Fachbeitrag

Digital Onboarding: Gefragt ist Fingerspitzengefühl

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von Philipp Zimmermann, Head of Product Management Digital Banking bei Finnova

Viele Banken hadern mit der digitalen Customer Journey und verspielen Goodwill, schon bevor die Kundenbeziehung richtig begonnen hat. Komplizierte Prozesse, überladene Websites und hölzerne Kundenansprachen kommen schlecht an. Es geht aber auch anders.

Philipp Zimmermann, Head of Product Management Digital Banking bei Finnova (Source: Finnova)
Philipp Zimmermann, Head of Product Management Digital Banking bei Finnova (Source: Finnova)

Kunden oder solche, die es werden wollen, meiden in Zeiten von Corona den Gang in die Bankfiliale. Digitales Onboarding ist deswegen für Finanzinstitute noch wichtiger geworden. Aber digitales Onboarding ist tricky. Denn was im Front-End oft einfach aussieht, ist im Hintergrund eine Ansammlung komplexer Prozesse, die unter anderem Identität (Know your Client, KYC), Kundenstatus (US-Person), Sicherheitsaspekte (starkes Passwort) und Compliance (AML, CFT) sicherstellen müssen.

Der digitale Onboarding-Prozess ist für Bankkunden nicht immer angenehm, wie Studien und Umfragen zeigen. Denn die Bank will (KYC) und muss (Compliance) viel wissen. Schon Kleinigkeiten können im Prozess als mühsam empfunden werden und Frust aus­lösen, wie etwa wenn der Upload eines Fotos oder eines Ausweisdokuments nicht oder nicht auf Anhieb funktioniert.

Dennoch ist der Onboarding-Prozess, ob physisch oder digital, ein Schlüsselmoment zu Beginn einer Beziehung zwischen Bank und Kunde. Zwingend sollte er die sogenannten "Basismerkmale" (siehe Kano-Modell der Kundenzufriedenheit) erfüllen. Fehlen diese Basismerkmale, entsteht Unzufriedenheit; werden sie erfüllt, entsteht hingegen keine Zufriedenheit. Zum Vergleich: Fehlt etwa in einem Hotelzimmer das Bett, führt das beim Hotelgast zu Verwirrung und Unzufriedenheit. Ist das Bett wie erwartet vorhanden, denkt der Gast aber nicht: "Wow, ein Bett!" Ist das Bett hingegen besonders gross, etwa ein King-Size-Bett, freut man sich als Gast und denkt vielleicht: "Fantastisch, ein grosses Bett!" Dieser Umstand führt in diesem Fall zu einer Steigerung der Kundenzufriedenheit. Diese steigt übrigens laut Kano-Modell linear mit der Anzahl an Leistungsmerkmalen.

In der Königsdisziplin der Kundenzufriedenheit spielen zu können, erfordert vom Unternehmen, jene Merkmale von Kunden zu kennen, die wirklich überraschen und begeistern können. Nur diese Merkmale führen zu einer aussergewöhn­lichen Kundenerfahrung. Dabei geht es im Wesentlichen darum, die Kunden mit individuellen Aktivitäten zu erfreuen, die im üblichen Businesskontext überraschen. Idealerweise sind die Kunden so beeindruckt, dass sie ihre Erfahrung mit anderen teilen möchten. Voraussetzung dafür ist, dass ein Unternehmen beziehungsweise die Bank für ihre Kunden die berühmte Extrameile geht.

Sind Begeisterungsmerkmale zusätzlich zu den Basis- und Leistungsmerkmalen vorhanden, führen sie zu überproportionaler Kundenzufriedenheit. Leistungsmerkmale und Begeisterungsmerkmale sorgen dann nicht nur für zufriedene oder sogar begeisterte Kunden, sondern auch für Folgeaufträge, Empfehlungen, positive Bewertungen etc.

Was bedeutet das nun fürs Onboarding und insbesondere für das digitale Onboarding? Mit dem Onboarding-Prozess allein dürfte es schwierig werden, Kunden zu begeistern, wird doch der Prozess als ein "notwendiges Übel" zu Beginn der Kundenbeziehung angesehen. Er muss aber zwingend die Basismerkmale erfüllen, weshalb er möglichst reibungslos und rasch zu funktionieren hat.

Der Benchmark führender Anbieter digitaler Onboarding-Prozesse liegt derzeit bei rund 5 Minuten. Abgesehen von einem reibungslosen Onboarding wünscht sich die moderne Bank­klientel jederzeit mit der Bank in Kontakt treten und Bankdienstleistungen über elektronische Kanäle selbstständig anstossen oder beziehen zu können. Führende Softwareschmieden bieten Kundenportale mit integriertem Onboarding-Prozess bereits im Standardpaket an, inklusive ergänzender Funktionen wie Online-Terminvereinbarung, diverser Rechner, personalisierter Ansprache des Kunden und Unterbreitung weiterer Angebote.

Onboarding als isolierter Prozess wird wohl nicht über "Sein oder Nichtsein" einer Bank entscheiden, so "fancy" der Prozess auch sein mag. Denn das Onboarding markiert lediglich den offiziellen Beginn der Kundenbeziehung und ist einer von vielen Touchpoints im Rahmen der Customer Journey eines Bankkunden. Nach dem Prozess der Kundengewinnung folgt jener der Kundenbindung: Bankaktivitäten also, die auf Service, Kundentreue und Weiterempfehlungen ausgerichtet sind. Diese Aktivitäten sind es, die den Kunden rentabel machen.

Die Gewinnung potenzieller Kunden erfolgt unter anderem über passende Inhalte, die latente Bedürfnisse und entsprechende Problemstellungen in bestimmten Lebenslagen adressieren. Etwa: "Ich will ein Haus kaufen und benötige eine Hypothek." "Ich brauche ein neues Auto und will es leasen." Ich muss fürs Alter vorsorgen und will dafür Geld anlegen."

Viele moderne Customer Journeys beginnen nicht mit einem Anruf bei einer Bank, sondern mit einer Onlinesuche bei Google. Es gilt also, die Customer Journey so zu gestalten, dass der Funnel, in den sich der potenzielle Kunde durch die Suche begibt, früher oder später beim physischen oder digitalen Onboarding der Bank endet, ohne beim Kunden irgendwelche Unzufriedenheiten ausgelöst zu haben. Das gelingt aber nur, wenn sämtliche Kunden-Touchpoints auf die Bedürfnisse und Anliegen der Kunden ausgerichtet werden, um sogenannte Micro-Conversions, also jene von Touchpoint zu Touchpoint, zu ermöglichen, die dann in Macro-Conversions, also etwa im Abschluss eines Kontovertrags münden. Damit nicht genug: Auch danach will sich der Kunde von der Bank ernst genommen, kompetent beraten, gut aufgehoben etc. fühlen.

Und das zahlt sich für die Bank aus. So zeigen Studien, dass es einfacher und günstiger ist, einen bestehenden Kunden durch Up- und Crossselling weiterzuentwickeln und an das Unternehmen zu binden, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Letzteres kostet laut einer Studie von White House Office of Consumer Affairs sechs- bis siebenmal mehr, als einen bestehenden Kunden zu halten. Zudem steigert die Erhöhung der Kundenbindungsrate um 10 den Wert eines Unternehmens um 30 Prozent wie Bain & Co. herausfand.

Das digitale Onboarding ist ein unverzichtbarer Bestandteil der heutigen Customer Journey eines Bankkunden. Es gehört zu den Basismerkmalen jeder modernen Bankbeziehung. Ist das Onboarding mangelhaft, dann nervt das; funktioniert es gut, fällt es aber nicht auf. Trotzdem: Auch ein noch so cooles Onboarding stellt kein Differenzierungsmerkmal dar. Gleichwohl ist die Komplexität, die hinter einem digitalen Onboarding-Prozess steckt, insbesondere rund um Compliance-Themen, nicht zu unterschätzen, und nicht wenige Banken kämpfen mit Usability-Problemen. Warum also nicht outsourcen? Es könnte sich lohnen, das digitale Onboarding als permanent weiterentwickelten und optimierten Teil einer orchestrierten Gesamtlösung zu beziehen. Bei Finnova gibt es das!

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