Verfahren zur Partner-Evaluation für Webprojekte
Mit zunehmenden Möglichkeiten des Webs wächst die Zahl der Anbieter. Im Markt bieten Spezialisten und Generalisten ihre Services für alle Schattierungen des Webs an. Wie evaluiert ein Auftraggeber den richtigen Dienstleister für sein Projekt?

Zum Autor: Imre Sinka ist Vorstandsmitglied der Simsa und Geschäftsleiter der Dotpulse Webagentur AG.
Ein methodisches Vorgehen, eine kritische Beurteilung der Anbieter und das passende Auswahlverfahren reduzieren das Risiko, dass am Ende nicht der grosse Frust herrscht oder gar ein Scherbenhaufen zurückbleibt.
Full-Service oder Spezialist
Hat sich ein Auftraggeber entschieden, sein Projekt einem externen Dienstleister zu übergeben, muss er sich Gedanken zur Wahl des passenden Partners machen und entscheiden, ob er einen für ein umfassendes Projekt sucht, zum Beispiel für einen neuen Webauftritt. Oder ob er einen Spezialisten benötigt, der eine spezifische Anforderung umsetzt, zum Beispiel die Suchmaschinenoptimierung der Website oder die Umsetzung einer Webapplikation.
Aufbereiten einer Shortlist
Für die Evaluationen eines Full-Service-Dienstleisters oder Spezialisten sind im Vorfeld 15 bis 30 mögliche Partner auf Herz und Nieren zu prüfen. Daraus wird eine Shortlist erstellt, die aus folgenden Beurteilungspunkten resultiert:
Qualität des Teams
Verfügt der Dienstleister über Mitarbeiter mit den Skills für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts? Kompetente und erfahrene Mitarbeiter erkennen die Anforderungen und Bedürfnisse und entwickeln zielführende Strategien zur Problemlösung. Die Haltung, das Denken, die Erfahrung und Persönlichkeit der Mitarbeiter haben einen grossen Einfluss auf die Beurteilung des Dienstleisters. Darum sollten bei einer möglichen Agenturpräsentation diejenigen Personen anwesend sein, die das Projekt gegebenenfalls auch umsetzen würden.
Das Standing des Dienstleisters
Es lohnt sich in jedem Fall, die Kunden und Projekte der Dienstleister näher zu betrachten. Ein Gespräch mit bestehenden und ehemaligen Kunden zu ihren Erfahrungen mit der Budget- und Termintreue sowie dem Projektmanagement gibt Aufschluss über die Arbeitsweise und die Qualitäten des Dienstleisters.
Kreativität ist ein zentrales Element in Webprojekten. Das gilt nicht nur für das Screen-Design und die Onlinemarketing-Konzepte, sondern auch für die Programmierung. Schöpferisches Denken eröffnet neue Wege und somit die Möglichkeit, sich gegenüber den Mitbewerbern zu differenzieren. Agentur-Rankings, Auszeichnungen an Wettbewerben sowie die Projekte des Dienstleisters geben Auskunft über dessen Kreativität.
Die Grösse des Dienstleisters
Sind die Anforderungen an das Onlinemarketing, die Technik und den Support gering, kann das Projekt problemlos (und meist effizienter) durch einen Dienstleister mit 5 bis 15 Mitarbeitern bewerkstelligt werden. Bei komplexen Anforderungen mit hohem Einfluss auf das laufende Geschäft ist die Zusammenarbeit mit einem Partner mit mehr als 50 Mitarbeitern von Vorteil, da er über die Ressourcen und Kapazitäten verfügt, um das Projekt zeitnah umzusetzen.
Grosse Dienstleister verfügen über eine breite Palette von spezialisierten Mitarbeitern. Sie können bei Bedarf auch kurzfristig personelle Ressourcen bereitstellen. Sie sind oft in Netzwerke eingebunden und können so internationale Projekte besser handhaben. Diese Services und ihre Koordination sowie der Overhead schlagen sich allerdings in den Projektkosten nieder.
Vergleichbare Leistungen von kleinen Dienstleistern sind oft preisgünstiger. Ihre beschränkten personellen Ressourcen können sich jedoch auf die Durchlaufzeit eines Projekts und auf die Breite des Dienstleistungsangebots niederschlagen.
Mittelgrosse Dienstleister mit 10 bis 30 Mitarbeitern verfügen über die Kompetenz eines grossen Dienstleisters und über einen beeindruckenden Track-Record. Ihre Arbeitsweise ist aufgrund der flachen Hierarchien, der Nähe in den Teams und der kurzen Kommunikationswege in der Regel sehr effizient.
Produkt-, Markt- und Branchenkompetenz
Jede Branche hat ihre Eigenheiten. Verfügt der Dienstleister über Branchenerfahrung, ist er bereits mit den Anforderungen des Marktes vertraut und besitzt wertvolles Vorwissen. Das spart Zeit und Geld bei der Erarbeitung einer Lösung und hilft, kostspielige Fehler zu vermeiden. Andererseits können einem Dienstleister mit einem Branchenfokus die frischen Ideen ausgehen. Und natürlich besteht die Möglichkeit, dass er bereits für einen Mitbewerber arbeitet.
Bei komplexeren Aufgaben wie beim Relaunch einer Website oder dem Launch eines Shops ist das Leistungsspektrum des Dienstleisters entscheidend. Je weiter dieses gefasst ist, desto besser werden die Anforderungen des Projekts erfüllt. Der Dienstleister, der neben Design und Programmierung auch Disziplinen wie Suchmaschinenmarketing, Web Analytics und strategische Planung beherrscht, stellt sicher, dass die eingesetzten Mittel nachhaltig investiert werden.
Offerte oder Pitch
Steht die Shortlist, hängt das weitere Vorgehen wesentlich davon ab, ob ein Einzelprojekt zu vergeben ist oder eine langfristige Zusammenarbeit im Sinne eines Mandatsverhältnisses angestrebt wird.
Für ein Einzelprojekt werden in der Regel die Dienstleister mit einem schriftlichen Briefing zur Offertstellung eingeladen – Request for Proposal (RFP). Um Missverständnisse zu vermeiden, wird ihnen die Möglichkeit für Rückfragen zum Briefing offeriert. Die Antworten auf die Fragen sind allen Teilnehmern zugänglich zu machen. Ein methodisches Vorgehen, eine kritische Beurteilung der Anbieter und das passende Auswahlverfahren reduzieren das Risiko, dass am Ende der grosse Frust herrscht oder gar ein Scherbenhaufen zurückbleibt.
Der Auftraggeber darf erwarten, dass sich der Dienstleister mit der Aufgabenstellung auseinandergesetzt hat und mit der Offerte ein Lösungskonzept skizziert. Im Unterschied zu einem Pitch kann der Auftraggeber allerdings keine ausgearbeiteten Konzepte und visuellen Entwürfe verlangen – dafür ist eine Offertstellung für ihn kostenlos und unverbindlich. Um die Vergleichbarkeit der Offerten sicherzustellen, wird bei einem Request for Proposal ein Offertraster vorgegeben, der alle für den Auftraggeber relevanten Aspekte der Offerte enthält. Die Offerte wird vom Dienstleister zusammen mit seiner Methodik und Referenzprojekten präsentiert. Anlässlich des Meetings hat der Auftraggeber zudem die Gelegenheit, das Team kennenzulernen.
Wird ein Dienstleister für eine langfristige Zusammenarbeit evaluiert, beziehungsweise wird ein Grossprojekt mit einem Volumen von mindestens 100 000 Franken vergeben, so schreibt der Auftraggeber einen Pitch aus, mit dem er Lösungsvorschläge für eine konkrete Aufgabenstellung verlangt. Da die Dienstleister für einen Pitch eine erhebliche Vorleistung erbringen, ist ein Unkostenbeitrag in Form einer Pitch Fee angebracht und fair. Diese soll der Komplexität der Aufgabenstellung angepasst sein, beträgt aber mindestens 5000 Franken pro teilnehmenden Dienstleister. Das Ziel eines Pitches ist nicht, ein umsetzungsreifes Konzept zu erhalten, sondern den besten Partner für die weitere Zusammenarbeit zu evaluieren.
Voraussetzung für einen aussagekräftigen Pitch ist ein Briefing, das aufzeigt, welche wichtigen quantitativen und qualitativen Ziele mit dem Projekt zu erreichen sind und wie sich der Return on Investment (ROI) rechnet. Die Ziele sind konkret, messbar und realistisch formuliert. Das Briefing enthält keine Floskeln, wie: "Wir wollen auf Seite 1 bei Google", oder "Wir wollen immer mehr Besucher."
Entscheidungskriterien
Die involvierten Mitarbeiter auf Auftraggeberseite beurteilen die Präsentationen und Offerten. Sie vergleichen ihre Eindrücke zu den beteiligten Dienstleistern und beurteilen ihre Arbeiten und Überlegungen nach vorher festgelegten Kriterien. Dabei beachten sie, dass die Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister nicht als Kostenfaktor anzusehen ist, sondern als Investition für beide Parteien, die sich für beide auszahlen soll.
Ein Webprojekt erzielt erst einen Mehrwert, wenn es auf einer klaren und stringenten Strategie basiert. Ein Partner für ein Webprojekt muss das notwendige strategische Denkvermögen mitbringen und dieses im Rahmen des Briefings aufzeigen können.
Entscheidend für ein erfolgreiches Projekt ist nicht nur eine kreative Idee und eine wirkungsvolle Strategie, sondern auch eine professionelle Methodik. Der Dienstleister muss in der Pitch-Präsentation überzeugend vermitteln, wie er das Projekt konkret angehen würde, in welche Projektphasen und Meilensteine er es aufteilt und wie er das Projekt zeitlich und personell organisieren will. Ein weiteres Kriterium kann das Vorgehen bei der Programmierung sein: Arbeitet die Agentur mit agilen Entwicklungsmethoden oder folgt sie dem klassischen Wasserfall-Modell? Inwieweit ist diese Methode mit der Arbeitsweise des Arbeitgebers kompatibel?
Die Projektleitung hat einen entscheidenden Einfluss auf das Gelingen oder Scheitern eines Projekts. Sie muss die Anforderungen und Wünsche des Auftraggebers verstehen, interpretieren und umsetzen. Darum sind die zwischenmenschliche Beziehung, das Vertrauen und die Kommunikation zwischen Auftraggeber und Projektleiter für den Erfolg von grosser Bedeutung. Insbesondere da der Projektleiter für die Budget- und Termintreue des Projekts verantwortlich ist und mögliche Probleme rechtzeitig eskaliert.
Der Auftragnehmer eines Webprojekts muss darauf eingestellt sein, den Projektverlauf mit Besprechungsberichten zu dokumentieren und dem Auftraggeber zugänglich zu machen – idealerweise mit Instrumenten wie Basecamp oder Google Docs. Die Nutzung einer umfassenden Projektmanagement-Software garantiert Transparenz bei der Stundenerfassung und ermöglicht die Dokumentation einer möglichen Budgetüberschreitung.
Auch muss der Dienstleister über einen strukturierten Prozess bei der Produktbegleitung verfügen. Dazu gehört das Aufsetzen eines Pflichtenhefts oder technischen Konzepts vor der Umsetzung sowie das Erfassen von Änderungen und Korrekturen während des Projekts. In grösseren Projekten ist es nicht realistisch, dass sämtliche Anforderungen beim Projektstart ausformuliert sind. Es ist von vornherein klar, dass sie sich im Projektverlauf ändern werden – entweder, weil beim Auftraggeber der Kenntnisstand gewachsen ist und sich deshalb die Anforderungen ändern, oder weil ein Mitbewerber ein neues Produkt/eine neue Dienstleistung auf den Markt gebracht hat.
Kosten und Verrechnungsmodelle
Natürlich sind die Kosten ein wesentliches Entscheidungskriterium. Da Kosten im Dienstleistungssektor auf Stundenbasis kalkuliert werden und die Stundensätze von professionellen Dienstleistern nicht allzu stark variieren sollten, können die Angebote nicht allzu weit auseinanderliegen. Tun sie es doch, sind entweder der Leistungsumfang oder das Verrechnungsmodell der einzelnen Angebote unterschiedlich. Letztlich kann sich das scheinbar günstigere Angebot nachträglich als das teurere erweisen.
Vor der Auftragsvergabe ist insbesondere zu klären, ob ein Angebot als Fixpreis, als Kostendach oder als Leistung nach Aufwand zu verstehen ist. Dienstleister sind oft bereit, einen Rabatt auf ihre Stunden- oder Tagessätze zu gewähren, wenn vertraglich ein bestimmtes Auftragsvolumen vereinbart wird. Das soll nicht heissen, dass sich der Entscheid für einen Partner nur auf die Kosten abstützen kann. Die Kosten sollten immer in Relation zur Erfahrung, Qualität der Arbeit sowie zum Leistungsspektrum betrachtet werden. "Sie erhalten, was Sie bezahlen", gilt eben auch für ein Webprojekt.
DIENSTLEISTER
Der Full-Service-Partner
Für komplexere Projekte zahlt sich die Zusammenarbeit mit einem Full-Service-Provider aus, da er die verschiedenen Webdisziplinen kennt, diese koordiniert und gezielt einsetzt. Mit seinem Wissen und seiner Erfahrung realisiert er komplexe Projekte effizient und kostenoptimiert und hilft dem Auftraggeber, Fehler zu vermeiden.
Der Spezialist
Aufgrund seiner Fachkompetenz kann der Spezialist spezifische Aufgabenstellungen effizient lösen und den Auftraggeber in Teilbereichen unterstützen, die er nicht selbst abdecken kann. Da der Spezialist in der Regel das grosse Ganze nicht vor Augen hat, kann beim Auftraggeber ein hoher Aufwand für die Koordination und das Projektmanagement entstehen.

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