Die Raumplaner der IT-Welt
Eine nachhaltige IT-Umgebung ist für Firmen matchentscheidend. Eine wichtige Rolle im Schatten der CIOs nehmen dabei die für Aufbau und Weiterentwicklung verantwortlichen IT-Architekten ein. Sie sind die Raumplaner der IT-Welt.
Übernimmt eine Firma eine andere, fusionieren zwei oder mehr Firmen oder gründen findige Unternehmer ein Start-up, ist eine moderne IT ein entscheidender Faktor für den künftigen Erfolg des Unternehmens. Ein Beispiel für eine Zusammenführung verschiedener IT-Abteilungen ist Local.ch, ein Joint Venture von Swisscom und Publigroupe, in dem die drei Unternehmen Swisscom Directories AG, LTV Gelbe Seiten AG sowie Local.ch zusammengeschlossen wurden. Deren CIO Guido Kaufmann hat den Auftrag, die drei IT-Abteilungen zusammenzuführen und eine Komplett-Erneuerung der IT-Landschaft umzusetzen. Sein Rezept, wie er einerseits die Kosten in den Griff bekommt und andererseits innovativ ist, ist relativ simpel: "Das kann nur über eine klare Strategie und ein gutes Architekturmanagement erfolgen", sagt er im Gespräch mit der Netzwoche.
Die IT- und Businessarchitekten seien ausserdem so etwas wie die Raumplaner eines Unternehmens, so Kaufmann. Dem stimmt Philipp Spaeti, Executive IT Architect bei IBM, zu. Eine IT-Architektur müsse nützlich, brauchbar, beständig, dauerhaft und schön sein, ergänzt er etwas philosophisch, wie bei einem Gebäude. In Bezug auf die dafür notwendigen Skills eines IT-Architekten bedeutet das, dass es "IT-spezifisches Wissen darüber braucht, welche Bausteine wo gebraucht werden und was diese für Auswirkungen auf das Gesamtgebilde haben". Mit anderen Worten: Welche Soft- und Hardware wo eingesetzt werden kann, sollte nachhaltig geplant werden. Hanspeter Högger, Berater bei Capgemini, unterstreicht die Wichtigkeit des IT-Architekten. "Wenn wir von einem IT-Architekten im Sinne eines Unternehmensarchitekten sprechen, dann ist das eine sehr anspruchs- und verantwortungsvolle Aufgabe, weil er dem Unternehmen hilft, die IT am Business auszurichten."
Wenn IT Wachstum ermöglicht
Heinz Hodel, CIO von Emmi, hatte in den vergangenen drei Jahren einiges zu tun, um die IT des Milchverarbeiters Emmi zu modernisieren. Man wolle "rasant" wachsen, von 3,3 Milliarden auf 4 Milliarden Franken Umsatz in 12 bis 18 Monaten, sagte Hodel am IT-Talk vom 21. Mai. Dazu übernehme Emmi in regelmässigen Abständen Unternehmen. Die IT so aufzustellen, dass eine Integration möglichst flott vorangehen kann, bedeutete für Hodel und seine Mitarbeiter eine Menge Arbeit. Denn als er seine Stelle bei Emmi antrat, habe er überalterte Hardware und Software vorgefunden. Ausserdem hatte man den Lifecycle nicht oder zu wenig gepflegt. Das habe man inzwischen in Ordnung bringen können und gar die IT auf neuesten Technologien aufgesetzt.
Bezüglich der IT-Architektur liegt hier etwa der Einsatz von Service-Oriented-Architecture-Lösungen (SOA) auf der Hand. Dadurch, dass dort die meisten oder gar sämtliche Anwendungen eines Unternehmens SOA-kompatibel sind, wird die Integration neuer Software vereinfacht. Darüber hinaus erlaubt es den Entscheidungsträgern in Unternehmen, sich über laufende Prozesse und Ereignisse zu informieren und auf Abweichungen, beispielsweise in der Produktion, flexibel zu reagieren. Wie der im Oktober des letzten Jahres publizierte "BIAN SOA Report 2012" zeigt, hat inzwischen auch die Finanzbranche erkannt, dass sich der Einsatz von SOA lohnen kann.
Demnach glauben 78 Prozent der befragten Banken, dass sie mit SOA 25 bis 50 Prozent der IT-Kosten sparen können. Ausserdem erhöhe SOA die Wettbewerbsfähigkeit, ermögliche die raschere Einführung neuer Produkte und erhöhe die Fähigkeit, den Kunden Zusatzdienste anbieten zu können.
Der IT-Architekt als Bremser
Setzen Unternehmen auf die neuesten Technologien und sind bezüglich der IT auf dem neuesten Stand, dann ändert sich das Verhältnis zwischen der IT und dem Business. Die konventionelle Vorgehensweise, bei der das Business ein Problem formuliert, sich an die IT wendet und diese dann eine entsprechende Lösung baut, was oft einige Zeit dauert, entspricht nicht mehr der schnellen neuen Geschäftswelt. Einige Unternehmen haben die Zeichen der Zeit erkannt. "Die IT schaut heute in vielen Firmen darauf, Innovationen zu ermöglichen und schlägt selbst vor, welche neuen Technologien das Business brauchen könnte", sagt Spaeti.
Damit kann ein Wildwuchs an Applikationen oder das Entstehen einer sogenannten "Schatten-IT" vermindert werden, die für Unternehmen ein Sicherheitsrisiko darstellen kann. Viele Anwendungen, beispielsweise aus der Cloud, sind nutzerfreundlicher als jene, die die interne IT anbietet. Solche Anwendungen schiessen wie Pilze aus dem Boden. "Es gibt immer mehr branchenspezifische Cloud-Lösungen", bestätigt Spaeti. Hier muss der IT-Architekt oft die Rolle des Bremsers einnehmen, ohne das Business zu verärgern. Dieses Problem wird insofern entschärft, als dass immer mehr Dienstleistungen explizit in der Schweiz angeboten werden und somit eher compliant sind.
Wie ein Dirigent
Wünscht das Business dann die Nutzung solcher Lösungen, ist es entscheidend, dass es rasch vorangeht. Nachdem der CIO entschieden hat, ob diese Lösung integriert werden kann, ist der IT-Architekt am Zug, wie Spaeti anfügt: "Er muss dafür sorgen, dass die Integration klappt, die Lösung in die IT-Umgebung passt, technisch funktioniert und die Performance hat, die sie haben muss." Ein Beispiel, das zeigt, dass genau dies funktionieren kann, ist Emmi. Laut Hodel kann das Unternehmen seinen Tochtergesellschaften unterdessen Private-Cloud-Dienstleistungen zur Verfügung stellen.
Die eingangs etwas offen definierte Rolledes IT-Architekten, dem Unternehmen zu helfen, die IT am Business auszurichten, kristallisiert sich somit etwas konkreter heraus. Zur Fähigkeit, den Überblick über die neuesten Technologien zu haben, kommt das Verständnis für die Bedürfnisse des Business dazu. Es geht also insgesamt darum, die IT-Architektur eines Unternehmens so zu bauen, dass bestehende Anwendungen optimal integriert und neue Lösungen, zum Beispiel aus der Cloud, rasch eingebunden werden können. Der IT-Architekt ist letztlich nicht "nur" Raumplaner, sondern gewissermassen auch Dirigent eines mehr oder weniger grossen IT-Orchesters.
Auf der grünen Wiese
In einer anderen Ausgangslage sind Jungunternehmer, die ein Start-up lancieren. Sie müssen gar nicht erst alte Systeme ablösen, sondern können komplett auf der grünen Wiese beginnen. Die von der Netzwoche befragten Experten raten denn auch dazu, je nach Businessmodell und Art des Start-ups mehr oder weniger von den neuen Möglichkeiten, die die IT bietet, Gebrauch zu machen. "Wenn es nicht ein Technologie-Start-up ist, dann soll es den Fokus auf die eigentliche Geschäftsidee legen und wo immer möglich Cloud-Services beziehen", sagt Högger. Es sei ausserdem sinnvoll, einen erfahrenen Berater im Team zu haben, der dann schrittweise Verantwortung abgibt. Bezüglich des Aufbaus der IT empfiehlt er, in den ersten Monaten nicht allzu langfristig zu planen, um flexibel zu bleiben.
Definitiv längerfristig ausgelegt ist hingegen das Projekt von Local.ch. Dessen CEO Edi Bähler sagte Ende 2011, dass das Projekt damals zu einem Drittel abgeschlossen worden sei. CIO Kaufmann beantwortet nun die Frage, ob Local.ch im Zeitplan sei, folgendermassen: "Ja, mit der Umsetzung unserer IT-Strategie sind wir auf Kurs, nehmen uns aber auch die notwendige Zeit, gut zu überlegen, welches die Anforderungen an die IT von morgen sind." Der Verwaltungsrat spreche für den Umbau der IT viele Mittel, entsprechend fühle er sich mit der IT verantwortlich, diese auch nachhaltig in eine zukunftsgerichtete Architektur zu investieren. "Sonst sind wir in paar Jahren wieder gleich weit, mit einem unkoordinierten, teuer zu unterhaltenden Applikationszoo."

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