Die Folgen bei unrechtmässiger Nutzung eines Source Codes
In der Netzwoche-Rubrik "ICT-Urteile" werden relevante inländische und ausländische Gerichtsurteile vorgestellt. Beim ersten Entscheid geht es um das unberechtigte Kopieren, Nutzen und Vertreiben von Source-Codekomponenten.
Im vorliegenden Fall hatte das Obergericht des Kantons Zürich (Geschäfts-Nr. LL09002/U) zu prüfen, ob ein Teil des Software- Source-Codes der Klägerin unrechtmässig von den Beklagten kopiert und in deren eigener Software integriert, weiterentwickelt und vertrieben worden ist. Das Zürcher Gericht ging daher der Frage nach, wann ein Computerprogramm ein Werk im Sinne des Urheberrechtgesetzes darstellt.
Gemäss Rechtsprechung trifft dies zu, sobald das Computerprogramm aus Sicht von Fachleuten nicht als banal oder alltäglich bezeichnet werden kann. Als unterste Grenze der Schutzwürdigkeit gilt auch in der Schweiz die in der deutschen Lehre entwickelte "kleine Münze", mit der man einfache, gerade noch schutzfähige Schöpfungen mit genügend individuellem Charakter bezeichnet. Schutzfähig sind dabei der entsprechende Source Code, der Maschinencode (Objektcode) sowie die Programmdokumentation eines Computerprogramms.
Source Code wird immer verglichen
Bei einem Kopiervorwurf vergleicht das Gericht jeweils im Rahmen einer Kurzexpertise den verwendeten Source Code der zwei betroffenen Computerprogramme, die beide dem gleichen Zweck dienen. Im vorliegenden Fall unterscheiden sich die Programme deutlich in ihrem Umfang (87 047 Zeilen bzw. 14 484 Zeilen). Der Gutachter stellte fest, dass sich die verschiedenen Übereinstimmungen nicht auf allgemein übliche Ausdrucksformen oder Software von Drittanbietern beschränken.
Im Vergleich zum Gesamtumfang der Software stellten diese übernommenen Codefragmente aber einen verschwindend kleinen Teil des Produkts der Klägerin dar. Dabei handelte es sich um identifizierte Übereinstimmungen des Source Codes von lediglich 2,8 Prozent bis 5,1 Prozent. Zudem beschränkte sich diese Übereinstimmung mehrheitlich auf einige Hilfsfunktionen. Aus den gemachten Untersuchungen konnte der Gutachter zudem schliessen, dass die Software der Beklagten zum überwiegenden Teil eine Neuentwicklung darstellte.
Trotz der minimalen Übereinstimmungen konnte dennoch klar gezeigt werden, dass die einzelnen Codefragmente aus der Software der Klägerin übernommen worden. Laut dem Gerichtsurteil kommt es jedoch nicht auf das quantitative oder qualitative Verhältnis des "geklauten" Teils zum Gesamtwerk an.Deshalb entschied das Gericht, dass das Vervielfältigungs- und Bearbeitungsrecht an der Software verletzt sei. Mit der Entscheidung wurde den Beklagten verboten, ihre Software mit den Codefragmenten der Software der Klägerin weiter zu vertreiben.
Was ist schutzwürdig?
Die sogenannte "kleine Münze" führt dazu, dass eine Software bereits dann ein schutzwürdiges Werk im Sinne des Urheberrechts darstellt, wenn sie sich vom alltäglichen Schaffen im betroffenen Bereich abhebt. Dies trifft auch dann zu, wenn das Mass der geistigen Leistung und individuellen Prägung gering ist. Diese unterste Grenze der Schutzwürdigkeit gilt auch in der Schweiz. Wer neue Software entwickelt, tut grundsätzlich gut daran, peinlichst genau darauf zu achten, dass keine Drittsoftware – seien die übernommenen Komponenten noch so "kleinmünzig" – sich in die eigene Software einschleicht beziehungsweise unbedacht integriert wird.
Andernfalls läuft man Gefahr, dass eine Software nicht oder nicht mehr vertrieben werden kann, solange die fremde, auch noch so unwesentliche Codekomponente entfernt und durch ein eigenes Programm ersetzt worden ist. Unter Berücksichtigung des vorliegenden Massnahmeentscheides empfiehlt es sich vorerst auf jeden Fall, wie folgt vorzugehen:
Wird Drittsoftware benötigt – und handelt es sich dabei nicht um eine Open-Source-Software ist im Vorfeld beim Drittsoftwarelieferanten eine schriftliche Einwilligung einzuholen. Gleichzeitig sollte mindestens auch der genaue Umfang der in Frage stehenden, zu kopierenden Software, der Nutzungszweck sowie die dafür zu entrichtende Entschädigung vereinbart werden. Dieses Vorgehen wird in den meisten Fällen sowohl finanziell als auch hinsichtlich des zeitlichen Aufwandes die wirtschaftlich sinnvollere Variante sein.
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Die Autorin Lilian Snaidero Kriesi schloss das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an der Universität Zürich ab (1992). Anschliessend war sie rund 18 Monate an einem Bezirksgericht tätig. Nachdem sie 1994 das zürcherische Anwaltspatent erworben hatte, vollzog sie einen 6-monatigen Aufenthalt am Obergericht Zürich. Es folgten drei Jahre im Rechtsdienst eines Dienstleistungsunternehmens sowie 11 Jahre als Rechtskonsulentin einer Schweizer Grossbank, wo sie zahlreiche IT-Projekte betreute. Am 15. März 2010 eröffnete Lilian Snaidero Kriesi ihre eigene Anwaltskanzlei.

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