Swiss Payment Forum 2021

Vom Durchstarten, Warnen und Scheitern

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von René Jaun und san

Sofortige Zahlungen, digitale Währungen, Social Shopping – am diesjährigen Swiss Payment Forum hat es an trendigen Themen nicht gemangelt. Viele Vorträge machten Mut zu mehr Innovation. Und die Keynote erinnerte daran, dass man dabei nicht immer erfolgreich sein muss.

Daniel Eckstein, CEO von Abrantix, spricht über Testroboter und Megatrends. (Source: Mike Hoehn, die-eventfotografen.de)
Daniel Eckstein, CEO von Abrantix, spricht über Testroboter und Megatrends. (Source: Mike Hoehn, die-eventfotografen.de)

Am 15. und 16. November ist im Zürcher Marriott Hotel das diesjährige Swiss Payment Forum über die Bühne gegangen. Knapp 200 Expertinnen und Experten aus der Finanz- und Tech-Welt nahmen gemäss Veranstalterin Vereon daran teil, vor Ort oder via Livestream.

Mit einem Blick zurück starteten Nicole von Mulert, Event Director Payment & Banking bei Vereon und Sandro Graf, Leiter des Swiss Payment Research Center, der den Anlass moderierte, ins Vortragsprogramm: Der Bitcoin sei vor 10 Jahren noch um die 100 US-Dollar wert gewesen, Ende Jahr aber auf 5 Dollar abgesackt. Und am Swiss Payment Forum selber wurden Kreditkarten noch mit einem analogen "Ritsch-Ratsch-Gerät" erfasst. Dann kam Graf auf die neuesten Entwicklungen zu sprechen. Laut dem im März vorgestellten Swiss Payment Monitor habe die Debitkarte das Bargeld nicht nur in der Transaktionssumme, sondern erstmals auch in der Anzahl der Transaktionen selbst überholt. Mobile Bezahllösungen wüchsen zwar stark, seien aber "noch immer auf beschaulichem Niveau". Hier finden Sie weitere Erkenntnisse aus dem Swiss Payment Monitor.

Megatrends und Testroboter

Einen Überblick über die heissen Themen der Payment-Branche verschaffte Christian Baumann, Global Head Digitalization & Innovation bei Worldline. Einer der Megatrends ist laut Baumann die Plattformisierung. Zum Thema gehören nicht nur Clouds, sondern auch Programmschnittstellen (APIs). Allerdings werde in diesem Bereich noch immer mehr gesprochen als getan, sagte Baumann, und plädierte für einen "Mindset shift". Auch künstliche Intelligenz (KI) bezeichnete er als Megatrend und kommentierte: "AI ist nicht mehr der Big Brother, vor dem alle zittern". Bezüglich des Trends zum "Seamless Experience" befand er, es sei wichtig, die Technologie in den Hintergrund zu rücken, denn: "In einer nahtlosen Nutzererfahrung will der Kunde nicht Technologie bedienen."

Einen Blick hinter die nahtlose Kundenerfahrung gewährte Daniel Eckstein, CEO von Abrantix. Sein Unternehmen testet unter anderem Payment Terminals, bevor diese in Verkaufsstellen installiert werden. Aufgrund der zahlreichen vorgeschriebenen Tests könne man diese Aufgabe heute kaum mehr manuell bewältigen. Abrantix entwickelte darum spezielle Testroboter, die diese Aufgabe übernehmen: Die Maschinen führen Kreditkarten in die Terminals, geben PIN-Codes ein, können aber auch das kontaktlose Bezahlen per Handy simulieren.

Der Testroboter von Abrantix. (Source: zVg)

Gefragt nach einer Erkenntnis, die aus seiner Erfahrung heraus sticht, beschrieb Eckstein einen relativ simplen Test: "Nehmen Sie ein Terminal, und machen Sie 5000 einfache Visa-Transaktionen nacheinander." Dies habe noch nie ein Terminal überlebt, und sein Unternehmen habe auf diese Weise schon zahlreiche Fehler finden und beheben können.

Instant Payment bis 2024

Viele der Referierenden dieses Swiss Payment Forums standen auch schon bei vergangenen Ausgaben auf der Bühne. Netcetera-Fellow Thomas Fromherz zum Beispiel, der vergangenes Jahr die NFC-Technologie vorstellte, stellte dieses Jahr dem Publikum die wichtigsten Begriffe und Konzepte im Bereich digitaler Währungen vor – "Genug Schlagwörter für ein richtiges Bullshit-Bingo", kommentierte er nach einer ersten Kurzübersicht. Im folgenden ordnete er die neuen Begriffe den traditionellen Herausgebern zu: Demnach seien die digitalen Währungen von Zentralbanken (CBDCs) mit Bargeld vergleichbar, so genannte Stablecoins entsprechen dem Buchgeld der Privatbanken, und Kryptowährungen wie der Bitcoin fallen in die Kategorie der Rohstoffe, wie etwa Gold. Im Interview erklärt Fromherz weitere Begriffe.

Digitale Währungen waren auch Thema des Referats von Andréa Maechler, Leiterin des Departements Finanzmärkte, Operatives Bankgeschäft und Informatik bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Die Institution interessiere sich stark für Plattformen auf Basis der Distributed Ledger Technologie (DLT). Sollten sich diese Plattformen skalieren lassen, könnten sie den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr besser und günstiger machen. Noch wichtiger sei jedoch die Einführung von Instant Payments. Bis 2024 sollen Schweizer Banken dafür bereit sein.

Auch Fabian Meyer, Schweizer Managing Director von Core, wies – durchaus nicht zum ersten Mal – auf den Trend zu Instant Payment hin. Es liege an den Playern im Markt, ihre Systeme dafür vorzubereiten, damit wiederum neue Use Cases möglich werden können.

Twint als Dauergast

Markus Kilb, CEO des Fintechs Twint, präsentierte aktuelle Zahlen seines Unternehmens: Mehr als 20 Millionen monatliche Transaktionen laufen aktuell über die App, die laut einer Mitteilung mittlerweile 4 Millionen Nutzerinnen und Nutzer zählt. Einen Wachstumseinbruch habe es einzig zu Beginn der Pandemie gegeben, als vom einen Tag auf den Anderen die meisten Transaktionen der SBB – laut Kilb eine der Top-Twint-Kundinnen – weggefallen waren.

Aktuell sei Twint oft noch "der Endpunkt der Customer Journey". Das wolle er ändern, erklärte Kilb. Sein Unternehmen plane darum, den "Marktplatz" weiter auszubauen. Dort finden Nutzerinnen und Nutzer aktuell etwa die Möglichkeit, fürs Parken zu bezahlen oder digitale Gutscheine zu kaufen. Neu hat der Dienst eine Rubrik mit "super Deals" eingeführt.

Immer wieder wurde Twint im Verlauf des Swiss Payment Forums erwähnt. Das Publikum erfuhr etwa, wie der Glücksspielanbieter Mycasino oder das Transportunternehmen Uber den Dienst integrierten. Eine Person aus dem Publikum, die eine Frage stellte, sprach in der Folge kritisch von der "Twint-Veranstaltung".

Insta-Sprüche-Overkill

Über den neuen Trend des Social Shopping sprach Björn Erbslöh, Business Director von Suxeedo. In ersten Märkten können Kundinnen und Kunden Produkte jetzt schon direkt in Facebook oder Instagram bestellen und bezahlen, erklärte er. Für Händler biete sich so die Möglichkeit, neue Marktsegmente zu erschliessen oder – etwa mit limitierten Auflagen – auch einmal neue Produkte zu testen.

Auch viele andere Referate machten den Anwesenden Mut zu Innovation. Warum diese manchmal schwer fällt, drückte Reto Schläpfer aus. Der CTO von Digitalparking sprach über seine praktischen Erfahrungen mit Zahlungsmitteln. Besonders schlecht weg kamen dabei Kreditkartenanbieter. Diese seien aktuell schlicht nicht für Micro-Payments ausgerichtet, monierte er. Die User Experience sei nicht optimal, Transaktionsgebühren zu hoch und Verhandlungen mit Anbietern gestalten sich mühsam und schwierig. "Wenn Sie sich nicht bewegen, werden die Karten im Zahlungsbereich keine Rolle mehr spielen", warnte er. In der anschliessenden Fragerunde wurden seine Worte wiederholt aufgegriffen. "Der Diskussionsbedarf ist ja mächtig gestiegen", urteilte Moderator Graf zum Schluss.

Einen bleibenden Eindruck hinterliess auch die Keynote von Comedian Timo Wopp. Er habe "keine Ahnung, von dem, was hier besprochen wird", gab er unumwunden zu. In der Folge ermutigte er die Anwesenden "Ihr Leben zu entschleunigen – und zwar schnell." Und dann legte er los: Während mehrerer Minuten feuerte er eine Salbe von dem ab, was der schreibende Redaktor gern als Instagram-Weisheiten abkanzelt: "Amateure haben die Arche gebaut, Profis die Titanic", "Wer den Kopf hängen lässt, sieht weniger", "Wenn ihr euch nicht verändert, ist euer Zug abgefahren"… Und indem er diese Sprüche einen nach dem anderen ins Publikum ballerte, führte er sie auf wunderbare Weise ad Absurdum.

Derweil war Wopp auf der Bühne nicht untätig, sondern jonglierte mit bis zu drei Bowlingkugeln gleichzeitig. Manchmal müsse bei der Digitalisierung eine Sache gross geschrieben werden, kam er schliesslich zum Punkt: "In Würde scheitern." In dem Zusammenhang erinnerte er an den Tennisspieler Vitus Gerulaitis, der 16 Mal gegen die damalige Nummer 1, Jimmy Connors, verloren hatte. Als er schliesslich gewann, sagte er an der Medienkonferenz: "“And let that be a lesson to you all. No one beats Vitas Gerulaitis 17 times in a row."

Comedian Timo Wopp jongliert mit drei Bowlingkugeln. (Source: Mike Hoehn, die-eventfotografen.de)

Das nächste Swiss Payment Forum findet am 21. und 22. November in Zürich statt.

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