Wild Card

Braucht jedes Unternehmen eine Plattform?

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von Daniel Liebhart

Seit fünf Jahren leben wir im Zeitalter der Plattformen. Sie verbinden unterschiedliche Stakeholder eines Unternehmens und lassen neue Wertschöpfungsketten zu. Ein Modell für alle?

Daniel Liebhart, Dozent ZHAW und Experte für Enterprise-Architekturen und Solution Manager bei Trivadis. (Quelle: Netzmedien)
Daniel Liebhart, Dozent ZHAW und Experte für Enterprise-Architekturen und Solution Manager bei Trivadis. (Quelle: Netzmedien)

Der Gedanke ist bestechend: Statt unseren Lieferanten zu bezahlen, damit er liefert, lässt man ihn bezahlen, dass er uns beliefern darf. In gewissem Sinne zahlt er dafür, dass er Zugang zu unseren Kunden erhält. Für den Kunden selbst ändert sich eigentlich nichts. Er bezahlt nach wie vor für die erbrachte Leistung.

Möglich werden solche ­Geschäftsmodelle dank Plattformen. Sie erlauben die Etablierung sogenannter zweiseitiger Märkte. Vor fünf Jahren zeigte der amerikanische Journalist Phil Simon in seinem Buch "The Age of the Platform" auf, wie diese Art von ­Geschäftsmodell für die vier Grossen des Internets funktioniert.

Plattformen und zweiseitige Märkte

Der Begriff "zweiseitiger Markt" als Wertschöpfungsnetzwerk, das zwei Kundengruppen über eine Plattform miteinander verbindet und beide für deren Nutzung bezahlen lassen, stammt von den beiden Wissenschaftlern Jean Tirol und Jean-Charles Rochet. Sie entwickelten bereits im Jahr 2003 im Artikel "Platform Competition in two-sided Markets" ein Modell, das die grundlegenden Mechanismen wie etwa den Einfluss der Transaktionsvolumina auf die Preisgestaltung und andere Effekte erklären.

Zweiseitige Märkte funktionieren dank indirekter Netzwerkeffekte. Dies bedeutet, je grösser die eine Kundengruppe desto höher der Nutzen für die andere Kundengruppe. Im Falle einer Shoppingmall bedeutet dies: Je mehr Läden es gibt, desto attraktiver wird die Mall für potenzielle Kunden. Je mehr Kunden das Einkaufszentrum besuchen, desto interessanter wird es für die Läden. Dasselbe Prinzip gilt für Kreditkarten- und andere Zahlungssysteme, für Auktionen, für Spielkonsolen, Betriebssysteme oder für sehr viele Internetangebote. Das zentrale Element ist immer die Plattform, welche die Kundengruppe verbindet. Damit kommt dem Betreiber der Plattform eine wichtige Rolle zu. Er muss dafür sorgen, dass die Plattform sehr schnell an die Bedürfnisse verschiedenster Kundengruppen angepasst werden kann. Das kann bedeuten, auf bestehende Plattformen aufzusetzen oder sie sogar zu verbinden, etwa mittels Kombination einer Flight-Tracking-Plattform mit einem sozialen Netzwerk. Sie würde einem Hersteller von Halbfabrikaten durch direkte Kommunikation mit dem Veredler und dessen Kunden eine dynamische Preisgestaltung basierend auf Liefergenauigkeit oder Verzugsrabatten erlauben.

Ein Modell für jedes Unternehmen?

"Value Unchained" nennt das Beratungsunternehmen Accenture diese plattformbasierten Geschäftsmodelle und listet in der gleichnamigen Studie eine Vielzahl von konkreten Beispielen auf. So etwa den Einsatz einer Plattform zur optimalen Bestimmung von Anbauzeitpunkten in der Landwirtschaft, die Kunden mit Saatgut- und Feldmaschinenhersteller verbindet.

Im Prinzip ist der Einsatz einer Plattform für jedes Unternehmen denkbar, das mit mehrere Lieferanten und Kunden oder Kundengruppen arbeitet. Es gilt aus der Vielzahl möglicher Netzwerkeffekte diejenigen auszuwählen, die den grössten Mehrwert für das Unternehmen mit sich bringen.

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