SPONSORED-POST Open Banking Reloaded

Die ursprüngliche Idee von Open Banking ist vergessen gegangen

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von Ralph Hutter, Head Ecosystems and Partnerships, Finnova

Die Open-Banking-Entwicklung stockt. Nicht nur in der Schweiz, sondern auch in der EU. Die Gründe sind unterschiedlich, aber der Effekt ist derselbe. Eine Ursachensuche.

Ralph Hutter, Head Ecosystems and Partnerships, Finnova. (Source: zVg)
Ralph Hutter, Head Ecosystems and Partnerships, Finnova. (Source: zVg)

Im EU-Raum ist die PSD2-Direktive regulatorisch vorgeschrieben und seit September 2019 in Kraft. Damit sind die Banken gesetzlich verpflichtet, mittels APIs den Zugang zu Kontoinformationen und Zahlungsausführung für Drittparteien zu gewährleisten. Darüber hinaus ist geregelt, dass Transaktionen mittels Multi-Faktor-Authentisierung abgesichert werden müssen. Nicht mehr und nicht weniger. Die Schweiz setzt hingegen auf einen marktbasierten Regulierungsansatz, der ohne gesetzliche Vorgaben auskommt. Die SBVg und Swiss Fintech Innovations haben sich mit zahlreichen relevanten Akteuren des Finanzplatzes gruppiert, um die API-Standardisierung gemeinsam in verschiedenen Arbeitsgruppen zu definieren.

Weder die europäische noch die Schweizer Vorgehensweise haben dazu geführt, dass sich die Open-Banking-Idee für die Masse durchsetzen konnte. In der EU ist die PSD2 selbst ein Hindernis. Sie umfasst nur die wenigen Anwendungsfälle im Bereich Kontoinformation und Zahlungsverkehr, und insbesondere im deutschen Markt werden die neuen, starken Authentisierungsmechanismen als Rückschritt bezüglich Benutzerfreundlichkeit taxiert. Die Marktakteure haben sich in der Folge unterschiedlich positioniert. Einige Banken verfolgen den "Minimum Compliance"-Ansatz und setzen nur das gesetzlich geforderte Minimum an Öffnung um, da die Investitionskosten beträchtlich und die Monetarisierungsmöglichkeiten gering scheinen.

Innovation durch Limitation

Instituten, die über eine Open-Banking-Strategie verfügen, fehlt wiederum die Vielfalt an möglichen Anwendungsfällen und deren Standardisierung. Sie machen die Not zur Tugend und definieren eigene API-Standards für ihr eigenes Ecosystem. Auf einmal entstehen neue Use-Cases – wie zum Beispiel Age Check, Bonitätsprüfung, Filialfinder, Client Onboarding, Autofinanzierung, Alipay QR Payments oder Finanzmarktdaten. Das ist weitsichtig und aus der Perspektive einer Bank auch sehr innovativ, aber die verschiedenen eigenständigen Initiativen verhindern gleichzeitig die Standardisierung.

Bei der Operationalisierung hinkt die Schweizer Finanzbranche Europa deutlich hinterher – ohne Regulierung kein Druck. Dafür ist erfreulich, dass zunehmend weitere, über den PSD2-Umfang hinausgehende Anwendungsfälle angegangen werden; zum Beispiel in den Bereichen Vermögensverwaltung, Hypotheken oder Multibanking.

Open Banking: Idee vs. Realität

Hier Vielfalt, dort Standards – für echtes Open Banking braucht es beides und idealerweise länderübergreifende Lösungen. Es ist noch ein langer Weg dorthin. Bei genauerer Betrachtung fällt auf: Die ursprüngliche Idee von Banking ist unterwegs irgendwo verloren gegangen. Die Open-Banking-Initiative hat ihren Ursprung in Grossbritannien. Eine wettbewerbsrechtliche Untersuchung der Competitions & Markets Authority (CMA) 2017 hatte festgestellt, dass im Retailbanking-Bereich zu wenig Wettbewerb, zu wenig Transparenz und zu wenig Innovation herrschen. Mittels einer Regulierung sollten die Bankkunden über ihre Daten verfügen und diese Dritten unter kontrollierten Bedingungen zur Verfügung stellen können.

Viele der heutigen Schweizer Open-Banking-Aktivitäten stellen nicht mehr den Nutzen des Endanwenders und die Verfügbarkeit seiner Daten für Dritte ins Zentrum. Die Anwendungsfälle werden hauptsächlich aus Sicht der Finanzinstitute definiert und priorisiert. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden, aber es ist eben nicht mehr Open Banking im Sinn und Geist einer Initiative, welche die Kundenbedürfnisse vor die Bedürfnisse der Finanzindustrie stellt.

Vermutlich ist Open Banking in dieser Ausprägung eine romantische Idee. Die Hoffnung, dass grosse Teile von Bankdaten und -funktionalität international einheitlich standardisiert und kostenlos zur Verfügung stünden und sozusagen auf Knopfdruck zu neuen fancy Fintech-Tools werden, dürfte kurzfristig weiterhin Hoffnung bleiben. In der Realität spricht die Finanzindustrie zwar von Open Banking, meint und macht aber etwas anderes, was durchaus bemerkenswert ist. Unter dem Begriff "Open Finance" beginnen erste Banken, ihre Geschäftsmodelle in Richtung Plattform-Ecosystems zu erweitern. Während die grosse Mehrheit noch gespannt an der Seitenlinie steht und zuschaut, ob und wie Standards langsam entstehen, sind die Pioniere bereits am Werk. Die Grossen sind schon länger gestartet und rühren mit der grossen Kelle an. Postfinance mit Valuu oder UBS mit Key4 oder Six mit bLink lancierten eigene Plattformen. Sie versuchen damit, neue digitale Märkte zu besetzen und unterstreichen ihre Ansprüche auf eine Orchestratorenrolle in diesen Marktplätzen. Ein Prinzip der Platform Economy lautet: "The winner takes it all". Es hat nur Platz für wenige grosse Anbieter. Wer zuerst die grosse Masse erreicht, wird dominieren.

Die Voraussetzungen werden geschaffen

Eine grössere Zahl von Finanzinstituten fährt eine Strategie der Öffnung via dedizierte Schnittstellen (APIs), um spezifische Kooperationen zwischen beispielsweise Banken, Versicherungen, Vermögensverwaltern, Hypothekar- und Immobilienmarktplätzen, Händlern etc. einzugehen. Eines ist ihnen gemeinsam: Sie warten nicht auf Standardisierung, sondern versuchen, ihre Rolle in neuen Finanzökosystemen zu finden und sich zu positionieren.

Diese Entwicklungen sind sehr erfreulich. Sie legen die Grundlage für Open Banking. Die Akteure am Schweizer Finanzplatz haben das Potenzial der API Economy und Business-Ecosystems erkannt und investieren zunehmend in den Ausbau der erforderlichen Plattformkomponenten. Das führt zu Optimierungen im Vertriebsbankenmodell in Kombination mit ausgewählten Ökosystemen, zu neuen Partnerschaften über angestammte Branchengrenzen hinweg, zur Optimierung der Kunden­interaktionspunkte und generell zu neuen digitalen Lösungen. Das sind gute Voraussetzungen und ein fundamentaler Schritt in der digitalen Transformation eines Finanzdienstleisters, aber es ist eben noch lange kein "Open Banking".


Wie könnte denn ein Open Banking in der Zukunft aussehen?

Open Banking und auch Open Finance sind als Begriffe viel zu eng gefasst. Sie schränken ein im Denken. Sie begrenzen die Fantasie auf die Industriesilos. Es braucht jetzt einen viel grös­seren Denkrahmen und eine andere Denkhaltung. Nicht Banking und Finance stehen im Mittelpunkt, sondern die Kundinnen und Kunden mit ihren Bedürfnissen und Daten.

Das Zitat von Bill Gates aus dem Jahre 1994 trifft heute besser zu denn je: "Banking is necessary, banks are not." Im Zeitalter der Digitalisierung wird das Phänomen dank digitaler Business Ecosystems erst richtig sicht- und greifbar. Mobilität, Gesundheit, Wohnen, Reisen, Bildung. Nicht-Banking. Aber alle diese Ecosystems benötigen Banking-Services. Wortwörtlich ist das Embedded Finance, die Integration von Finanzdienstleistungen in die Customer Journeys von Nicht-Banken. Aber auch das ist noch nicht Open Banking.

Angesichts dieser Prinzipien wird klar, dass Open Banking kein passender Begriff sein wird. Auch wenn der Begriff noch zum Teil anders belegt ist: Open Data würde das Kernelement, den offenen Umgang mit Daten, gut beschreiben. Time will tell.
Es wird ohne Frage noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis das Gros der Schweizer Finanzlandschaft strategisch, technisch und organisatorisch bereit ist, die konsequente Öffnung, neue Zusammenarbeitsformen mit Kunden, Partnern und der Konkurrenz sowie Open-Banking-Kultur tagtäglich zu leben.
Das Vorgehen des Regulators und das Zusammenspiel zwischen dem Schweizer und EU-Markt werden gewissen Rahmenbedingungen setzen können, aber die grösseren Marktbewegungen werden die Pioniere auslösen. Einerseits diejenigen, die frühzeitig strategisch investieren und sich in verschiedenen Business-Ecosystemen positionieren und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, und die anderen, die beweisen werden, dass die Kunden clevere Lösungen auch mit entsprechender Zahlungsbereitschaft annehmen werden.

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