Datenschutz

Datenschützer warnt vor Kundenüberwachung durch Firmen

Uhr | Aktualisiert
von SDA

Personentracking tönt nach Science-Fiction, doch in einigen Ländern sind solche Systeme bereits flächendeckend im Einsatz. Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte Hanspeter Thür warnt davor, dass sie bald auch in der Schweiz installiert werden könnten.

Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür zieht im Street-View-Prozess gegen Google den Kürzeren.
Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür zieht im Street-View-Prozess gegen Google den Kürzeren.

Personentracking erlaubt Unternehmen beispielsweise, das Verhalten von Kunden zu analysieren. In Detailhandelsgeschäften scannen Kameras die Augenbewegungen und halten fest, welches Produkt wie lange betrachtet wird. Die erfassten Personen können nach Alter, Geschlecht oder ethnischer Herkunft kategorisiert werden. Andere Systeme analysieren anhand von Handy-Signalen die Bewegungen einer Person in einem Geschäft.

"Ziel ist es, Bedürfnisse herauszufinden, bevor der Kunde selber davon weiss", sagte Thür am Montag anlässlich der Präsentation seines Jahresberichts vor den Bundeshausmedien. Das Problem dabei aus datenschutzrechtlicher Sicht: Es fehlt an Transparenz und an der gemäss Gesetz notwendigen Einwilligung der Betroffenen. Noch kann es Thür bei der Warnung belassen. Nach seinen Angaben werden in der Schweizer derzeit keine Personentracking-Systeme in Unternehmen eingesetzt. Einige Firmen hätten jedoch bereits Interesse gezeigt. Welche es sind, ist allerdings auch dem obersten Schweizer Datenschützer nicht bekannt.

Falsche Schlüsse

Eine andere Überwachungs-Methode macht Thür ebenfalls grosse Sorgen: In "Big Data", der systematischen Auswertung riesiger Datenbestände, sieht er eine "massive Gefährdung der Privatsphäre". Problematisch sei dabei vor allem, dass auf diesem Weg nur Wahrscheinlichkeiten aus Mustern, aber keine gesicherten Erkenntnisse oder Kausalitäten abgeleitet werden könnten.

Wenn es um die Wahrscheinlichkeit gehe, dass jemand eine Glatze habe, möge das harmlos scheinen, heisst es im Jahresbericht. Aber: "Wenn der zu einem Muster führende Algorithmus Aussagen zu einem möglichen kriminellen Verhalten von Menschen macht, kann dies für den Einzelnen verheerend sein." Thür drängt darum auf eine Revision des Datenschutzgesetzes. Die Nutzung von "Big Data" habe längst begonnen, dadurch seien grundlegende Bestimmungen des Gesetzes in Frage gestellt. Es brauche dringend eine Expertengruppe, welche die Situation analysiere und Lösungen vorschlage.

Gegen neue Spionage-Möglichkeiten

Der Datenschutzbeauftragte hat sich aber nicht nur mit der Zukunft, sondern auch mit der Vergangenheit befasst. So hat ihm unter anderem die NSA-Affäre letztes Jahr Arbeit beschert. Durch die bekannt gewordene flächendeckende Überwachung des Internets sei die Diskussion um die Grenzen staatlicher Überwachung neu lanciert worden, zeigte sich Thür überzeugt. Vor diesem Hintergrund er sich mehrmals kritisch zum neues Nachrichtendienstgesetz geäussert, das derzeit beim Parlament liegt.

Weitere Themen waren der Umgang von Krankenkassen mit Patientendaten unter dem neuen DRG-Regime, die Diskussion um das "Recht auf Vergessen", welche ein Urteil des EU-Gerichtshofs gegen Google ausgelöst hatte oder die AHV-Nummer. Thür wehrt sich weiterhin dagegen, dass diese als generelle Identifikationsnummer verwendet wird, weil dadurch die unter Umständen missbräuchliche Verknüpfung verschiedener Datenbestände ermöglicht wird.

Dunkelkammern der Verwaltung

Da Thür nicht nur Datenschutz-, sondern auch Öffentlichkeitsbeauftragter ist, setzt er sich auch gegen die Aufweichung des Öffentlichkeitsprinzips ein. Seit 2006 muss die Bundesverwaltung fast alle Dokumente der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Wegen des grossen Aufwands wird das Öffentlichkeitsgesetz zurzeit evaluiert. Einige Verwaltungsstellen, insbesondere Aufsichtsbehörden, möchten von dessen Geltungsbereich ausgenommen werden. Gerade im Aufsichtsbereich dürften aber keine neuen Dunkelkammern entstehen, warte Thür.

Er erinnerte daran, dass unter anderem die Korruptionsaffäre im Staatssekretariat für Wirstchaft (SECO) oder die private Finanzierung von ETH-Lehrstühlen nur dank des Öffentlichkeitsgesetzes ans Licht gekommen seien. In all diesen Fällen gehe es um die Verwendung öffentlicher Gelder. "Nur mit voller Transparenz kann eine Zweckentfremdung verhindert werden", sagte Thür. Der 21. Tätigkeitsbericht des Eidg. Datenschutz und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) deckt den Zeitraum zwischen Anfang April 2013 bis Ende März 2014 ab.