Sprung in die S/4-Hana-Welt

Falko Lameter: "Wir starteten im Server-Zeitalter und kamen im Cloud-Zeitalter an"

Uhr | Aktualisiert

Kaeser Kompressoren stellt seit mehr als 100 Jahren Produkte rund um das Thema Druckluft her. 2012 entschied sich das Unternehmen, auf das neue Datenbanksystem S/4 Hana von SAP zu wechseln. CIO Falko Lameter verrät, wie das gelang, was heute besser läuft - und was noch besser laufen könnte.

Falko Lameter: "Eine Umstellung auf ein anderes ERP war überhaupt kein Thema." (Source: Kaeser Kompressoren)
Falko Lameter: "Eine Umstellung auf ein anderes ERP war überhaupt kein Thema." (Source: Kaeser Kompressoren)

Wo steht Kaeser heute bei der Migration auf S/4 Hana?

Falko Lameter: Die Migration auf S/4 Hana wurde 2017 abgeschlossen. Derzeit stehen wir vor dem Upgrade zur Hana-Version 1909 (von Version 1709).

Wann sind Sie mit dem Migrationsprojekt gestartet?

Die Entscheidung, auf SAP Hana umzustellen, fiel 2012.

Was gab damals den Ausschlag, auf ein neues ERP-System zu wechseln?

Wir setzen als internationale Unternehmensgruppe seit mehr als 20 Jahren auf ein zentrales ERP-System von SAP. Die Erfahrung hat gezeigt, dass in dieser Konstellation ein ERP auf stets aktuellem technischem Stand die Basis für eine stetige innovative Weiterentwicklung der Anwendungslandschaft ist. Mit Hana hatte SAP ein neues Datenmanagementsystem vorgestellt. Das war mehr als eine durch In-Memory-Technologie innovierte SQL-Datenbank. Aufgrund der überragenden Rolle der SAP-Systeme in unserer Architektur mussten wir uns damit auseinandersetzen, schliesslich war eine Neuentwicklung beziehungsweise ein Re-Design der Anwendungssoftware zu erwarten.

Warum gerade SAP? Gab es keine Alternativen?

Als wir uns 1992 für SAP R/3 entschieden, gab es für den Einsatz als zentrales System einer international agierenden Unternehmensgruppe keine wirkliche Alternative. Das gilt unserer Meinung nach auch heute noch. Seitdem sind bei uns alle wesentlichen Geschäftsprozesse auf Basis von SAP-ERP optimiert worden. Das ERP stand 2013 im Zentrum einer umfassenden Landschaft mit Customer-Relationship-Management (CRM), Extended Warehouse Management (EWM), Global Trade Services (GTS), Advanced Planning and Optimization (APO), Business Information Warehouse (BW) und mehr. Eine Umstellung auf ein anderes ERP war daher überhaupt kein Thema.

Wie lief das Upgrade ab?

Wir sind die Migration in zwei grossen Phasen angegangen: In der ersten Phase haben wir unsere SAP-Systeme auf SAP Hana migriert - also ausschliesslich die Datenbank. In der zweiten Phase haben wir von der Business Suite auf S/4 Hana migriert, also die Anwendung. Entsprechend haben wir 2013 mit der Migration des SAP CRM-Systems auf Hana begonnen. Das war einfach. Danach haben wir SAP BW auf Hana migriert. Hierfür mussten wir zunächst das BW auf den neuesten Release-Stand bringen. So konnten wir erste Erfahrungen mit der neuen Datenbank sammeln.

Dann war die Business Suite an der Reihe?

Genau, wir sind die Migration der Business Suite mit dem ERP als Kern auf SAP Hana angegangen. Zur Vorbereitung der Migration haben wir die vorhandenen SAP-Systeme auf die jeweils aktuellen Release-Stände gehoben. Im Fall von SAP SRM haben wir beschlossen, die Anwendung durch die Cloud-Lösung Ariba abzulösen. Zur Ablösung der Learning Solution haben wir SuccessFactors LMS eingeführt. SAP-Anwendungen, die auf Hana nicht mehr unterstützt wurden, haben wir auf neue Anwendungen migriert wie etwa SAP cFolders zu SAP Jam oder den CAD Desktop zu SAP ECTR.

Was gab es sonst noch zu tun?

Die ERP-Datenbank wurde einer Schlankheitskur unterzogen, indem Daten nach Möglichkeit archiviert wurden. Das SAP Consulting führte eine Custom-Code-Analyse im ERP durch und wir nahmen zusammen mit unseren Softwarepartnern die erforderlichen Anpassungen vor - eine grosse Koordinationsaufgabe. Das gesamte Projekt haben wir zusammen mit SAP Consulting Services durchgeführt.

Wo lagen die grössten Herausforderungen bei der Migration?

Ein erstes Problem war die Wahl der Server-Architektur. Wir haben schliesslich alle Anwendungsmodule gestackt auf einem HP Server mit 12 Terabyte Memory installiert. Hana 1.0 kam direkt aus der Entwicklung, alles war neu und es gab keine Erfahrungen. Heute gibt es diese Problematik nicht mehr

Wie griff Ihnen SAP dabei unter die Arme?

Die Migration selber haben wir mit Hilfe von SAP Consulting Services durchgeführt. Ohne das Know-how von SAP wären wir sicher nicht erfolgreich gewesen. Die Vorgehensweise bei der Umstellung musste schliesslich exakt geplant werden.

Gab es weitere Hürden?

Eine besondere Herausforderung war die Migration einer kundeneigenen Entwicklung für das Management der Geschäftspartnerdaten zu SAP MDG Business Partner synchron mit der Migration auf S/4 Hana. Dabei auftretende Schwierigkeiten führten zu einer Verzögerung des Projekts um circa 6 Monate. Insgesamt gab es hohe Testaufwände - auch einen Go-live-Test, da die Umsetzung der Migration an einem Wochenende durchgeführt werden musste, und da konnte die Zeit knapp werden.

Die IT-Welt drehte sich inzwischen weiter. Wie gingen Sie damit um?

Parallel zu unserer Migration mussten wir ständig dazulernen, da wir im Client/Server-Zeitalter gestartet waren und schliesslich im Cloud-Zeitalter ankamen. Nicht nur die ständigen Innovationen von SAP, sondern auch die Innovationen in der IT generell: Aufkommen der Cloud mit den Hyperscalern, Open Source, DevOps, Kubernetes oder SD-WAN mussten bewältigt werden. Das Leben ging weiter und so mussten wir vor allem auch parallel ein innovatives Projekt im Bereich IoT und Industrie 4.0 angehen.

Kaeser ist seit 1993 Kunde von SAP. Wie ist die Arbeit mit S/4 Hana im Vergleich mit dem Vorgängersystem?

Die Anwender haben am Tag nach der Migration der Business Suite auf SAP Hana zunächst keinen Unterschied bemerkt - ausser die Anwender, die besonders intensiv mit Reporting arbeiten. Die Reporting-Laufzeiten verkürzten sich dramatisch. BW-Anwendungen wurden wegen der schnellen Antwortzeiten viel intensiver genutzt. In allen Transaktionen machte sich die verbesserte Antwortzeit dahingehend bemerkbar, dass die altbekannte Sanduhr kaum noch in Erscheinung trat und die Arbeit mit SAP so wesentlich flüssiger und entspannter wurde. Probleme mit Antwortzeiten sind seitdem nicht mehr aufgetreten.

Wie sah es aufseiten der IT-Verwaltung aus?

In der Systemadministration machte sich die bessere Performance bei allen administrativen Aufgaben ebenfalls stark bemerkbar wie etwa Backup oder Laden einer DB.

Und bei den Nutzern?

Die zweite Umstellung auf S/4 Hana hatte für den ERP-Anwender bezüglich der Benutzeroberfläche keine Umstellungen zur Folge, da das SAP-GUI unverändert im Einsatz war. Allerdings hatte SAP einige Prozesse im Detail optimiert und verlangte den Benutzern eine gewisse Anpassung ab. Mit Fiori kann die Benutzerschnittstelle weiter verbessert werden. Dazu sind wir bisher aber noch nicht gekommen.

Was hat sich sonst noch verändert?

Da die gesamte Lösungslandschaft weiterentwickelt wurde, ist es schwierig einzelne Dinge der Hana-Migration zuzuordnen. Diese Weiterentwicklung hätten wir aber ohne Hana sicher nicht durchführen können. Das Unternehmen und damit auch die Unternehmens-IT unterliegen einem ständigen Prozess der Weiterentwicklung. Die IT-Investitionen müssen so ausgerichtet werden, dass dieser kontinuierliche evolutionäre Prozess aufrechterhalten wird.

Wie zufrieden sind Sie mit dem neuen ERP?

S/4 Hana ist auch heute die Basis unserer Geschäftsprozesse, gewohnt zuverlässig und richtig agil. Vor allem fühlen wir uns für die Zukunft gerüstet.

Nutzen Sie das neue System On-Premise, als Cloud-Lösung oder hybrid?

Wir betreiben S/4 Hana derzeit noch On-Premise in unserem Datacenter, befinden uns aber in einem Prozess der Migration auf die Google Cloud Platform. Die stellt uns virtuelle Maschinen zur Verfügung, so dass wir S/4 Hana On-Premise nicht mehr in unserem Datacenter betreiben, sondern in der Cloud. Es handelt sich also um On-Premise Software, die von uns in der Cloud betrieben wird. Daneben haben wir auch die Google G-Suite als Public Cloud im Einsatz sowie eine Multi-Cloud-Umgebung, die mit Google Anthos gemanagt wird. Zusätzlich nutzen wir die SAP Cloud für die SAP-Cloud-Lösungen. Man nennt das wohl hybrid.

Was könnte besser laufen?

Ende gut, alles gut. Wir hätten natürlich besser vorbereitet sein können, wenn wir unsere IT-Prozesse besser gelebt hätten. Die Migration bringt da sämtliche Schwachstellen ans Licht. Zum Zeitpunkt unserer Migration befand sich aber auch SAP in der Strategiefindung und vieles war nicht so integriert und homogen wie wir es vom Hersteller gewohnt waren. Inzwischen steht die neue Strategie und der Integrationsprozess des neuen Gesamtportfolios ist angelaufen. Wir sehen der weiteren Entwicklung gelassen entgegen

Wie geht es nach der Implementierung weiter?

Wir haben schon parallel zur Migration auf S/4 Hana mit der Einführung der SAP-Cloud-Lösungen begonnen: Ariba, SuccessFactors, C/4 Hana und Leonardo IoT. Wir sind inzwischen voll auf Cloud-Kurs.

Was raten Sie Unternehmen, denen die Hana-Migration noch bevorsteht?

Eine Migration auf S/4 Hana betrifft die IT-Landschaft eines Unternehmens als Ganzes, da das ERP-System in der Regel im Zentrum der Landschaft steht. Ausgehend von der aktuellen Architektur sollte man sich über die zukünftige Ziel-Architektur im Klaren sein.

Wie lässt sich die bestehende IT-Landschaft umbauen?

Grundsätzlich wird zwischen dem Brownfield- und dem Greenfield-Ansatz unterschieden. Beim Brownfield-Ansatz wird die bestehende Systemlandschaft weiterentwickelt. Für unsere über Jahre aufgebaute zentrale Systemarchitektur mit den vielfältigen Vernetzungen war dies unsere Wahl. Ein Greenfield-Ansatz wird gewählt, wenn die Migration als Chance begriffen wird, die Systemlandschaft einmal grundlegend neu aufzubauen. Viele Experten plädieren für diesen radikalen Neuanfang, um einmal aller Altlasten ledig zu werden. In beiden Fällen muss die bestehende Systemlandschaft gründlich aufgeräumt werden. Es geht um die Ausrichtung der Unternehmens-IT auf das Cloud-Zeitalter.

Wie die Migration auf die neue ERP-Generation aus der Sicht des Herstellers SAP aussieht, erfahren Sie hier im Interview mit Hana-Chef Thomas Saueressig.

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