So wurde "myLivit" zum Master of Swiss Apps
Mit "myLivit" holt zum ersten Mal eine Progressive Web App (PWA) den Master-Titel bei den Best of Swiss Apps Awards. Im Interview erläutern Marco Hauri, Cuno Sieber, Sven Weber und Roman Zollet von Namics, warum sie "myLivit" als PWA umgesetzt haben und was sie dabei herausforderte.
Herzliche Gratulation zum Gewinn des Master of Swiss Apps 2020! Was bedeutet der Award für Namics?
Roman Zollet: Wir sind sehr stolz darauf, dass die Arbeit für unseren und mit unserem Kunden Anerkennung erhält. Vor allem ist es ein grosses Kompliment an das Team von Livit und Namics, besonders da knapp 80 Prozent des Projekts statt in einem gemeinsamen Projektraum vollständig aus dem Homeoffice heraus erfolgte. Das machte die Zusammenarbeit teilweise schwieriger und auch anstrengend – aber es hat sich gelohnt und das freut uns sehr.
Sie haben "myLivit" als Progressive Web App (PWA) und nicht als Native App entwickelt. Warum?
Marco Hauri: Mieter kontaktieren Livit durchschnittlich viermal im Jahr, was den Download einer App nicht rechtfertigt. Die PWA ermöglicht den schnellen Zugriff auf die digitalen Services von Livit über einen normalen Browser – ob nun am Mobile Device oder am Desktop. Dabei kann die PWA auch auf mobilen Endgeräten "gepinnt" werden und so ein App-Feeling erzeugen.
Cuno Sieber: Zusätzlich ist eine saubere, API-basierte PWA zukunftssicher. Der Einsatz von Frameworks wie beispielsweise Ionic ermöglicht eine Portierung auf die mobilen Betriebssysteme iOS und Android mit nur einer Code-Basis. Steigt mit wachsendem Funktionsumfang der Bedarf nach einer nativen App, kann diese entsprechend effizient reagieren und mit modernen Webtechnologien native Funktionalität gewährleisten.
Hauri: Wir sind sehr stolz darauf, dass mit "myLivit" das erste Mal in der Historie der Best of Swiss Apps Awards eine PWA den Master gewonnen hat. Damit setzen wir ein wegweisendes Statement, dass PWAs nicht nur mit nativen Apps mithalten können, sondern im richtigen Kontext auch die bessere Lösung sind.
Bringt die Entwicklung einer PWA im Vergleich zu einer nativen App auch Nachteile mit sich?
Sieber: Jede Technologie bringt Vor- und Nachteile mit sich. Bei einer PWA sind zum Beispiel keine oder nur eingeschränkte Push Notifications möglich und die Performance ist häufig nicht vergleichbar mit einer nativen App. Zudem erlauben PWAs keinen Zugriff auf native Funktionalitäten wie den Kalender oder das Adressbuch und sind nicht im App Store vertreten. Generell gilt es immer aus dem Kontext heraus zu entscheiden, welches die passende App ist.
Auf welches Feature in "myLivit" sind Sie besonders stolz?
Hauri: Ausser auf den digitalen Vertragsabschluss, der so einfach wie ein Handschlag ist, sind wir besonders stolz auf die tiefe Integration in die Systeme und reale Arbeitsumgebung der Livit. Auf diese Weise konnten wir ein Portal schaffen, das ganze Prozesse abbildet, statt diese nur anzustossen, und somit wirklichen Wert für alle Nutzergruppen liefert. Wir freuen uns daher nicht nur über den Master, sondern besonders auch über die Kombination der beiden Gold-Auszeichnungen in Design und Mobile Web. Wir sehen darin das Resultat einer herausragenden Teamleistung, die es ermöglichte, vom Back-End bis zum einzelnen Pixel im UI eine exzellente Lösung zu erarbeiten.
Abgesehen vom finanziellen Aspekt – was hat Sie am Projekt gereizt?
Zollet: Sehr reizvoll an einem solchen Projekt ist die Arbeit mit und für den Endkunden. Denn ein Produkt hat für unseren Kunden nur dann echten Erfolg, wenn es nicht nur die Businessziele erreicht, sondern den Endkunden vor allem auch einen tatsächlichen Mehrwert bietet. Dies für das Ökosystem "Mieten & Wohnen" umzusetzen und dabei viele Schnittstellen und Anspruchsgruppen zu bedienen, hat uns sehr gereizt.
Wie haben Sie sich bei der Auftragsvergabe gegen die Mitbewerber durchgesetzt?
Zollet: In einem ersten Chemistry Meeting konnten wir uns mit unserem Leistungsportfolio und den passenden Referenzprojekten gegen zwei Mitbewerber durchsetzen. In der anschliessenden Präsentation zum Make-or-Buy-Entscheid war unser erprobtes, strukturiertes und auf Kollaboration ausgelegtes Vorgehen zusammen mit dem partnerschaftlichen Ansatz letztlich ausschlaggebend dafür, um uns gegen einen Produkthersteller durchzusetzen.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Livit?
Sven Weber: Die Zusammenarbeit lief ausgezeichnet und war von Anfang an von Vertrauen geprägt. Ein interdisziplinäres Team aus Namics- und Livit-Mitarbeitern startete im Januar mit dem Grobkonzept auf Basis der zuvor erstellten Vision und Roadmap. Parallel dazu setzten wir die Entwicklungsumgebung auf, um nach dem Grobkonzept und ersten, einfachen Designentwürfen direkt mit der Entwicklung zu beginnen. Wir waren bereits in den ersten Entwicklungs-Sprints, als der Lockdown kam und wir komplett auf Remote-Arbeit wechselten. Zu diesem Zeitpunkt waren wir bereits ein eingespieltes Team und konnten sehr gut die Performance und den Spirit aufrechterhalten.
Wie sahen die einzelnen Schritte der Entwicklung aus?
Weber: Namics und Livit haben "myLivit" gemeinsam von der Produktstrategie über die Konzeption und Umsetzung bis zum Go-Live realisiert. Dabei orientierten wir uns am hauseigenen "Innovation Design Model". Ein Vorgehen, das wir eigens für die digitale Produkt- und Serviceentwicklung erarbeitet haben und das sich an drei grundlegenden Prinzipien orientiert: Co-Creation, Research Driven, Goal-Oriented. Diese Prinzipien finden ihre Anwendung über alle Projektphasen in einem strukturierten und effizienten, methodisch ineinandergreifenden Vorgehensmodell. Dieses half uns dabei, sehr schnell Fahrt aufzunehmen und den sogenannten "Sweet Spot" von Nutzerbedürfnissen, Technologie- und Businessperspektive zu validieren.
Was waren die grössten technischen Herausforderungen?
Sieber: Die technische Realisierung von Konzept und Design wie etwa das Conversational User Interface, der digitale Vertragsabschluss oder die Integration der verschiedenen Systeme stellten eine der Herausforderungen dar. Zudem entwickelten wir parallel zum "myLivit"-Mieterportal die bestehende Salesforce-Lösung weiter. Das bedeutete auch, dass unsere neue Lösung mit all ihren Anforderungen auf ein bereits laufendes System aufbauen und mit dessen Einschränkungen umgehen muss. Unser Ziel war es daher, eine entkoppelte und flexibel erweiterbare Architektur für ein zukunftssicheres Produkt zu schaffen, das künftigen Anforderungen gerecht wird.
Wie sind Sie diesen Herausforderungen begegnet?
Sieber: Den Schlüssel zum Erfolg bildete vor allem das Team: einerseits die gute, ehrliche und vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Namics und Livit und andererseits die enge und interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Konzept, Design, Business, Legal und IT. Das erlaubte uns effiziente Abstimmungen und schnelle Entscheidungen. Wir konnten die einzelnen Sprints sorgfältig planen und Abhängigkeiten rechtzeitig auflösen.
Wie haben Sie die App im Alltagsbetrieb getestet?
Hauri: Wir waren und sind der festen Überzeugung, dass sich Entscheide in einem agilen Projekt nicht nach Meinungen richten, sondern auf Fakten gründen und sich an Zielen orientieren sollten. Ebenfalls sollte ein digitales Produkt nicht erst im laufenden Betrieb getestet werden, um über Erfolg oder Misserfolg entscheiden zu können. Entwicklungsstände und Entscheidungen müssen iterativ während der gesamten Produktentwicklung validiert werden. Deshalb haben wir jede Projektphase regelmässig aus Business- und Nutzerperspektive überprüft. User Research war quasi unser ständiger Begleiter: Von der Gestaltung der Vision, der Priorisierung von Backlogs, der Validierung von Prozessen und Customer Journey bis hin zu Businesstests der Prozesse haben wir nichts dem Zufall überlassen. Um das Ganze abzurunden, setzten wir beim Rollout auf ein schrittweises Vorgehen: beginnend mit der Closed-User-Group aus Friends & Family bauten wir die Nutzerbasis stetig aus?