E-Voting im Alleingang

Post kauft E-Voting-System und erntet dafür Kritik

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Der spanische E-Voting-Anbieter Scytl hat Insolvenz angemeldet. Die Post kaufte sich zuvor die Rechte am Quellcode der Plattform – und will E-Voting in der Schweiz nun auf eigene Faust entwickeln.

(Source: brushpiquetr / iStock.com)
(Source: brushpiquetr / iStock.com)

Die spanische IT-Firma Scytl, die das E-Voting-System der Schweizerischen Post entwickelt hat, steht vor dem Konkurs. Das Unternehmen habe Schulden in Höhe von 75 Millionen Euro, berichtet die katalanische Tageszeitung "La Vanguardia". Nun muss die Schweizerische Post früher als geplant darüber informieren, dass sie im April die Rechte am Quellcode der E-Voting-Plattform von Scytl übernommen hat – dies berichtet die "Aargauer Zeitung".

Dass die Post weiterhin an ihren E-Voting-Plänen festhält, teilte sie bereits im vergangenen Sommer mit. Ein neues System mit universeller Verifizierbarkeit sollte noch dieses Jahr für den Versuchsbetrieb der Kantone bereit sein.

 

Neustart nach dem E-Voting-Desaster

Zuvor machte die Post vorläufig Schluss mit E-Voting. Im Frühjahr 2019 hatten Sicherheitsforscher im Rahmen eines öffentlichen Intusionstests gravierende Sicherheitslücken in der Software der Post entdeckt.

Nun will die Post das Projekt alleine weiterziehen – ohne ausländischen, aber wohl auch ohne Schweizer Partner, wie die "Aargauer Zeitung" schreibt. Zu diesem Zweck suche die Post mehr Know-how im Bereich der Kryptografie. Denkbar wäre etwa der Zukauf von Start-ups.

 

Post erntet Kritik

E-Voting-Kritiker tadeln die Post: Das System von Scytl sei nicht vertrauenswürdig, sagt Nicolas Rimoldi, Kampagnenleiter der Initiative "Ja zum E-Voting-Moratorium", gegenüber der "Aargauer Zeitung". "Die Post hat einen Schrotthaufen gekauft und reitet weiterhin ein totes Pferd." Beim Intrusionstest habe man kritische Systemfehler entdeckt; Stimmen liessen sich unbemerkt manipulieren.

Auch Erik Schönenberger, Geschäftsleiter der Digitalen Gesellschaft, äusserte sich gegenüber der "Aargauer Zeitung" kritisch. Mit dem Fall Scytl würden grundsätzliche Fragen stallen: "Wie kann man bei den Stimmbürgern das Vertrauen in ein E-Voting-System schaffen, dass sie auch ein sehr knappes Abstimmungsresultat akzeptieren?" Man rate zurzeit "sehr dringend" davon ab, E-Voting einzusetzen.

In einer Umfrage der "Netzwoche" äusserte sich keine einzige Schweizer Partei positiv zum Thema E-Voting. Die Forderung nach einem Moratorium unterstützen aber nicht alle. Bei der Frage, wie wichtig das Thema E-Voting ist, scheiden sich die Geister: Die FDP oder die Jungen Grünen halten das Thema für "überhaupt nicht wichtig" oder für lediglich "etwas wichtig". Auch die SVP stuft E-Voting in der Umfrage als "überhaupt nicht wichtig" ein. Dem widerspricht die Junge SVP, die das Thema als "äusserst wichtig" bewertet.

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