Warum die MINT-Förderung in der Schweiz ihr Potenzial verspielt
Die Massnahmen zur Förderung des MINT-Nachwuchses zahlen sich aus. Doch laut den Akademien der Wissenschaften Schweiz wäre noch mehr möglich. Die Forschenden plädieren für einen breiteren Förderansatz und für mehr Chancengleichheit. Der Bundesrat ergreift vorerst keine neuen Massnahmen.

Der Fachkräftemangel in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) gehört zu den ständigen Sorgen in der hiesigen Tech- und IT-Branche. An Vorschlägen zur Behebung des Zustands mangelt es nicht. Doch wie gut wirken MINT-Fördermassnahmen tatsächlich? Und welche anderen, vielleicht effektiveren Ansätze gibt es? Solche Frage beschäftigten die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates. Diese gab bei den Akademien der Wissenschaften Schweiz eine Studie in Auftrag, deren Resultate nun vorliegen.
Chancengleichheit im Fokus
Die Frage, inwiefern bestehende Fördermassnahmen wirken, beantworten die Forschenden mit einem: Ja, aber. Die Förderung von MINT-Fächern in der Schweiz habe zwar tatsächlich für punktuell steigendes Interesse an MINT-Themen gesorgt. So sei etwa in den letzten Jahren die Zahl der Studierenden auf Tertiärstufe in den MINT-Bereichen leicht gestiegen.
Doch einen breiten, nachhaltigen Erfolg konnten die Forschenden nicht feststellen. Für einen solchen, erklären sie, "müssten die schon heute bestehenden zahlreichen Einzelmassnahmen verstärkt koordiniert und besser gesteuert werden", wie die Akademien Wissenschaften Schweiz in einer Mitteilung zusammenfassen. Demnach Empfiehlt die Studie konkret, einen schweizweiten Handlungsrahmen zu schaffen: "Eine nationale Strategie sowie ein nationales MINT-Kompetenzzentrum sollen für Synergien sorgen, MINT-Akteure wie Förderorganisationen, Schulen und Unternehmen koordinieren und die Qualität der Massnahmen sichern. Eine weitere Empfehlung der Studie lautet, das Wissenschaftsinteresse auch künftig allgemein zu stärken. Mehr Veranstaltungen, niederschwellige ausserschulische Angebote und gezielte digitale Kommunikation sollen das Interesse an MINT-Themen fördern und das Vertrauen in die Wissenschaft festigen."
Einen Schwerpunkt ihrer Untersuchung legten die Studienautoren auf die Frage, warum die Zahl der Frauen und Mädchen, die sich für MINT-Berufe interessieren, nur langsam steigt. Auch hier nennen sie zwar gezielte, wirkungsvolle Massnahmen, darunter "weibliche Vorbilder, Mentoring-Programme und Safe Spaces". Sie stärkten das Zugehörigkeitsgefühl und Selbstvertrauen von Frauen und Mädchen im MINT-Bereich, heisst es dazu.
Doch damit derartige Fördermassnahmen ihr volles Potenzial entfalten könnten, brauche es gesamtgesellschaftliche strukturelle Veränderungen, "die auch eine bessere Sensibilisierung von Männern umfassen müssen. Eine starke Familienpolitik mit bezahlbarer Kinderbetreuung, flexiblen Elternzeitmodellen und New Work-Ansätze, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für alle zu verbessern, ist nötig. Weiterhin haben sich Geschlechterquoten als wirksames Instrument bewährt", heisst es in der Mitteilung. Ausserdem plädieren sie dafür, den Schulunterricht hinsichtlich Geschlechtergerechtigkeit zu verbessern.
Somit gelangen die Autoren im Fazit zum Schluss, dass nur mit gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen langfristig mehr Fachkräfte ausgebildet werden können. "Eine ausschliessliche Orientierung an freiwilliger Berufswahl und individuellem Interesse" greife zu kurz, "da strukturelle Barrieren, soziale Normen und geschlechtsspezifische Stereotype bereits früh Einfluss auf Präferenzen und Entscheidungen nehmen und damit Kompetenzen und schulische Leistungen überlagern".
Bundesrat bleibt bei Altbekanntem
In einer Mitteilung zur Studie erklärt der Bundesrat, er wolle die laufenden Fördermassnahmen fortsetzen. Dazu gehört das MINT-Mandat des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) an die Akademien der Wissenschaften. Der Bund lässt sich dieses im Zeitraum 2025-2028 10,7 Millionen Franken kosten, damit die Mandatsträgerin "die MINT-Kompetenzen bei Kindern und Jugendlichen durch vielfältige und innovative ausserschulische oder schulbegleitende Projekte fördert". Ferner sei die gezielte Förderung des Nachwuchses - insbesondere von Mädchen und Frauen - ein zentrales Anliegen des Bundes, etwa im Rahmen der Gleichstellungsstrategie 2030 oder der BFI-Botschaft 2025–2028.
Auf Bundesebene sieht die Exekutive aktuell "keinen zusätzlichen Handlungsbedarf". Der Bundesrat fügt jedoch in seiner Mitteilung hinzu, er lade "die Kantone, Bildungsinstitutionen und weiteren Akteure ein, die Ergebnisse des Berichts sowie der zugrundeliegenden Studie sorgfältig zu prüfen und bei Bedarf im eigenen Zuständigkeitsbereich weitere Schritte zu unternehmen".
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