Asut Lunch Forum

Wie KI und RPA die Gesundheitsbranche unterstützen – oder unterstützen könnten

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von René Jaun und pbe

Joachim Steinwendner hat am 65. Asut Lunch Forum beispielhaft gezeigt, wie die Gesundheitsbranche von neuen Technologien profitiert. Dass die Potenziale von KI, RPA und Co. oft nicht ausgeschöpft werden, liegt auch an der Komplexität der Branche.

(Source: DIA / Fotolia.com)
(Source: DIA / Fotolia.com)

Über die Videokonferenzlösung Zoom – und ohne Mittagessen - ist am 11. Dezember das 65. Asut Lunch Forum über die Bühne gegangen. Als Referent war Joachim Steinwendner geladen, der derzeit am Laboratory for Web Science der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) tätig ist. Sein Vortrag stand unter dem Titel "Digitalisierung im Gesundheitswesen – von KI bis RPA". Etwas reisserisch, wie er zu Beginn seiner Ausführungen darlegte, denn es sei ein Ding der Unmöglichkeit, in der ihm zur Verfügung stehenden Zeit das Thema wirklich umfänglich zu präsentieren.

Seine Erfahrungen sammelte Steinwendner unter anderem am Uniklinikum Salzburg. Die damals populäre Fernsehserie "Emergency Room" habe ihn inspiriert, in den medizinischen Bereich zu wechseln – "for all the wrong reasons”, kommentierte er. Während 10 Jahren sei er dort quasi als "Missing Link" zwischen der IT-Abteilung und der Medizintechnik beschäftigt gewesen. Über das Universitätsspital Zürich landete er schliesslich an der FFHS.

Weniger manuelles Ausfüllen und mehr Roboter

Mit einem Ausschnitt aus dem Science-Fiction-Film "Elysium" stieg Steinwendner ins Thema ein. Doch während in der Filmszene etwa Diagnosen ausschliesslich von Maschinen gestellt und Menschen nur noch zur Pflege von Patienten eingesetzt werden, bestehe die Digitalisierung in der Realität oft aus kleinen Projekten, so der Referent.

Viel zu oft arbeiten Spitäler – auch hoch technische Notfallabteilungen – noch mit Papierdokumenten. Beispielhaft zeigte er etwa, wie die Spritzen auf einer Intensivstation noch von Hand beschriftet werden. Die notierten Informationen seien fehleranfällig, häufig nicht vollständig, manchmal auch einfach unleserlich.

Dabei gäbe es eigentlich einen ISO-Standard, der die Medikamentenbeschriftung genau definiert, so Steinwendner. Im Rahmen des Projektes werden die Etiketten für die Spritzen nun digital erstellt und dann ausgedruckt. Die Software stellt sicher, dass alle benötigten Informationen entsprechend dem ISO-Standard auf das Label kommen. In erster Linie reduziere dieses Vorgehen negative Vorkommnisse mit Patienten, etwa aufgrund verwechselter oder falsch dosierter Medikamente.

Noch mehr Entlastung für Angestellte bieten RPA-Technologien, also Software-Roboter. Gemäss Steinwendner helfen sie unter anderem dabei, die Lücken zwischen nicht kompatiblen medizinischen Schnittstellen zu schliessen. Ohne RPA-Lösung komme es oft vor, dass Menschen manuell Informationen vom einen ins andere System übertragen müssen. Auch hier gelte: das händische Eintragen sei fehlerbehaftet und koste Zeit. Das Kompatibel-machen der verschiedenen Systeme sei zwar wünschenswert, gestalte sich aber meist mühsam, berichtete er aus seiner Erfahrung.

KI wird immer mächtiger, zumindest in Teilbereichen

Ganz aktuell verwies der Referent auf Gesundheitseinrichtungen, die mittels RPA die Daten aus einem Coronabericht extrahierten und in die entsprechenden Datenbanken eintragen. Anhand dieses Beispiels könne man auch gut sehen, wie RPA mit künstlicher Intelligenz (KI) kombiniert werde, so Steinwendner weiter. Denn dank Optischer Zeichenerkennung (OCR) könne ein Softwareroboter zwar etwa die Kreuze auf einem gescannten Bericht zuverlässig erkennen. Doch schon bei den Datumsangaben, die in diversen Formaten vorhanden sein können, komme KI ins Spiel, die die unterschiedlichen Formate korrekt interpretiere. Wie RPA sonst noch hilft, die Pandemie zu bewältigen, lesen Sie hier.

Viele Forschungsprojekte bewegen sich im Bereich der so genannten "Narrow Artificial Intelligence", in Deutsch oft auch als "schwache KI" bezeichnet. Ein irreführender Begriff, findet der Referent, zumal diese KI sehr mächtig sein könne, wenn auch in eng gesteckten Bereichen.

Besonders faszinierend sind die Projekte in den Bereichen Deep Learning und Machine Learning. Im Wesentlichen gehe es hier darum, dass eine Fachperson die Maschine mit Eingangs- und Ausgangsdaten versorgt. Die Aufgabe der KI sei es dann, die Regeln zu definieren, um selbständig von der Eingangs auf die Ausgangswerte schliessen zu können. "Das funktioniert überraschend gut", so Steinwendner.

Als Beispiel nannte der Redner eine KI, die diabetische Schäden in der Netzhaut feststellt. Die Diagnosen könne die Maschine ähnlich zuverlässig stellen wie ein Augenarzt, so Steinwendner. Doch später habe sich gezeigt, dass KI auch andere Aspekte aus dem Bild der Netzhaut ableiten könne, wie etwa Alter, Geschlecht oder Rauchergewohnheiten eines Patienten.

KI könne auch andere Aspekte aus der Netzhaut ableiten. (Source: FFHS)

Inkompatible Systeme und weitere Stolpersteine

Doch viele der Projekte, die Steinwendner vorstelllte, finden ihren Weg vom Labor in die Praxis – in Englisch auch als "Bench-To-Bedside" nur beschwerlich. Die Gründe dafür sind vielfältig, wie sich während des Vortrags und in der abschliessenden Diskussion zeigte.

Auf technologischer Seite ist die Forschung in vielen Bereichen schlicht noch nicht ausgereift für die Praxis, darunter die "General Artificial Intelligence", die der menschlichen Intelligenz viel breiter die Stirn bieten sollte. Diese brauche wohl noch ein paar Jahrzehnte, so der Vortragende.

Wie künstliche Intelligenz im medizinischen Bereich Expertenwissen potenziert, lesen Sie im Fachbeitrag von Indema-Partnerin Anna Hitz.

Grundsätzlich kommen neue Technologien heutzutage im Markt für Consumer Electronics eher an als im für Spitäler relevanten Producer-Electronics-Markt. Der CE-Markt sei ungleich grösser und rentiere sich entsprechend mehr, erklärte Steinwendner den Unterschied.

Gefragt, warum sich so manche Digitalisierungsprojekte an einem Spital nicht öfter skalieren lassen, verwies der Referent gleich auf mehrere Umstände. So seien viele Krankenhäuser unterschiedlich organisiert – in Finnland sei das Gesundheitssystem anders aufgebaut als in der Schweiz.

Ein weiterer Stolperstein stellen regulatorische Bedingungen dar: Ein einmal entwickeltes System müsse teuer und dauerhaft zertifiziert werden. Entsprechend gestalten sich die Ausschreibungsverfahren langwierig. Kleine Player hätten dabei kaum Chancen, erläuterte der Referent.

Die digitale Transformation ist Leistungserbringern der Schweizer Gesundheitsbranche zwar wichtig - bei der Umsetzung stossen sie jedoch auf zahlreiche Hindernisse, wie eine Studie von KPMG zeigt. Ein Corona-bedingtes Umdenken sorgt nun für eine Beschleunigung der Transformation.

Lesen Sie auch einen Fachbeitrag von Martina Perani und Joachim Steinwendner über Chancen und Herausforderungen von KI im Schweizer Gesundheitswesen.

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