Im Gespräch mit Ernest Gmünder

"Ich habe das CRM zum Dreh- und Angelpunkt unserer IT gemacht"

Uhr | Aktualisiert
von Rodolphe Koller

Ernest Gmünder, seit 2010 IT-Leiter beim TCS, hat die gesamte IT rund um ein neues SaaS-CRM neu konzipiert. Im Gespräch mit unserer Westschweizer Redaktion spricht er über dieses Projekt.

Ernest Gmünder, CIO beim TCS, möchte die IT-Abteilung nicht wie einen Lieferanten betrachtet wissen. Denn der interne Kunde kann keinen anderen Lieferanten wählen und die IT-Abteilung kann nicht immer die Projekte auswählen, die sie am liebsten durchführen möchte.
Ernest Gmünder, CIO beim TCS, möchte die IT-Abteilung nicht wie einen Lieferanten betrachtet wissen. Denn der interne Kunde kann keinen anderen Lieferanten wählen und die IT-Abteilung kann nicht immer die Projekte auswählen, die sie am liebsten durchführen möchte.

Herr Gmünder, vor zwei Jahren kamen Sie zum TCS. Welche Bedeutung hat die IT für Ihre Organisation, und was für einen Auftrag haben Sie damals erhalten?

Als ich zum TCS kam, lag die IT-Leitung als Interimslösung in den Händen eines Externen. Meine Hauptaufgabe bestand darin, die Informatik wieder mit dem Business in Einklang zu bringen und das Vertrauensdefizit zwischen den beiden Bereichen abzubauen. Die IT neigte dazu, Projekte anzunehmen, die kaum durchführbar waren. Die Umsetzung war mangelhaft und die Informatik wurde als Bremse für die Entwicklung des Unternehmens angesehen. Wir sind aber nun mal DER Mobilitätsklub, und wer von mobilen Services spricht, meint zwangsläufig auch einen leistungsstarken IT-Support. Wir mussten also auch veraltete Prozesse und Systeme modernisieren, um die gewünschte Entwicklung hin zu mobilen Services weiter verfolgen zu können. Da der TCS in der ganzen Schweiz in allen Landessprachen und mit vielfältigen Angeboten vertreten ist, mussten auch die Bereitstellung und der Austausch von Informationen verbessert werden. Damit sollten sowohl die internen Verfahren als auch die Beziehungen zu Mitgliedern und Kunden optimiert werden. Unser strategisches Ziel ist es, von unseren Mitglieder und Kunden als einziger und einzigartiger TCS wahrgenommen zu werden und sie im Gegenzug als unverwechselbare und einzigartige Personen zu sehen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass das Mitglied, das einen Campingplatz besucht, dort seinen Mitgliederbeitrag bezahlen kann. Gleichzeitig wollen wir über seine Erfahrungen dort auf dem Laufenden sein, egal welchen Service er in Anspruch genommen hat. Dafür sind moderne, interaktive und leistungsstarke Systeme erforderlich.

Welchen Ansatz haben Sie verfolgt, um diese Business-Vision umzusetzen?

Meine Aufgabe war es hauptsächlich, zu erläutern, was diese Vision für das Business bedeutet. Ich musste erklären, welche neuen Prozesse dies nach sich zieht und welche neuen Formen der Interaktion mit den Kunden dafür erforderlich sind. Persönlich bin ich zwar überzeugt, dass man mit den Menschen beginnen muss und erst danach die Prozesse und Systeme kommen. Aber ich muss gestehen, dass wir häufiger den umgekehrten Weg gegangen sind. Ich finde, wenn man eine Standardlösung einkauft, muss man auch die damit vorgegebenen Prozesse und Best Practices anwenden, selbst wenn dies Auswirkungen auf die bestehende Arbeitsorganisation hat. In diesem Zusammenhang sage ich meinen Mitarbeitern oft: "Es gibt zehn vorgesehene Prozesse; wählen Sie nicht den Zwölften!" Dieses Vorgehen ist sehr pragmatisch. Es hat den Vorteil, dass es einen schnellen Projektfortschritt ermöglicht, während sich die Ressourcen dennoch auf das Wesentliche konzentrieren: Innovation und Veränderung.

Sie bevorzugen eher marktübliche Lösungen als hausgemachte Entwicklungen …

Ich bin überzeugt, dass der Mehrwert eines IT-Teams nicht in der Technologie, sondern in der Schnittstelle zum Business liegt. Unsere Aufgabe ist es, die Branchenziele zu verstehen, sie in Informatiktools abzubilden und die richtig einzusetzen. Entwicklung und Betrieb von eigenen Lösungen sind für uns hingegen weniger wichtig. Wenn wir marktgängige Standardlösungen verwenden, können wir sogar die Weiterentwicklung vermeiden. Es ist also gar nicht nötig, die Verwaltung einer Rechnung oder eines Tickets im Callcenter neu zu erfinden. Und mit einer SaaS- oder einer gehosteten Lösungen können wir uns auch den Betrieb ersparen.

Welche Auswirkungen hat dies auf die Kompetenzen innerhalb der IT-Abteilung?

Wir befinden uns in einer Übergangsphase. Die technischen Kompetenzen sind immer weniger gefragt, die Consulting- und Businesskompetenzen hingegen werden immer wichtiger. In allen IT-Teams gibt es Mitarbeiter mit Branchenkenntnissen. Man muss ihnen nur die Zeit geben, auch als Schnittstelle zum Business aufzutreten, an strategischen Diskussionen teilzunehmen, geeignete Lösungen zu finden und Chancen zu erkennen. Wird die Informatik erst im Nachhinein und unter Zeitdruck einbezogen, besteht das Risiko, dass zweimal für Bedürfnisse entwickelt wird, die mit ein und derselben Lösung hätten gedeckt werden können. Wird die Informatik aber im Vorfeld und unter Anleitung einbezogen, kann man besser von Standardlösungen oder bereits vorhandenen Lösungen profitieren. So kann den Anforderungen schneller und kostengünstiger entsprochen werden, was die Rentabilität der IT-Investitionen verbessert. Um dem aber gerecht werden zu können, muss die IT sich in der Branche auskennen und sich die Unterstützung von Businessanalysten und Business-Process-Managern sichern. Es müssen aber auch Kompetenzen im Partnermanagement geschaffen werden, um die externalisierten technischen Leistungen zu leiten.

Der TCS hat ein grosses CRM-Projekt gestartet. Zu welchem Zweck? 

Dieses Projekt wurde bereits bei meinem Eintritt begonnen und sollte vor allem ein gezielteres Marketing ermöglichen. Ich habe das Projekt gleich genutzt, um die notwendige Überarbeitung unseres Informationssystems in Angriff zu nehmen. Dabei habe ich das CRM zum Dreh- und Angelpunkt unserer IT gemacht. Anders als in anderen Unternehmen ist das CRM bei uns nicht nur der Ort, wo die Kundendaten zentralisiert sind, sondern auch die Umgebung, die sämtliche Interaktionen mit unseren Mitgliedern stützt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um eine Rechnung, ein Angebot oder eine Mahnung geht. Unser ERP-System wird hingegen eher für interne Prozesse wie Finanzen, Controlling, Einkauf und Personalwesen eingesetzt.

Aus welchen Bestandteilen setzt sich diese neue CRM-Umgebung zusammen?

Kernstück ist das SaaS-CRM von Salesforce. Dort werden alle Kundendaten gespeichert, auf die anschliessend über verschiedene Kanäle zugegriffen werden kann, etwa via unser Partnerportal oder unsere Internet- und Mobilplattformen. Rund um Salesforce gibt es Zusatzlösungen. Für den Marketingbereich verwenden wir Aprimo. Das ist eine SaaS-Lösung, mit der sich alle Aspekte und Prozesse einer Kampagne verwalten lassen. Für die Verwaltung der Mitglieder setzen wir die Cloud-Lösung von Zuora ein, einer von ehemaligen Salesforce-Mitarbeitern gegründeten Gesellschaft. Dies ist ein spezielles Tool für die Verwaltung und Rechnungstellung bei langlebigen Produkten, also etwa von Abos oder Beitrittsanträgen. Es verfügt auch über eine Schnittstelle zu Salesforce. Deshalb wird es übrigens von vielen Medienunternehmen und Telekommunikationsanbietern genutzt. Für die Einbindung unserer Systeme – vor allem unserer Legacy-Anwendungen – in Salesforce verwenden wir die Cloudbus-Lösung Boomi von Dell. Schliesslich nutzen wir die SaaS-Lösung Cameleon für die Produktverwaltung, von der Konfiguration bis zum Pricing. Dabei handelt es sich um ein Multikanal-Tool, das sowohl für Verkäufe über unsere Partner als auch über die Agenten des Callcenters bei der Angebotserstellung eingesetzt werden kann.

Wie haben Sie alle diese Zusatztools gefunden – über eigene Recherchen oder über einen Partner?

Wir haben in der Tat zusammen mit den Lieferanten eine erweiterte Ausschreibung ausgearbeitet. Somit wurden uns all diese Tools von Salesforce angeboten, bis auf Cameleon, das später hinzugekommen ist.

Welcher Teil dieser Umgebung ist bereits betriebsbereit?

Die erste Phase wurde im Mai dieses Jahres abgeschlossen. Sie deckt das Marketing mit der Aprimo-Lösung und alle Operationen des Callcenters ab. Letztere basieren gleichzeitig auf Salesforce und auf der letztes Jahr eingeführten Lösung für IP-Telefonie. Die ermöglichte es, unsere drei örtlich getrennten Callcenter zu einem einzigen virtuellen Callcenter zusammenzulegen. Das arbeitet jetzt übrigens mit einem sehr innovativen Mechanismus. In klassischen Callcenters werden die Anrufe je nach Verfügbarkeit und Kompetenzen an die jeweiligen Agenten weitergeleitet. Die übrigen Aufgaben – E-Mails, Briefe, Faxe – hingegen werden im Pull-Modus bearbeitet. Das heisst, sie werden von den Agenten nach eigenem Ermessen aus der Warteschleife herausgegriffen. Wir haben uns für einen Mechanismus entschieden, bei dem alle Aufgaben im Push-Modus an die Agenten weitergeleitet werden. Das bedeutet, dass Aufgaben im Zusammenhang mit einer E-Mail oder einem Telefonanruf bei den Agenten auf dieselbe Art und Weise eingehen. Dadurch können wir die Aufgaben in Abhängigkeit von ihren Businesskriterien priorisieren, indem wir etwa der Beschwerdebearbeitung Vorrang vor den Beitrittsanträgen einräumen. Dank dieses Konzepts können wir auch verhindern, dass Agenten unterbeschäftigt sind, und dennoch die notwendige Verfügbarkeit bei Anrufen gewährleisten. Der Push-Modus hat schliesslich den Vorteil, dass sich das Rosinenpicken vermeiden lässt. Die Agenten können also nicht bestimmte Aufgaben aus der Liste bevorzugt bearbeiten – insofern ist es ein gerechteres System.

Um welche Aspekte geht es in der zweiten Phase der Einführung?

Das ist eine wichtige Phase, die bereits begonnen hat und im ersten Halbjahr 2013 abgeschlossen sein muss. Sie betrifft unter anderem die Einführung von Chatter als Lösung für Kooperation und Informationsaustausch, besonders für die Agenten des Callcenters. Es geht um die Partnerverwaltung und den indirekten Verkauf durch die Abteilungen. Ferner sind auch der gesamte Verkaufsprozess, vor allem die Rechnung- und die Angebotserstellung involviert. In dieser zweiten Phase ist schliesslich die Integration eines mit Salesforce verbundenen Kundenportals auf unserer Webseite vorgesehen. Dort werden die Kunden etwa auf ihre Rechnungen zugreifen und verschiedene Dienstleistungen in Anspruch nehmen können. Es handelt sich also auch um einen vollständigen E-Commerce-Bereich. Für die IT bedeutet dies, dass in der zweiten Phase das gesamte derzeitige Verkaufssystem mit all seinen kleinen peripheren Anwendungen ausgetauscht werden muss.

Haben Sie explizit nach einem SaaS-CRM gesucht? Welche Vorsichtsmassnahmen haben Sie getroffen?

Nein, SaaS war möglich, aber nicht zwingend. Übrigens haben nur zwei von sechs Ausschreibungsteilnehmern eine SaaS-Lösung vorgeschlagen. Unsere Anforderung war einfach, dass wir die Lösung nicht selbst betreiben müssen. Dies hätte aber genauso gut eine Lösung in einer privaten Cloud sein können. SaaS bietet aber viele weitere Vorteile, wie etwa die automatischen Updates. Dies ist ein funktionierendes Modell und für die Zukunft der IT. Was die Vorsichtsmassnahmen anbelangt: Das ist letztlich so, wie wenn man sein Geld einer Bank anvertraut. Man muss sicherstellen, dass man Zugriff darauf hat und dass der Partner alle notwendigen Schutzgarantien bietet. Wir haben in diesem Zusammenhang vor allem unser Netz und unseren Internetzugang noch einmal überprüft und die Schutzmassnahmen und Vertraulichkeitsgarantien in Bezug auf die Daten unserer Partner bewertet. Dazu gehört etwa die PCI-Konformität für die kritischen Informationen. Zudem haben wir unter anderem die SLAs sehr genau geprüft, weshalb wir die Funktionen des Partnermanagers in unserer Organisation ausbauen.

Woher nimmt man das Know-how bei der Einführung einer SaaS-Lösung dieser Grösse?

Das ist nicht immer einfach. In unserem Fall haben wir auf Empfehlung von Salesforce mit Capgemini zusammengearbeitet. Wir haben aber auch alle Lieferanten eng in das Projekt eingebunden. Sie nehmen beispielsweise jeden Monat an einer Vorstandssitzung teil. Das erlaubt uns zu prüfen, ob die Lösungen richtig implementiert sind; zusätzlich können wir unsere Architektur direkt von den Anbietern validieren lassen. Der innovative Charakter unseres Projekts birgt sicher Risiken, es hat aber den Vorteil, dass es für alle unsere Partner ein strategisch wichtiges Vorhaben ist. Deshalb haben wir hochwertige Beziehungen zu jedem einzelnen von ihnen. Alle geben ihr Bestes und tragen mit ihren Bemühungen zum Erfolg des Projekts bei.

Welche neuen Chancen für den TCS sehen Sie in diesem Projekt?

Es gibt viele Chancen. Gemäss Pflichtenheft konzentriert sich der Bedarf auf Marketing und Verkauf. Unser Time-to-Market muss verbessert werden. Letztlich haben wir eine Modernität gewonnen, die sich stark auf die Prozesse auswirkt. Das betrifft zum Beispiel die Zusammenarbeit und den Wissensaustausch zwischen den Agenten des Callcenters. Es führt auch dazu, dass unsere Mitglieder künftig direkt über unsere Facebook-Seite mit unserem Callcenter kommunizieren können. Allgemein erleichtert uns die neue Lösung ganz einfach Projekte wie die Einführung des E-Commerce auf unserer Website oder die Integration von mobilen Endgeräten. Wir streben beispielsweise die Unterstützung der Facetime-Anwendung an, damit sich jemand bei einer Panne online an unser Team wenden kann. Ich könnte auch noch über die Verwaltung unserer Partner oder das Reporting sprechen. Die Liste ist lang ...

 

Zur Person:

Ernest Gmünder (49) hat während seines ganzen Berufslebens Funktionen zwischen Business und Informatik bekleidet. Nach dem Informatikstudium an der EPFL kam er zu Logitech, wo er in der Entwicklung und als Projektleiter in den USA und in der Schweiz tätig war. 1993 ging er für 12 Jahre zu Autodesk, wo er unter anderem die Informatikabteilung für den EMEA-Raum leitete und sich mit Customer Experience befasste. 2005 ging Gmünder zu Reynolds and Reynolds, einem amerikanischen Spezialisten aus der Autobranche. Danach wechselte er zu Kodak und 2007 an die Ecole Hôtelière de Lausanne, wo er zunächst als IT-Leiter und später als COO tätig war. Seit 2012 arbeitet er als Informatikleiter und CIO beim TCS.