Eric Saracchi, Fermenich

"Das war eine echte Knacknuss"

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von Interview: Rodolphe Koller, Übersetzung: Marcel Urech

Firmenich hat eine Initiative für den Aufbau von innovativen Dienstleistungen und für die Senkung von IT-Ausgaben ­lanciert. Federführend war Eric Saracchi, der seit über drei Jahren CIO des Genfer Unternehmens ist. Im Interview erklärt er die Dimensionen und Herausforderungen des Programms.

Eric Saracchi, CIO Firmenich. (Quelle: Firmenich)
Eric Saracchi, CIO Firmenich. (Quelle: Firmenich)

Was hatte anfangs Priorität, als Sie vor über drei Jahren IT-Chef bei Firmenich wurden?

Eric Saracchi: Mein Team und ich begannen, Firmenichs IT-Ausgaben und die Reife der Dienstleistungsangebote zu analysieren. Die Daten verglichen wir mit der Branchenkonkurrenz. So kamen wir zum Schluss, dass die Kosten über dem Durchschnitt lagen. Die Reife erreichte laut Kriterien von Forrester bloss die Stufe "Solid Utility" und war weit weg vom Status "Business Partner", den wir anstrebten. Die Analyse überzeugte uns, ein dreijähriges Transformationsprogramm zu lancieren. Das Hauptziel war eine Senkung der IT-Kosten um 20 Prozent. Das alleine wäre relativ einfach gewesen – wir wollten aber gleichzeitig innovativer werden und Dienstleistungen verbessern. So wurde die Aufgabe zu einer echten Knacknuss.

Wie ging es weiter?

Wir streben nun sogar eine Kostenreduktion um 25 bis 30 Prozent an, um die Transformation selbst zu finanzieren. Die Initiative läuft seit über zwei Jahren, und es bleiben noch ein paar Monate bis zur Fertigstellung. Letztlich sollen IT und Business gemeinsam die Zukunft von Firmenich gestalten – dies erstmal völlig unabhängig von rein technischen Fragen. Ich möchte betonen, dass wir die gesamte Initiative fast ohne externe Hilfe stemmten. Stattdessen involvierten wir alle Mitarbeiter auf allen Stufen.

Was beinhaltet das Projekt genau?

Es gibt vier Grundpfeiler: glückliche Anwender, engagierte Mitarbeiter, sinkende IT-Kosten und ein hoher Innovationsgrad. Wir wollen das Nutzererlebnis verbessern und die Arbeitsumgebung mit IT-Tools performanter gestalten. So gab es einen Wechsel von Windows XP auf Windows 8. Um die Nachfrage zu steuern, führten wir zudem neue Governance-Prozesse ein. Die Mitarbeiter schickten wir in Weiterbildungen, wobei rund 140 davon Zertifikate in den Bereichen Finanzen, Projektmanagement und ITIL erlangten.

Welche Massnahmen trafen Sie, um die Kosten zu senken?

Zahlreiche. Zuerst verhandelten wir alle Verträge neu, einen nach dem anderen. Dann folgte eine Nullbasisbudgetierung (Zero-Base-Budgeting) – wir analysierten sämtliche Ausgaben und planten von Grund auf neu. Kosten können wir nun Divisionen, Funktionen oder Dienstleistungen zuordnen. Ein Grossteil sind Einzelkosten, nur noch ein kleiner Teil Gemeinkosten. Wir rationalisierten zudem unser Anwendungs- und Dienstleistungsportfolio.

Wechselten Sie dabei auch Lieferanten?

Ja. Wir arbeiteten vor dem Projekt vor allem mit drei Lieferanten aus Indien zusammen. Sie entsprachen aber kaum unserer Grösse und dem angestrebten Servicelevel. Wir wechselten Partner und siedelten Dienste nach Osteuropa um. In unserer Filiale in Bombay stellten wir auch neue Mitarbeiter ein. Und wir gaben Aktivitäten auf, die kaum einen Mehrwert generierten. Ein Teil der Infrastruktur verantwortet nun zudem ein externes Teams, das wir so führen können, als ob es unser eigenes wäre. Nur die interne Governance wurde beibehalten. Auf Rechenzentrumsebene führte der technologische Fortschritt zu weiteren Einsparungen: Unsere IT läuft zu 90 Prozent virtualisiert, und nun evaluieren wir Lösungen im Bereich der hyperkonvergenten Infrastrukturen.

Hatte die Senkung der Kosten auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung der IT-Abteilung innerhalb von Firmenich?

Oh ja! Natürlich zogen wir Aufmerksamkeit auf uns. 20 Prozent oder mehr an Kosten sparen und gleichzeitig die Servicequalität beibehalten oder gar anheben – das ist nicht alltäglich. Die Senkung der Ausgaben schafft übrigens grosse Chancen für unsere Informatikdienstleistungen. Es ist allgemein bekannt, dass man für Veränderungen ein Klima der Dringlichkeit schaffen muss. Wir mussten den Mitarbeitern klarmachen, dass der Markt sich in eine Richtung entwickelt, die uns herausfordert. Hätten wir nicht gehandelt, wären wir überrollt worden. Unser Transformationsprogramm bewirkt genau das:  Es zwingt uns, darüber nachzudenken, was wir bis jetzt waren und was wir in Zukunft werden wollen.

Sie sagen, dass Innovationsförderung ein zentraler Teil des Programms ist. Was setzte Firmenich in diesem Bereich genau um?

Innovation heisst nicht bloss, einen Korb voller Ideen zu haben. Es geht vielmehr darum, Governance-Richtlinien, saubere Prozesse und eine Kultur zu etablieren, die Raum für Innovationen lassen. Zuallererst entwickelten wir Weiterbildungen in Design Thinking und schulten unsere Teams. Anschliessend lancierten wir Kampagnen für die Formulierung von Ideen. Mitarbeiter machen sich Gedanken über Dienstleistungen, die wir Kunden anbieten könnten. Unsere Mitarbeiter schlagen dann praktikable Lösungen vor. Alle Ideen werden von einer Evaluationsgruppe bewertet. Die besten setzen wir als Prototyp um, um ihre Machbarkeit als Proof of Concept zu demonstrieren. Wenn das funktioniert und die Ideen auch im Business auf Interesse stossen, werden sie vom Kader als Investitionsprojekt definiert. Im gegenteiligen Fall ziehen die Mitarbeiter ihre Lehre daraus: "Try fast, fail fast, learn and start again" – mit dieser Mentalität wollen wir einen Kulturwechsel herbeiführen. Wer an unserer Kampagne teilnimmt, wird dafür auch belohnt. Am Ende möchten wir sechs Innovationen pro Jahr, von denen drei umgesetzt werden.

Haben Sie nun vor, den Innovationsprozess auf weitere Geschäfts­bereiche auszuweiten?

Ja, sicher, das ist die nächste Etappe. Wir befinden uns in einer Lernphase und testen, wie wir weitere Innovationsprozesse integrieren können. Es stellt sich zudem die Frage, wie stark wir die Innovation lenken und die Leute motivieren können. Unsere IT-Abteilung kennt sich gut aus mit Märkten, Technologien und Start-ups. Wir erlauben uns darum, Vorschläge und Ideen zu Themen einzubringen, an die das Business vielleicht noch nicht dachte. In der IT nutzen wir Techniken, Tools und Prozesse, die es uns ermöglichen, die Abteilung als Innovationsleader im Unternehmen zu positionieren. Dazu haben auch unsere Ideenkampagne und die Weiterbildungen im Design Thinking beigetragen. Der nächste Schritt ist nun, unsere Tools und Erfahrungen mit dem Rest von Firmenich zu teilen. Sobald auch andere Bereiche auf den Innovationszug aufspringen, können wir die dritte Etappe anpacken: Kunden und Partner einbinden und unsere Angebote gemeinsam weiterentwickeln. Wir wollen nicht mehr bloss klassische IT-Dienstleistungen, sondern vor allem Innovationen anbieten.

Wie wirken sich die Innovationen auf den regulären Betrieb aus?

Wir wollen, dass die Informatikabteilung eine operationelle und eine innovative Dimension hat. Die erste betrifft die traditionelle IT, die sich an Normen und Standards orientiert. Die zweite ist agiler, schneller, innovativer und wird unsere Partnerschaft mit dem Business beschleunigen. Beide Aktivitäten werden von den gleichen Leuten geführt. Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, talentiert führen zu können und gleichzeitig ambitionierte Innovationsziele zu verfolgen. Informatiker sein heisst heute, führend in seinem Kompetenzgebiet zu sein, seine Umwelt genau zu studieren und das Beobachtete in Chancen für sein Unternehmen umzuwandeln. Um das zu erreichen, muss man ein neugieriger Unternehmer sein, der hart arbeitet. Kurz: Man muss eine Leidenschaft für seinen Beruf haben. In unserem Unternehmen haben wir alles, was es braucht, um genau dorthin zu kommen.

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