kantone und Gemeinden arbeiten zum Teil schon seit mehr als einem Jahrzehnt daran. Dass sie dabei weniger schnell vorankommen, als man hoffen könnte, liegt manchmal an Fehlplanungen, manchmal am Föderalismus und mitunter auch am Volkswillen.

Alter wunder Punkt

Dass die Schweiz in Sachen E-Government Nachholbedarf hat, zeigt der Vergleich mit anderen Ländern. Im E-Government Benchmark der EU-Kommission erreichte die Schweiz 2023 den 29. von 35 Plätzen. Angeführt wird die Liste von Malta und Estland. Die Schweiz habe sich im Vergleich zur 2022 veröffentlichten Studie in allen Bewertungskategorien verbessert, bemerkt die Organisation Digitale Verwaltung Schweiz (DVS). Doch gleichzeitig büsste die Schweiz in der Gesamtrangliste einen Platz ein (2022 besetzte sie noch Rang 28). Und 2017 lag sie noch im europäischen Mittelfeld.

Die detaillierte Auswertung des E-Government Bench­marks zeigt, dass sich Schweizer Verwaltungen hinsichtlich digitaler Angebotsvielfalt kaum mehr verstecken müssen. Diesbezüglich verbesserte sich die Schweiz von 63 Prozent im Jahr 2022 auf 78 Prozent 2023, wie die DVS lobt.

Schlecht schneidet die Schweiz dagegen im Bereich der Basisdienste ab. Zur Erhebung 2023 konnten hierzulande nur ein Viertel aller erhobenen Services komplett digital bezogen werden – deutlich unter dem europäischen Schnitt von 70 Prozent.

Neu ist dieser Befund nicht, wie der Blick in vergangene Auswertungen zeigt; und auch die von der DVS oder deren Vorgängerorganisationen genannte Begründung des Problems veränderte sich über die Jahre kaum. Was fehlt, ist demnach eine elektronische Identifikation (E-ID). Mit einer solchen könnten sich Bürgerinnen und Bürger digital authentifizieren und Behördengänge digital erledigen.

Hang zu Fehlschüssen

Dafür, dass es die schweizerische E-ID noch nicht gibt, könnte man im einfachsten Fall das Stimmvolk verantwortlich machen. Denn dieses lehnte das dafür nötige Gesetz im Frühling 2021 ab. In der öffentlichen Diskussion seien "regelmässig, und fast ausschliesslich, die angeblichen Risiken und Gefahren" betont worden, beklagte Markus Naef, damals CEO von Swisssign, dem designierten Anbieter der schweizerischen E-ID, nach der Abstimmung. Seitens der Meinungsforscher hiess es zudem, dass die Bürgerinnen und Bürger den Nutzen einer E-ID nicht gesehen hätten. Vor allem aber hätten sie nicht goutiert, dass laut der Vorlage private Unternehmen E-IDs hätten herausgeben können.

Doch das Stimmvolk ist nicht der Grund dafür, warum Projekte im Bereich E-Government scheitern. Überspitzt gesagt, zeigten hiesige Verwaltungen seit Jahren einen veritablen Hang zu Fehlschüssen. Das elektronische Abstimmen ist wohl das prominenteste Beispiel: Nach vielen Jahren der Vorbereitung wollte der Bundesrat 2017 E-Voting landesweit einführen. Zwei Jahre später deckte Cybersecurity-Expertin Sarah Jamie Lewis schwerwiegende Sicherheitsmängel in der dafür vorgesehenen Software auf und sorgte damit für einen totalen Marschhalt.

Rohrkrepierer gibt es auch auf Gemeindeebene, wie etwa im Fall von Bern und dem Projekt "Base4kids2", einer einheitlichen Arbeits- und Verwaltungslösung für Schulen. Für die Plattform bewilligte das Stimmvolk einen Kredit von mehr als 24 Millionen Franken. Doch "Base4kids", das auf quell­offener Software basierte, scheiterte und wurde am Schluss durch eine Microsoft-Lösung ersetzt. Das Fazit der Kommission, die das Debakel untersuchte, war vernichtend: Innert kürzester Frist habe die Stadt Bern eine innovative, in der Schweiz noch nie dagewesene Schulplattform eigens entwickeln wollen. "Der Wille respektive das Bedürfnis, ein solches innovatives Leuchtturmprojekt zu erstellen, stand dabei in krassem Widerspruch zu den in der Verwaltung vorhandenen Kompetenzen und Ressourcen."

Der Push von morgen

Auch in der Politik mangelt es an Digitalkompetenz. Zumindest wünschten sich die von der Redaktion im Herbst 2023 vor den Parlamentswahlen befragten Kandidatinnen und Kandidaten mehr davon.

Nadia Braun Binder, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Basel, sieht im schweizerischen Föderalismus den Grund für die langsame Verwaltungsdigitalisierung. In der elektronischen Verwaltungslandschaft der Schweiz besitze der Bund keine allgemeine Weisungskompetenz, weshalb die kantonale Verwaltung die Grundlage bilde, erklärte sie am Swiss E-Government Forum 2023. Dies führe zu föderaler Vielfalt und letztlich zu 26 unterschiedlichen Gesetzen. Diesen Status quo könne man akzeptieren; man könne die Situation aber auch mit verstärkter Zusammenarbeit der Kantone oder einer Änderung der Bundesverfassung angehen, erklärte Braun Binder. Tatsächlich beauftragte der Nationalrat den Bundesrat noch im Herbst 2023, eine solche Verfassungsänderung zu prüfen.

Bei allen Fehlschüssen scheint es vorwärtszugehen in Sachen E-Government. So finden seit Sommer 2023 wieder E-Voting-Versuche statt. Aktuell gibt es auch erste Pilotprojekte sowie einen Gesetzesentwurf für eine neue E-ID. In beiden Fällen setzen die involvierten Behörden im zweiten Anlauf darauf, sich aktiv mit Expertinnen und Experten auszutauschen, den Nutzen zu erklären und heikle Fragen zu Cybersecurity und Datenschutz zu klären. Den Austausch mit künftigen Usern sucht der Bund auch in anderen Belangen, etwa bei "Digisanté", einem Projektpaket zur Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Potenzial hat auch das seit Anfang 2024 geltende "Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben" (Embag). Das Gesetz schafft die Grundlage für das Prinzip "Digital First" und könnte längerfristig dafür sorgen, dass der Kontakt zur hiesigen Verwaltung auch ohne Papier funktioniert.

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