Start-up-Serie

Die Ruhe vor dem Mobile-Business-Sturm

Uhr | Aktualisiert
von Simon Zaugg

Scandit-Co-Gründer Samuel Müller wähnt sich in einer guten Ausgangslage für den Mobile-Business-Boom. Was er bei Facebook abgeschaut hat, weshalb die Konkurrenz zu Ebay nützlich sein soll, und wie die Unternehmer den Aufbau des Start-ups finanziert haben, hat er der Netzwoche verraten.

Scandit-Co-Gründer Samuel Müller erwartet einen kräftigen Mobile-Business-Boom. (Quelle: Scandit.com)
Scandit-Co-Gründer Samuel Müller erwartet einen kräftigen Mobile-Business-Boom. (Quelle: Scandit.com)

Der Marktforscher NPD Displaysearch hat kürzlich vorgerechnet, dass im noch laufenden Jahr weltweit 567 Millionen Smartphones ausgeliefert werden. Die Milliardengrenze soll spätestens 2016 geknackt werden. Gute Prognosen für Unternehmer wie Christian Flörkemeier, Samuel Müller und Christof Roduner, die 2009 gemeinsam das Start-up Mirasense gegründet hatten. Lizenzen für ihre zuvor entwickelte Barcode-Scanning-Technik konnten sie bereits im Frühjahr 2010 an erste Kunden verkaufen. Im selben Jahr brachten sie auch die Scandit-App heraus, in der die Technik zum Einsatz kommt.

Im selben Stil soll es weitergehen. Die Vernetzung werde sich weiterentwickeln und die Durchdringung mit mobilen Geräten zunehmen, ist CEO Müller überzeugt. Das Bedürfnis nach Interaktion mit den mobilen Geräten werde rasch wachsen. Social Mobile Shopping, also sich während des Einkaufsprozesses austauschen, das wollen die Leute, meint Müller. Ebenso Reviews zu Produkten schreiben oder einfach weiterverbreiten, was man gut findet. Müller bezeichnet Scandit als "ein Consumer-Empowerment-Device, das Menschen hilft, bessere Entscheidungen zu treffen". Die Bekanntheit der App habe unterdessen dazu geführt, dass diese geläufiger sei als der Unternehmensname Mirasense. Deshalb vermarkten die Unternehmer das Start-up mit dem App-Namen.

Konkurrent Ebay

Die Barcode-Scanning-Technik war der Anfang. In der Folge entstanden weitere Erkennungstechniken für mobile Geräte. Die Unternehmer investieren viel Zeit und Geld in die Weiterentwicklung, um beispielsweise auf den verschiedenen Geräten und Betriebssystemen auf dem neusten Stand zu bleiben. Laut Müller hat Scandit heute die schnellste und zuverlässigste 1-D- und 2-D-Erkennungstechnik weltweit. Eine ähnliche Barcode-Scanning-Technik hatte auch der 2010 von Ebay übernommene App-Entwickler Redlaser entwickelt. "Somit ist Ebay unser Hauptkonkurrent. Das ist eine spannende Konstellation", sagt Müller mit leicht ironischem Unterton. In der momentanen Situation sei dies jedoch positiv, denn mit Ebay mache ein Grosser der Internetbranche auf die Möglichkeiten mit der Barcode-Erkennung aufmerksam.

Scandit hat nebst der Technik und der App ein Ökosystem aufgebaut. Müller zieht einen Vergleich zu einer anderen Web-Grösse: "Die Entwicklerplattform Facebook-Connect bietet Unternehmen Zugang zu einem riesigen Ökosystem. In ähnlicher Manier haben auch wir eine Plattform aufgebaut." Dort bietet man App-Entwicklern, die die Technik einsetzen wollen, Unterstützung an, gibt ihnen Zugang zu Analytics-Werkzeugen und nicht zuletzt auch zu einer umfassenden Produktdatenbank. Zu den Kunden von Scandit gehören in der Schweiz Unternehmen wie Coop, Comparis oder Ex Libris. International streicht Müller die Zusammenarbeit mit dem Handyhersteller Nokia und dem amerikanischen Mobile-Shopping-App-Anbieter Shopkick heraus.

Präsenz im Silicon Valley

Beim Knüpfen von Kontakten zu grossen Unternehmen der ICT-Branche ist Hartnäckigkeit gefragt. "Der erste Kontakt zu Shopkick entstand über einen Geschäftspartner im Silicon Valley. Dann lief eineinhalb Jahre wenig, bis sich eine Geschäftsbeziehung etabliert hat." Die Kontakte zu Nokia kamen laut Müller an Branchenkonferenzen und Tradeshows zustande. Sehr häufig seien es auch Beziehungen aus der Studien- und Forschungszeit an der ETH Zürich oder Technologie-Hubs wie Swissnex, die Türen zu möglichen neuen Geschäftspartnern öffnen. In den USA und insbesondere im Silicon Valley präsent zu sein, habe sich bisher ausgezahlt, sagt Müller. Drei der elf Mitarbeiter beschäftigt Scandit in den USA. Müller selbst pendelt regelmässig zwischen San Francisco, Boston und Zürich.

Die Unternehmer haben Scandit ohne Risikokapital aufgebaut. "Das hat uns dazu gezwungen, dass wir kreativ im Finden von Lösungen und vorsichtig im Umgang mit Ressourcen sind", bekundet Müller. Auszeichnungen der Start-up-Förderinitiative Venture Kick, ein gewonnenes Darlehen der Volkswirtschaftsstiftung oder ein Preisgewinn am App-Entwickler-Wettbewerb "Calling all Innovators" von Nokia brachten den Unternehmen die nötige Seed-Finanzierung. Bis Lizenzgebühren und Erlöse aus Dienstleistungen neue Mittel in die Kasse spülten. Ob sich die Unternehmer in Anbetracht des eingangs erwähnten Potenzials des Mobile-Commerce-Marktes schon damit befasst haben, Scandit zu verkaufen? "Sag niemals nie", sagt Müller am Ende des Gesprächs. "Das Wichtigste ist, dass wir das Geschäft voranbringen und uns weiterentwickeln können. Derzeit ist dies jedoch kein Thema."