Wild Card

Teuflische Details

Uhr | Aktualisiert
von Christof Zogg

Was für den Handel zutrifft («Retail is Detail»), gilt auch für die Produktentwicklung in der IT: Für den Erfolg kommt es auf jedes Detail an – bei der Funktionalität, der Benutzerführung und der visuellen Gestaltung. Doch in der Praxis steckt der Teufel eben im Detail.

Christof Zogg, Leiter Digital Business bei den SBB. (Quelle: Netzmedien)
Christof Zogg, Leiter Digital Business bei den SBB. (Quelle: Netzmedien)

Zurzeit grassiert an den Schulen ab der Mittelstufe ein gefährliches Virus, das die Konzentrationsfähigkeit von tausenden, primär männlichen Schülern lähmt. Es nennt sich "Clash of Clans" und ist eine Massively-Multiplayer-Online-Strategiespiel-App mit enormem Suchtpotenzial. Das Spiel hat den finnischen App-Entwickler Supercell zu einer der profitabelsten Firmen auf dem Globus gemacht. Oder kennen Sie ein anderes Unternehmen, das mit 152 Mitarbeitenden über 1,5 Milliarden Euro Einnahmen generiert? Ausser dem ökonomischen Erfolg fasziniert die Frage, weshalb es ausgerechnet dieses Spiel unter hunderten anderer Games in diesem Genre an die Spitze schaffte. Die Antwort lautet: Es ist die Summe aller Details, die ein kleines bisschen perfekter umgesetzt wurden als bei den Mitbewerbern.

Der Teufel steckt im Detail

Vergleichbare Spiele kennen oft das Problem, dass die Early Adopters bald einmal ein Level erreicht haben, mit dem sie jeden Neuling locker plattmachen können (analog zu Fussballcup-Spielen des FC Basel gegen den FC Schnepfenried). In "Clash of Clans" dagegen spielt man nur gegen Opponenten, die in etwa dieselbe Spielstärke haben.

Andere Spiele haben den Nachteil, dass jeweils zwei Spieler gleichzeitig online sein müssen, um gegeneinander antreten zu können. Das reduziert die Anzahl möglicher Spielpaarungen exponentiell. Beim Marktleader braucht jeweils nur der angreifende Spieler aktiv zu sein, beim Verteidiger übernimmt die künstliche Intelligenz der App. Und schliesslich nimmt bei solchen Echtzeit-Strategiespielen der Spielspass nach Erreichen eines gewissen Levels stark ab. Nur kann das bei "Clash of Clans" mehrere Monate, ja sogar Jahre dauern. Denn allein der Upgrade eines Rathauses von Level 6 auf 7 – es gibt deren 11 – dauert ganze 6 Kalendertage.

Wenn’s nur der CEO richten kann

Dasselbe gilt auch für die Entwicklung von seriösen Softwareprodukten: Das richtige Konzept ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung für den Produkterfolg. Bei der Entwicklung kommt’s auf jedes Detail an.

In der Praxis, die ich aktuell in der Entwicklung der neuen SBB-App erlebe, werden immer wieder Kompromisse eingegangen – zuweilen auch faule. Mal muss auf politische Gegebenheiten Rücksicht genommen werden, mal hat ein Designer einen schlechten Tag und mal wird eine Detaildiskussion ohne Finden der idealen Lösung beendet. Der Einzige, der dann ein Detail noch in Richtung Perfektion drehen kann, ist der Auftraggeber des Projekts. Nur er kann mit seinem Veto Usability-Holperer, Design-Unschönheiten und Funktionalitäts-Rumpler noch einmal überarbeiten lassen – vorausgesetzt er hat die nötige Produktpassion und das entsprechende Know-how. Und manchmal – wie im Falle von Apple – ist der ultimative Produktauftraggeber der CEO. Wie stark dann unter Umständen die Details leiden können, zeigt sich augenscheinlich unter der Führung des aktuellen CEOs Tim Cook, dessen Passion mehr den Prozessen als den Produkten zu gelten scheint. Oder wäre es in der Ära des Perfektionisten Steve Jobs denkbar gewesen, mit Produkten wie einem vertikal abstehenden Ladeport für den Pencil beim iPad Pro oder einem oben links hingeschusterten Back-Button in iOS 9 live zu gehen?

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