Apocalypse Not Now

Die Roboter-Revolution fällt aus

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Die Digitalisierung ist nicht so umstürzlerisch wie gemeinhin angenommen, hat Avenir Suisse in einer neuen Studie herausgefunden. Negative Folgen für den Schweizer Arbeitsmarkt seien ausgeblieben. Trotzdem bestehe Handlungsbedarf im Bildungssektor und im Arbeitsrecht.

(Source: trauma_j / Pixabay / CC0 Creative Commons)
(Source: trauma_j / Pixabay / CC0 Creative Commons)

Die digitale Revolution in der Schweiz sei ausgefallen. Das behauptet die Zürcher Denkfabrik Avenir Suisse in einer Studie. Die Digitalisierung sei eher eine stetige Entwicklung, als ein Umsturz. Auf diese Entwicklung könne und müsse man allerdings reagieren. Dies vor allem in Sachen Arbeitsrecht und Bildungspolitik, meint Avenir Suisse.

"Die öffentliche Debatte über Digitalisierung ist von diffusen Ängsten bestimmt", sagt Peter Grünenfelder, Direktor von Avenir Suisse, an einer Medienkonferenz, die am 4. Oktober per Livestream übertragen wurde. Aussagen wie die des UBS-Chefs Sergio Ermotti dürften diese Sorgen zusätzlich anheizen. In einem Interview mit Bloomberg sagte er voraus, dass die Technologie 30 Prozent der heutigen Stellen überflüssig machen werde - und das schon in den nächsten zehn Jahren. "Deshalb ist eine sachliche Analyse nötig", sagt Grünenfelder. Eine solche Analyse biete die neue Studie von Avenir Suisse.

Digitalisierung schafft neue Jobs

Die Stellen im digitalen Sektor haben sich seit 1997 vervielfacht. (Source: Avenir Suisse)

Entgegen der Befürchtungen hätte der Schweizer Arbeitsmarkt nicht unter der Digitalisierung gelitten. Die Erwerbslosenquote sei konstant tief geblieben. Marco Salvi, Mitautor des Berichts, gibt sich gelassen. "Es werden mit Sicherheit Arbeitsplätze verschwinden, aber das ist nicht das Ende der Arbeit." Der Arbeitsmarkt sei schon vor der Digitalisierung dynamisch geblieben. "Die Digitalisierung ist umgekehrt eine Voraussetzung für die Schaffung neuer Jobs", sagt er.

Jedes Jahr gingen in der Schweiz 15 Prozent der Arbeitsstellen verloren. Gleichzeitig würden aber auch 15 Prozent neue Stellen geschaffen. Ingesamt entstünden in der Schweiz pro Jahr 70'000 neue Jobs.

Die innovationsbedingte Arbeitslosigkeit sei ein Mythos, sagt Salvi. "Mehr Innovation schafft mehr Arbeitsplätze." Rund 30 Prozent der Beschäftigten in der Schweiz seien bereits jetzt im digitalen Sektor beschäftigt. Das bedeute, dass sie immaterielle Güter produzieren. Es gebe einen Wandel, aber dieser sei nicht disruptiv.

Zahl der Teilzeitarbeiter steigt

"Der Anteil der dauerhaften Anstellungen bleibt seit Langem konstant", berichtet Salvi. Die Häufigkeit des Jobwechsels steige nicht wie angenommen. Sie sinke im Gegenteil. Allerdings werde die Teilzeitarbeit in der Schweiz immer beliebter. 90 Prozent der befragten Teilzeitarbeiter wollen ihr Pensum nicht erhöhen. Die Anzahl der Mehrfach-Erwerbstätigen habe sich seit 1991 fast verdoppelt.

Diese neuen Beschäftigungsmodelle sollen mehr Vorteile für die Arbeitnehmenden bergen, als für die Arbeitgebenden. Das sei etwas, dass die die Gewerkschaften noch nicht gebührend würdigten, hob Salvi hervor.

Bildung vernachlässige MINT-Fächer

Laut Bericht gibt es zu wenig MINT-Studierende in der Schweiz. (Source: Avenir Suisse)

Avenir Suisse riet, bei der Bildung mehr auf die Digitalisierung einzugehen. Die grösste Herausforderung bestünde für die Berufslehre. Sie beziehe sich auf spezifische Kenntnisse und sei firmenintern. Hier müsse die Allgemeinbildung gestärkt werden. Zum Beispiel sollte jeder Lehrgang mindestens eine Fremdsprache anbieten. Auch seien breitere Berufsbilder gefordert, wie etwa dasjenige des Polymechanikers.

Auch Gymnasien, Hochschulen und Universitäten müssten die digitale Kompetenz stärken. "Wir bilden zu wenig Leute in den MINT-Fächern, und zu viele in den Geistes- und Sozialwissenschaften aus", hält Tibère Adler, Mitautor des Berichts, grundsätzlich fest.

Arbeitsrecht sei veraltet

Beim Arbeitsrecht gebe es mehrere Baustellen, warnt Avenir Suisse. Es sei in einer digitalisierten Dienstleisungsgesellschaft nicht mehr zeitgemäss. Der Bericht schlägt eine grundlegende Reform der Arbeitszeit-Regelung vor, die zurzeit viel zu bürokratisch sei. Die obligatorischen Ruhezeiten müssten angepasst werden. "Wenn jemand um Abends um neun noch eine E-Mail bearbeitet, wäre das heute noch eine rechtswidrige Handlung", sagt Adler. Das könne nicht sein. Auch das Sonntagsarbeitsverbot sei ein Auslaufmodell.

Das Arbeitsvertragsrecht bedürfe jedoch keiner grundsätzlichen Reform. "Digitalisierung wird oft auch überdramatisiert", stellt Adler fest. Ein Beispiel dafür sei der Forderungskatalog des Schweizerischen Gewerkschaftsverbundes, den dieser Anfang Woche veröffentlichte.

Der internationale Vergleich soll zeigen, dass die Arbeitslosigkeit nicht technologiebedingt ist. (Source: Avenir Suisse)

Der digitale Dornröschenschlaf

"Mehr Digitalisierung ist gefragt, nicht weniger", fasst Peter Grünenfelder die Ergebnisse zusammen. Vor allem die Bildung müsse aus dem digitalen Dornröschenschlaf erwachen. Gesetzesanpassungen seien notwendig. Dabei brauche es allerdings keine staatliche Digitalisierungspolitik. "Nicht regulieren, sondern flexibilisieren", sei die Weisung für die Zukunft.

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