SPONSORED-POST Finanzbranche im VR-Fieber

Das Metaverse – PR-Stunt oder nächste Generation Internet?

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von Ralph Hutter, Head Ecosystems & Partnerships, Finnova

Das Metaverse-Fieber erfasst nun auch den Finanzsektor. In den vergangenen Monaten haben zahlreiche Finanzdienstleister erste Pionierangebote lanciert, obwohl die meisten Rahmenbedingungen und die Frage nach der Nachhaltigkeit der Engagements noch ungeklärt sind. Ein Verständnis zeichnet sich ab: "Das" Metaverse wird viel mehr sein als nur lustige 3-D-Welten mit Avataren – nämlich die nächste Evolutionsstufe des Internets.

Ralph Hutter, Head Ecosystems & Partnerships, Finnova. (Source: zVg)
Ralph Hutter, Head Ecosystems & Partnerships, Finnova. (Source: zVg)

Heute nutzen wir das Internet hauptsächlich über zweidimensionale Benutzerschnittstellen, über das Smartphone oder über einen Browser auf einem Computer. Etwas seltener werden mittels Stimmbedienung persönliche Assistenten wie Alexa, Siri und Co. genutzt.

Die nächste Generation Internet und dessen Anwendungen werden sich primär über neue Arten von Schnittstellen und Kombinationen davon entwickeln. Tasten, Regler oder Touchscreens sterben wohl langsam aus. An deren Stelle treten Virtual-Reality(VR)-Headsets, Gesten- und Handtracking, Sprachsteuerung, Brillen mit Augmented-Reality-Funktion oder sogar neurale Schnittstellen, die direkt durch Hirnströme gesteuert werden.

Es wäre zu kurz gegriffen, das Metaverse einfach als Entwicklung vom zwei- zum dreidimensionalen Raum zu sehen – so wie sie bereits in "Second Life" seit 2003 verfügbar ist. Es handelt sich vielmehr um eine Überlagerung von Informationen in die reale Welt, etwa über eine Datenbrille oder auch im Head-up-Display in Fahrzeugen. Zugleich ist es aber auch eine Präsenz in verschiedenen rein virtuellen Welten. Das Metaverse als eine Summe von Spiegelwelten sowohl in der physischen als auch in verschiedenen virtuellen Welten ist ein starkes Bild, das die mögliche Vision illustriert.

 

Hunderte Millionen Menschen bereits aktiv dabei

Zahlreiche Elemente des Metaverse sind bereits Realität. "Horizon" ist die VR-Plattform von Meta, die mittels VR-Brille (auch von Meta) benutzt und erkundet werden kann. "Fortnite", eigentlich ein Multiplayer-Shooting-Game mit über 350 Millionen Usern, entwickelt sich zunehmend zur Plattform. Dort können die Benutzerinnen und Benutzer ihre Spielwelt anpassen, virtuelle Gegenstände kaufen und neben Spielinhalten auch Konzerte von realen Künstlerinnen und Künstlern live in der Fortnite-Welt erleben. Dahinter steckt die "Unreal Engine" von Epic Games. "Pokémon Go" ist ein AR-Spiel, wo über 160 Millionen Benutzerinnen und Benutzer virtuelle Pokémons mittels Smartphone sehen, finden und einfangen. "The Sandbox" ist ein virtuelles Metaverse, wo Spielerinnen und Spieler Grundstücke und Spielcharaktere gegen Kryptowährung kaufen und verkaufen und gleichzeitig eigene Spiele entwickeln können. Ein ähnliches Konzept verfolgen auch Decentraland und Superworld.

Diese Beispiele zeigen eindrücklich: Metaverse-Grundkonzepte funktionieren und üben eine grosse Anziehungskraft aus; die Technologie bewegt sich in Richtung Massenadaption. Aber noch sind es Solitäre. Das ist noch nicht "das" Metaverse. Es handelt sich bislang einfach um proprietäre Plattformen, die nicht miteinander kompatibel oder vernetzt sind und von Gameherstellern, sozialen Netzwerken, Techgiganten oder Blockchain-Firmen kontrolliert werden.

Elemente des Metaverse. (Source: Finnova)

 

Rolle der Finanzbranche in den neuen Sphären

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Finanzbranche die Frage, welche Rollen sie einnehmen könnte und wohin sich das Metaverse entwickeln wird. Mögliche Anwendungsfälle zeichnen sich ab. Das Metaverse wird sich in naher Zukunft auf Spiele, Unterhaltung, Zusammenarbeit am Arbeitsplatz, soziale Medien, virtuelle Welten, Bildung und Fitness auswirken und im Laufe der Zeit weitere Anwendungsbereiche sowohl für Privat- als auch Geschäftsanwendungen erschliessen.

Typischerweise gehören Glücksspiel-, Mode-, Handels- oder Lebensmittel-Brands immer zu den ersten, die neue Vertriebs- und Werbekanäle bevölkern. Nun bieten auch erste Bankinstitute Dienstleistungen für virtuelle Beratung oder Kryptohandel an. Auch wenn noch nicht klar ist, wohin sich das Metaverse in puncto Standardisierung, Massenadaption und Marktführerschaft entwickeln wird, setzen erste Banken konkrete Anwendungen um.

 

Bereits heute in digitalen Finanzwelten schweben

Decentraland hat im August auf seiner Plattform im Metaverse den ersten Geldautomaten eingeführt. In Zusammenarbeit mit dem Metaverse Architects Studio und dem Transak-Zahlungsgateway können Spielerinnen und Spieler den Geldautomaten nutzen, um Kryptowährungen im Metaverse so einfach zu kaufen, wie sie es mit einem Geldautomaten in der physischen Welt tun würden.

Sygnum kündigt die Eröffnung des ersten Metaverse-Hubs einer Schweizer Bank im virtuellen Äquivalent zum New Yorker Times Square an. Der Decentraland-Hub ist Sygnums Web3-Portal und verfügt über einen Cryptopunk-Concierge, eine interaktive NFT-Galerie und einen Veranstaltungsraum.

J.P. Morgan hat als erste Bank im Metaverse eine Lounge und ein Büro eröffnet: die Onyx Lounge. Namensgeberin für die Lounge ist die Tochtergesellschaft von J.P. Morgan: Onyx. Sie ist verantwortlich für die Entwicklung der Blockchain-Projekte und die eigene digitale Währung "JPM Coin". In der Lounge kann man Präsentationen zu Kryptowährungen von J.P.-Morgan-Mitarbeitenden folgen. In der virtuellen Bankfiliale will der US-Bankgigant künftig auch Bankdienstleistungen wie Hypotheken in der Parallelwelt anbieten.

Auch der Zahlungsriese American Express könnte einen Einstieg in das Metaverse vorbereiten. Das Unternehmen hat Markenanmeldungen für seine Logos und Produkte eingereicht, darunter die schwarze Centurion-Karte und das "Shop Small"-Programm. Amex will sich ebenfalls an virtuellen Zahlungen und elektronischen Geschäftstransaktionen für digitale Medien und nicht-fungible Token (NFT) beteiligen. Desgleichen scheinen auch Geldautomaten, Bank- und Betrugserkennungsdienste sowie Unterhaltungs-, Reise- und Concierge-Dienste für die virtuelle Kundschaft in Planung zu sein.

HSBC kündigte im März Pläne an, im Metaverse auf Sandbox ein Büro zu eröffnen; ebenso machte die Siam Commercial Bank im März Pläne bekannt, einen virtuellen Hauptsitz auf Sandbox zu eröffnen.

Ganz offensichtlich herrscht Goldgräberstimmung – ein Déjà-vu von 2006, als zahlreiche Banken, wie etwa die ABN Amro, virtuelle Filialen in Second Life eröffneten.

 

Heute ist morgen schon gestern? Reifestadium des Metaverse und drei Szenarien

Die aktuellen Investitionen und Engagements der Banken basieren auf Annahmen und viel Fantasie. Sie sind vermutlich eher als PR-Stunts zu taxieren denn als Bestandteil von substanziell untermauerten Strategien. Die Risiken sind gross, die Investitionen beträchtlich. Die Frage nach der Nachhaltigkeit dieser Investitionen ist in diesem frühen Reifestadium des Metaverse offen.

Verbreitung des Metaverse – Drei Szenarien

  • Szenario 1: Es bilden sich verschiedene führende Ecosysteme rund um bestehende Plattformen oder Ecosystem-Bereiche wie Gaming, Bildung, Fitness, ­Kollaboration etc.

  • Szenario 2: Ein Plattform-Anbieter, wie etwa Meta, Google oder auch eine Gaming-Plattform, setzt sich durch und orchestriert ein marktführendes digitales ­Metaverse.

  • Szenario 3: Dank internationaler Standards sind die verschiedenen Metaversen offen und kompatibel. Nutzerinnen und Nutzer können ihre Iden­tität, Daten und virtuellen Güter nahtlos in den jeweiligen Plattformen einsetzen.

 

So viele Chancen wie offene Fragen für ­Pionierbanken

In der Tat zeichnen sich konkrete Einsatzgebiete für die Finanz­industrie ab: virtuelle Events, Beratung in virtuellen Filialen via Browser oder Virtual-Reality-Brillen, Zahlungen in Kryptowährungen und NFTs oder Handel damit, virtuelle Kollaboration und Employer Branding oder Services im Bereich von digitalen Identitäten und Wallets. Das ist ein spannendes Umfeld für Finanzdienstleister mit viel Pioniergeist. Von der standardisierten Verbreitung für die grosse Masse der Bankkundschaft sind wir allerdings meilenweit entfernt. Zu gross ist die Unsicherheit in wesentlichen Aspekten eines tragfähigen Geschäftsmodells.

Welche Art der Strukturen, der Offenheit und der Organisationsform des Metaverse sich durchsetzen wird, ist komplett offen. Die Hardware wie VR-Brillen und Grafikkarten ist teuer und noch nicht bei der Breite der Konsumentinnen und Konsumenten angekommen. Daher ist die Mehrheit der aktuellen Metaverse-Plattformen nach wie vor browserbasiert. Und gerade im Finanzbereich bleiben zahlreiche Fragen um Regulationen wie Datenschutz, Datensicherheit, Geldwäscherei zu klären.

 

Wer wagt … könnte langfristig gewinnen

Das frühe Stadium der Technologie bringt also kurzfristig viele Risiken, aber langfristig ganz neue Erlebnisse, Angebote und Geschäftsmöglichkeiten. Mit Weitblick betrachtet ist die Idee des Metaverse nicht ein kurzfristiger Hype, der sich um Blockchain, NFTs und geschlossene 3-D-Welten dreht, sondern die Idee der nächsten Generation Internet. Diese wird die traditionellen Schnittstellen wie Bildschirme und Smartphones ersetzen. Anwendungen werden in unterschiedlichen Kontexten neben 3-D-Welten vor allem auch in der Realität eine grosse Rolle spielen – sowohl am Arbeitsplatz, in Fahrzeugen, in der Telemedizin oder in der Industrie als auch in ganz alltäglichen Situationen wie beim Kochen, Sporttreiben, Reisen oder Einkaufen.

Ein guter Moment, um eine klare Strategie zu erarbeiten und sich Gedanken zu machen, welche Fähigkeiten im Bereich neue Technologien und welches Expertenwissen im Bereich AR/VR, Blockchain, Cloud, Plattformen und Ecosysteme in absehbarer Zeit aufgebaut werden müssen.

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