Facebook wird zum Tech-Konzern

Schicksalstage für Facebook

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Facebook hat vor 4000 Entwicklern seine Geschäftsstrategie und technische Roadmap präsentiert. Einige Dinge an der Konferenz F8 erinnern an Spielereien von Snapchat und Second Life. Andere Projekte könnten den Alltag der Menschen nachhaltig verändern und verbessern.

Mark Zuckerberg setzt auf Virtual and Augmented Reality. (Quelle: Facebook)
Mark Zuckerberg setzt auf Virtual and Augmented Reality. (Quelle: Facebook)

Facebook hat zu seiner Entwicklerkonferenz geladen. Über 4000 Menschen reisten nach San Jose, um sich während zweier Tage über die Neuheiten des Webkonzerns aus erster Hand zu informieren. An der F8 (Fate, zu Deutsch Schicksal) zeichnete Gründer und CEO Mark Zuckerberg die Roadmap für Facebook vor. Der nächste Halt: Augmented Reality. Facebook will die Kamera im Smartphone zur wichtigsten Plattform für Augmented-Reality ausbauen. "Das ist die eine Botschaft, die jeder von dieser Konferenz mit nach Hause nehmen sollte", sagte Zuckerberg.

Plattform für bunte Masken und Sticker

Facebook bietet eine Basissammlung an Masken für Fotos und Videos. Diese Sammlung können Entwickler über die Camera Effects Platform nutzen. Sie umfasst nach Unternehmensangaben zwei Elemente: das Frames Studio und das AR Studio. Das Frames Studio ist ein Online-Editor. Mit ihm können Entwickler Rahmen für Profilbilder oder für die Kamerafunktion von Facebook gestalten. Mit dem AR Studio können Masken, Effekte, animierte Rahmen kreiert oder andere AR-Technologien eingesetzt werden, die auf Bewegungen, Umgebungen oder Interaktionen in Live-Übertragungen reagieren sollen. Um die Beta-Version bereits nutzen zu können, müssen sich Entwickler allerdings bei Facebook bewerben.

Einen Schritt weiter geht Facebook mit der Möglichkeit, Fotos von Räumen mit dem Smartphone aufzunehmen. Anschliessend können Betrachter das Bild schwenken und Effekte hinzufügen. Wie wäre es etwa mit Regen im Wohnzimmer?

All diese Effekte benötigen laut Zuckerberg ausser viel Rechenleistung auf Facebooks Servern drei technische Grundlagen: exakte Positionsbestimmung von Objekten, 3-D-Effekte und Objekterkennung. Dadurch könnten etwa Spiele erschaffen werden, wie Brettspiele, die über ein Smartphone virtuell auf einem echten Tisch zu sehen sind. In der Realität ist der Tisch hingegen leer.

Auch neue Kunstformen seien denkbar. "In Zukunft werden Menschen auf weisse Häuserwände starren", sagte Zuckerberg. Über Plaketten an Wänden können Betrachter virtuell projizierte Kunstwerke auf Häuserwänden betrachten. Ob das der Polizei im Kampf gegen Graffity-Künstler helfen wird?

Facebook Spaces

Mediales Aufsehen und das ein oder andere Kopfschütteln erzeugte die Ankündigung von Facebook Spaces. In der neuen VR-App können sich Nutzer in einer interaktiven virtuellen Umgebung treffen, als wären sie gemeinsam in einem echten Raum, erklärt das Unternehmen in einer Mitteilung. Mit Facebook Spaces können Facebook-Inhalte mit Freunden zusammen in VR betrachtet werden. So könnten unter anderem 360-Grad-Videos und Fotos die Teilnehmer virtuell an neue Orte versetzen. Mit einem virtuellen Stift könne frei in die Luft gemalt werden – vom dekorativen Hut bis hin zu einem selbst gemachten Brettspiel.

Facebook Spaces erlaube es über einen Messenger-Videoanruf, einen Freund in der realen Welt anzurufen, um ihn ebenfalls in den VR-Raum einzuladen. Die Freunde können den Anruf auf ihrem Handy entgegennehmen, um sofort ein Fenster in die virtuelle Welt zu öffnen, verspricht Facebook. Auch ein Selfie-Stick sei mit an Bord. Mit ihm können Fotos von den Erlebnissen gemacht und Erfahrungen aus der VR-Welt mit Freunden auf Facebook geteilt werden.

Selfie mit Stick in Facebook Spaces. (Quelle: Facebook)

Mit Ausnahme des Selfie-Sticks kommen bei der Ankündigung von Facebook Spaces Erinnerungen an Second Life hoch. Auf der Onlineplattform konnten sich Menschen mittels Avatars treffen und sich über diese austauschen. Der Hype um Second Life ging bereits vor einer Dekade seinem Ende entgegen. Ob Facebook der virtuellen Welt ein zweites Leben einhauchen kann, wird sich zeigen. Facebook Spaces gibt es zunächst als Beta-Version für das VR-Headset der Facebook-Tochter Oculus Rift.

VR – das neue grosse Ding nach dem PC und Smartphone

Für Facebook gilt AR und VR als das grosse Ding nach dem PC. Facebooks Techniker schielen daher nicht nur auf die Consumer-Enwicklungen bei Snapchat, um diese nachzubauen. Ausser bunten virtuellen Stickern entwickeln die Ingenieure auch AR- und VR-Anwendungen, die den Alltag erleichtern sollen. Ziel von Facebook sei es, mithilfe von AR das Sehen und Hören von Menschen zu verbessern, sagte Michael Abrash, Chief Scientist at Oculus Research.

Die dafür benötigten Technologien existierten momentan noch nicht. Im nächsten Jahrzehnt seien Fortschritte bei den Werkstoffen, der Energieeffizienz, Grafik und in vielen anderen Bereichen erforderlich. Dann aber biete AR das Potenzial, beinahe jeden Aspekt des täglichen Lebens zu revolutionieren. Facebook setzt deshalb derzeit auf das Smartphone als Plattform, um virtuelle Erlebnisse anzubieten. Künftig seien transparente Brillen ähnlich der Hololens nötig. Nur auf diese Weise liessen sich AR-Dienste im Alltag nutzen, vermutet Abrash.

Neue AR-Brillen braucht das Land. (Quelle: Facebook)

Im Bereich VR bietet Facebook neue Kameras an. Diese enthalten mehrere Kameras. Deren Objektive sind in einer Kugel in bestimmten Abständen gegen aussen gerichtet. Auf diese Weise fotografieren und filmen sie sphärische Aufnahmen. Diese können anschliessend etwa über das VR-Headset Oculus Rift betrachtet werden.

Facebook entwickelt Hard- und Software für neue VR-Kameras. (Quelle: Facebook)

Messenger aufgefrischt

Facebook ist mit dem hauseigenen Messenger und Whatsapp dick im Geschäft mit Nachrichten-Apps. Seit einem Jahr versucht Zuckerberg, insbesondere den Messenger mit sogenannten Bots Unternehmenskunden schmackhaft zu machen. Die Idee: Unterhalten sich etwa Anwender im Chat über Flüge nach New York, können sie direkt im Messenger eine Fluglinie anchatten und diese nach verfügbaren Flügen und Preisen fragen. Die Basistechnik stellte Facebook online. Das soll neue Geschäftsfelder für Unternehmen und Facebook eröffnen.

Entwickler können auf Basis von Facebooks Bot-Technik relativ einfach erste Bots für eigene Services bauen. Interessant sind etwa der Nachrichtenbot von Quartz, der verschiedene News anzeigt, aus denen Leser dann auswählen können. Die "Basler Tageswoche" zeigt mit ihrem Tageswochebot, welche Möglichkeiten sich Medienhäusern bieten. Laut Facebook sind derzeit 100'000 Bots pro Monat aktiv. Jeden Monat würden bis zu zwei Milliarden Nachrichten zwischen Menschen und Unternehmen versandt.

Facebook ID überarbeitet

Um die Kunden einfacher identifizieren zu können, bietet eine neue API von Facebook die Möglichkeit, die Facebook Login ID und die Messenger ID anonymisiert abzugleichen. Der KI-Assistent M für Messenger könne neu auch Essen auf Delivery.com bestellen. Wenn man sich etwa mit Freunden darüber unterhält, was man abends essen möchte, kann M vorschlagen, eine Bestellung auszuführen. Das gesamte Verfahren kann im Messenger abgeschlossen werden, verspricht Facebook, inklusive Bezahlung.

Neu können mehrere Anwender zugleich mit demselben Unternehmen chatten. Für Entwickler interessant: Das neue Übergabeprotokoll erlaubt es laut Facebook Unternehmen, mit mehreren Entwicklern an verschiedenen Anwendungen im Messenger zu arbeiten.

Facebooks Area 51 - Building 8

Mit VR- und AR-Strategien wandelt sich Facebook von einem Web- zu einem Hightech-Unternehmen. Hierfür schuf Facebook die Abteilung Building 8. Das Entwicklungs- und Forschungsteam greift dafür auf ein Innovationsmodell zurück, das sich an der US-amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) orientiert. Building 8 soll neue Technik und Produkte schaffen, die in grossem Umfang ausgeliefert werden können.

Zwei Projekte wurden an der F8 angerissen. Eines klingt nach Star Trek, wird aber bereits an Hochschulen erforscht und könnte die Lebensqualität von gelähmten Menschen drastisch erhöhen. Neue Interfaces sollen es Menschen ermöglichen, mit ihren Gedanken Wörter zu tippen. Facebook hat sich zum Ziel gesetzt, ein lautloses Sprachsystem zu entwickeln, das in der Lage ist, 100 Wörter pro Minute zu tippen. Das soll direkt vom Gehirn aus geschehen und fünf Mal schneller als heutiges Tippen auf dem Smartphone sein.

Auf dem Word-Dokument der Zukunft sollen aber nur jene Gedanken erscheinen, die bereits an das Sprachzentrum weitergeleitet wurden. Realisieren wollen dies die Facebook-Forscher mit nicht-invasiven, tragbaren Sensoren, die in grosser Menge hergestellt werden können.

In Zukunft sollen Menschen nicht nur mittels Gedankenkraft schreiben. Bald könnten wir auch über die Haut hören. Facebook kündigte an, dass ihre Ingenieure an der entsprechenden Soft- und Hardware arbeiteten.

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