Interview

"Wir haben dieses Jahr in Zürich eine Schweizer Niederlassung eröffnet"

Uhr | Aktualisiert

Jan Tietze ist Global CIO und EMEA CEO bei Avepoint. Im Interview spricht er unter anderem über die schwierige Suche nach Consultants und Vertriebsfachspezialisten in der Schweiz.

Herr Tietze, Sie sind Global CIO und EMEA CEO bei Avepoint. Mit was beschäftigen Sie sich bei Ihrer Arbeit?

Ich führe die europäischen Organisationen, die zu Avepoint gehören, und vertrete die Interessen unserer Kunden sowie die Anforderungen an die Produkte gegenüber dem Produktmanagement in den USA zusammen mit unserem CTO, George Petrou.

Welche Unterschiede bestehen zwischen dem europäischen und dem US-amerikanischen Markt?

Praktisch kann man sagen, dass die Anforderungen europäischer Kunden sicherlich andere sind als die von Kunden auf dem amerikanischen Markt, beispielsweise, was die Nachvollziehbarkeit betrifft. Wir führen unter anderem Migrationen zu Sharepoint oder in die Cloud durch. Da gibt es in Europa viel stärkere Anforderungen, beispielsweise an den Nachweis, was wann wie und wohin migriert worden ist und ob es vollständig passiert ist. Am Ende einer Revision muss man sagen können, wo die Daten hingeflossen sind oder wo sie eben nicht hingeflossen sind, was ja durchaus beabsichtigt sein kann. Aber diese Entscheidung muss dokumentiert werden und nachvollziehbar sein.

Welche Dinge bereiten Unternehmen in Bezug auf IT-Sicherheit am meisten Sorgen?

Der stärksten Trend, den ich sehe, ist die Consumerization of IT, das heisst, dass immer mehr Mitarbeiter gestalterische Impulse in das Unternehmen mit einbringen, ohne dass das Unternehmen diese vernünftig kontrollieren könnte. Ich meine daher, dass sich die IT-Security zunehmend als Enabler begreifen sollte und nicht als Bremse, die auf den Verzicht oder die Verhinderung von Diensten setzt. Zudem müssen Unternehmen in verstärktem Mass attraktive Angebote machen, damit die Mitarbeiter eben nicht populäre Dienste wie Dropbox, Onedrive oder Ähnliches nutzen.

Wieso nutzen Mitarbeiter überhaupt diese Dienste?

Das Bedürfnis hinter Dropbox oder Onedrive oder ähnlichen Diensten ist die Kommunikation mit Externen oder die Bearbeitung von Dokumenten daheim. Ich sprach kürzlich mit einem grösseren Kunden, der mir erzählte, dass seine Mitarbeiter auf Onedrive ausgewichen sind, weil sie nicht in der Lage waren, Dokumente von zuhause aus zu editieren. Dieses Bedürfnis stellt ganz besondere Herausforderungen an die IT-Sicherheit. Es gehört daher seitens der Unternehmen das Verständnis dazu, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter real sind und man diese ernst nehmen muss. Man kommt mit einer reinen Verhinderungstaktik nicht mehr weiter, man muss ihnen entsprechende Angebote zur Verfügung stellen.

Findet denn dieser Wandel vom Verhinderer zum Enabler auch tatsächlich statt?

Ich nehme wahr, dass ein Umdenken in Unternehmen langsam stattfindet. Das war vor 5 Jahren noch anders. Da war die Landschaft eine andere und man hatte vielleicht den Eindruck, diesen Zug noch aufhalten zu können. Ich meine, die Anerkenntnis, dass Mitarbeiter das tatsächlich nutzen und dass Cloud-Dienste aus den Fachabteilungen ins Unternehmen hineinwachsen und nicht unbedingt von der IT getrieben werden, hat wahrscheinlich jeder IT-Sicherheits-Mitarbeiter heute schon gemacht.

Mit welchen Themen müssen sich Unternehmen sonst noch auseinandersetzen?

Es gibt natürlich den Weg in die Cloud, der für viele Unternehmen beschwerlich ist, weil sie über eine grosse Menge an Dark Data verfügen. Also an Information, die Unternehmen in der Vergangenheit erzeugt und gesammelt haben und deren Eignung für die Cloud ihnen völlig unklar ist. Denn was bisher nicht klassifiziert werden musste und intern gehalten wurde, muss nun richtig eingeordnet werden, um entscheiden zu können, ob man es in die Cloud migrieren kann oder nicht. Es stellt sich auch die Frage, ob man überhaupt einen Business Case für die Cloud erstellen kann oder nicht. Da gibt es Werkzeuge, mit deren Hilfe man die Daten identifizieren und automatisiert klassifizieren kann. Dies kann man beispielsweise vor einer Migration tun, um abschätzen zu können, welche Potenziale sich durch den Einsatz der Cloud tatsächlich ergeben.

Wie steht es denn ums Thema Cloud bei Unternehmen?

Wir haben sehr positive Erfahrungen damit gemacht, aber wir sind auch ein Anbieter von Cloud Services. Insofern sehen wir natürlich einen Ausschnitt des Marktes, der schon offen für Cloud- Lösungen ist. Aber wenn wir mit Unternehmenskunden sprechen, gibt es eigentlich kaum jemanden, der nicht wenigstens ein grösseres Cloud-Pilotprojekt betreibt.

In welche Richtung werden sich Ihrer Meinung nach die IT-Security-Trends in den nächsten fünf Jahren bewegen?

Ich meine, dass die Grenze zwischen externem und internem Netz immer stärker verschwimmen wird, als das bisher schon der Fall ist. Und dass die Consumerization der IT einer der Treiber dafür sein wird. Das heisst, dass die Sicherungsmöglichkeiten, die wir heute oft noch auf Gateways oder zwischen zwei unterschiedlichen Sicherheitsdomänen haben, sich zusehends verschieben werden in intrinsische Sicherheit, die in den Daten oder in den Anwendungen selbst lebt. Statt dass wir also auf dedizierte Security Gateways setzen, die als Vermittler den Zugang entweder öffnen oder schliessen, können wir beispielsweise für den externen Zugriff auf Daten eine Lösung nutzen, mit der sich dieser Zugriff ortsbezogen einschränken lässt. Das heisst, mit den Daten wandert die Information mit, von welchem Ort und innerhalb welchen Zeitraums man auf sie zugreifen darf. Eine solche Lösung bieten wir an.

Sie sind ja für den ganzen EMEA-Raum zuständig. Welche Pläne haben Sie für die Schweiz?

Wir betreuen die Schweiz jetzt seit fünf Jahren von Deutschland aus. Das ist nicht optimal. Deswegen haben wir dieses Jahr angefangen, in Zürich eine Schweizer Niederlassung aufzubauen. Nächstes Jahr werden wir diese ausbauen. Wir wollen lokale Kunden auch lokal betreuen können und auch die Bedürfnisse der Schweizer Kunden in die Entwicklung mit einfliessen lassen.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie derzeit in Zürich?

In der Schweiz selbst sind es derzeit zwei Mitarbeiter. Wir suchen aktuell Fachspezialisten, also Consultants und Vertriebsfachspezialisten, die aber nicht einfach zu finden sind. Momentan greifen wir daher auf Ressourcen aus München zurück, um unsere rund 90 Schweizer Kunden betreuen zu können.

Was bereitet ihnen Spass bei ihrer Arbeit?

Ich lerne gerne dazu und werde auch täglich und wöchentlich mit Neuem konfrontiert, was ich sehr geniesse. Zudem gestalte ich gerne den kulturellen Wandel von einem Start-up hin zu einem reiferen Unternehmen. Als wir in Deutschland angefangen haben, vor fünf Jahren, war ich einer von drei Mitarbeitern, heute sind wir 1500 weltweit in 23 Niederlassungen.

Und was gefällt ihnen nicht?

Ich mag es nicht, wenn Mitarbeiter oder Manager unter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Zu meinen Aufgaben gehört auch Coaching, was ich für eine wesentliche Möglichkeit halte, Mitarbeitern zu zeigen, wie sie mehr erreichen können. Und natürlich hätte ich gern mehr Stunden in meinem Tag.

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