Wild Card

Fertig Prinzessin!

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von Milena Thalmann, Gründerin, White Rabbit Communications

Die Forderung nach Chancengleichheit setzt Ungleichheit voraus. Doch wo liegt die Wurzel des Problems? Und wie kann man möglichst alle in eine mögliche Lösung einbeziehen? Eine Kolumne über Unterschiede, Gleichheit und Gerechtigkeit.

Milena Thalmann, Gründerin, White Rabbit Communications. (Source: zVg)
Milena Thalmann, Gründerin, White Rabbit Communications. (Source: zVg)

Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass es jemanden gibt, der hier den Kopf schüttelt und sagt: "Nein, so soll das nicht sein":

• Frauen gehören in die Arbeitswelt.

• Frauen gehören ins Management.

• Frauen gehören in die Geschäftsführung.

• Frauen gehören in die Verwaltungsräte.

Ich habe selten so viel Einigkeit bei einem Thema erlebt. Doch die Realität ist weit davon entfernt. Es gibt keine Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern und die Rede von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist mehr Wunschdenken als Tatsache. Die Gesellschaft hat sich dafür ein paar Buzzwords zurechtgelegt. Angefangen beim Gender-Gap (das Problem), über Equality (das politisch korrekte Ziel) bis hin zu Unconscious Bias (die Entschuldigung). Wir stehen mitten in einem gesellschaftlichen Wandel und müssen deshalb lernen, umzudenken. Dabei müssen sich alle in die Pflicht nehmen: Männer wie Frauen, Familien wie Kinderlose, Eltern wie Pädagogen, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer – nicht zu vergessen: die Medien. Denn nur wenn alle mitmachen, können wir den Wandel schaffen.

Der Anfang: "Equal" doesn’t mean "identical"

Der Fakt, dass mein Papa mir lieber Pippi Langstrumpf als Schneewittchen vorgelesen hat, spielt auf meiner eigenen Reise rund um das Thema Gleichstellung sicherlich eine grosse Rolle. Auch, dass es bei uns zuhause keinen Unterschied gab zwischen Mädchen-Spielsachen und denen meines grossen Bruders. Wir standen nebeneinander in der Holzwerkstatt oder spielten mit Barbie Traumschiff. Daher war mein Problembewusstsein auch recht gering, als ich in die Arbeitswelt einstieg. Mir war klar, alle sind gleich – alle haben die gleichen Chancen. Doch mit jedem Jahr, mit jedem neuen Arbeitsumfeld wurde dieses Bild mehr und mehr zerstört. Es begegneten mir die üblichen Skeptiker, Traditionen und Schubladen.

Folglich gewöhnte ich mir einfach an, dass ich als Frau etwas mehr kämpfen musste, um an meine Ziele zu kommen. Mein erster und grösster Fehler. Weitere sollten folgen. Viel zu spät sollte ich verstehen, dass es meine Rolle gewesen wäre, für die Normalität, die ich als Kind erfahren habe, als Erwachsene einzustehen. Erst, als ich selbst meine erste Tochter bekam, trat dieses Bewusstsein ein.

Und dann stiess ich auf dieses Zitat von Andy Obuoforibo auf Twitter: "Saying women and men are equal doesn't mean one is saying men and women have no differences. It simply means those differences should not translate to different levels of access to benefits and opportunities in society."

Die Einfachheit dieses Zitats macht es so wunderbar: Unterschiede als Voraussetzung, um Gleichheit zu schaffen. Ich setzte mich in den folgenden Monaten intensiv mit der Beobachtung auseinander und entdeckte eine grosse Frage: Wie realistisch ist es, Gleichberechtigung (oder Gleichheit) zu schaffen – oder wären wir besser damit bedient, Gerechtigkeit zu schaffen? Beim Blick in den Spiegel wird uns allen klar, wir werden nie "gleich" sein – aber wir können für einen gerechten Zugang zu den gleichen, situativ angemessenen Bedingungen einstehen.

Wir brauchen einen Reset-Knopf für alle. Einen, der es uns erlaubt, das Thema ohne Frust, Ängste oder Wettkampf anzupacken. Wir brauchen echte Unternehmen, die gleiche Bedingungen leben und keine Stelleninserate, die schreien: "Es ist uns egal, ob du Mann oder Frau bist." Wir brauchen eine neue Generation.

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