Nachhaltige Digitalisierung

Mehr Chancen als Risiken für den Klimawandel – wenn wir sie nutzen

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Nachhaltige Digitalisierung ist nicht nur nötig, sondern in Zeiten des Klimawandels auch bitter nötig. Diverse Fachpersonen zeigten an einer Diskussionsveranstaltung Risiken, aber auch Chancen der Digitalisierung auf. Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer ist optimistisch.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga. (Source: zVg)
Bundesrätin Simonetta Sommaruga. (Source: zVg)

Beschleunigt die Digitalisierung den Klimawandel? Oder ist das Gegenteil der Fall? Wer profitiert von der digitalen Entwicklung und weshalb? Und was bedeutet nachhaltige Digitalisierung überhaupt? Diese Fragen standen im Zentrum einer Diskussionsveranstaltung, die Economiesuisse, das World Economic Forum und Digitalswitzerland anlässlich des Digitaltages in Bern durchführten. Vier Referenten zeigten auf, welche Chancen die Digitalisierung für die Eindämmung des Klimawandels bietet. Sie machten aber auch auf Risiken aufmerksam.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die den Abend eröffnete, fasste die Ausgangslage prägnant zusammen: "Neue Technologien spielen auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Schweiz eine Schlüsselrolle. Sie können zwar bei falschen Anreizen auch zu einem Mehrverbrauch an Energie führen. Sie können aber auch zu einer umwelt-, klima- und menschenfreundlichen Entwicklung beitragen."

Die Schweiz setze sich jetzt schon im Kampf gegen den Klimawandel ein, und dank der Digitalisierung könne in Zukunft noch mehr Energie gespart werden. Potenzial ortete Sommaruga etwa bei der Bahn, die "schon heute unsere grösste Klimaschützerin" sei. Dank intelligenter Stromzähler und vernetzter Gebäude lasse sich auch in Haushalten Energie sparen, ohne auf Komfort verzichten zu müssen. Es gelte allerdings, die Energiewirtschaft, die heute noch zu drei Vierteln von Öl und Gas angetrieben werde, auf erneuerbare Energien umzustellen. "Wir haben 30 Jahre Zeit, die Massnahmen umzusetzen", sagte sie im Hinblick auf das vom Bundesrat festgelegte Ziel einer klimaneutralen Schweiz bis 2050.

Verschwenderische Kryptowährung, sparsame Industrie.

Stefan Nowak, Experte der Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER), rückte den Energieverbrauch der Digitalisierung in den Fokus seines Referats: Das via Internet konsumierte Datenvolumen steige ständig an und trage so zum weltweiten CO2-Verbrauch bei.

Auch die bekannte Kryptowährung Bitcoin benötige enorme Mengen an Energie. "Das Problem ist, dass der Energieverbrauch der Digitalisierung nicht sichtbar passiert". Ausserdem bestehe das Risiko eines unkontrollierten Wachstums, wenn die Politik nicht Leitplanken setze. Andererseits zeigte Nowak auch Chancen auf: Digitalisierung werde den Strommarkt, die Mobilität und Arbeitsplätze effizienter machen.

Auch Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse, zeigte sich optimistisch: Neue Technologien steigerten die Effizienz der Wirtschaft und reduzierten so die Belastung des Klimas. ICT werde im Jahr 2024 drei mal den Nutzen ihres Verbrauchs liefern, sagte er unter Berufung auf eine Studie der Universität Zürich. Die Schweizer Industrie sei auf Kurs, die Klimaziele des Kyoto-Protokols nicht nur zu erreichen, sondern zu übertreffen.

Mehr Basisbewegung, mehr Innovation

Die Landwirtschaft war schliesslich Thema des Referats von Teresa Hartmann, die beim World Economic Forum die "Climate Change Initiatives" leitet. Satelliten und Sensoren liefern heute stets aktuelle Informationen zur Dichte eines Waldes, der Biodiversität oder des Wassergehalts. Landwirte können dank diesen Daten genau berechnen, wo sie wie viel Dünger einsetzen müssen und ihre Ernte frühzeitig bestimmen.

Landnutzung sei für 24 Prozent des globalen CO2-Ausstosses verantwortlich, sagte Hartmann, und habe das grösste Vermeidungspotenzial. Da Wälder hervorragende CO2-Speicher seien, empfahl sie einerseits und völlig nicht-digital, mehr Bäume zu pflanzen. Andererseits könne Landwirtschaft noch deutlich nachhaltiger und intelligenter betrieben werden: Es gebe jetzt schon Hallen, in denen Produkte vertikal angebaut würden. Solche Systeme sparten bis zu 90 Prozent Wasser und könnten auch in Städten gebaut werden. Würde das getan, liessen sich zusätzlich Emissionen für den Gütertransport einsparen.

Mehr zur Digitalisierung in der Landwirtschaft, dem so genannten "Smart Farming", lesen Sie hier.

"Ich glaube, dass wir alle Klimalösungen haben", sagte sie gegenüber der Netzwoche, "Ich denke, es ist nur die Frage, die richtige Lösung am richtigen Ort einzusetzen". Grundsätzlich positiv und optimistisch gestimmt, zumal das Bewusstsein in der Gesellschaft gewachsen sei und der politische Wille zu Veränderungen langsam entstehe. Da den Politikern ohne gesellschaftliche Akzeptanz quasi die Hände gebunden seien, wünschte sie sich eine noch stärkere Basisbewegung.

Auch das Publikum beteiligte sich an der Diskussionsveranstaltung. Gelobt wurde etwa die Transparenz, die oft mit der Digitalisierung einhergehe. Bezweifelt wurde, ob die Digitalisierung wirklich etwa die Mobilität verändere, zumal heute mehr geflogen werde als jemals zuvor. Und viele Bedenken wurden auch in Zusammenhang mit der Industrialisierung 4.0 und ihren Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt laut.

Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse und Gastgeber des Abends, will die Ängste ernst nehmen und in den politischen Aktivitäten des Verbands berücksichtigen. Die ICT-Branche habe die besten Möglichkeiten, ihr Wissen, ihre Technologien und Innovationen zur Verhinderung des Klimawandels einzusetzen. An die Politik gerichtet sagte er: "Ich bin zuversichtlich, dass Innovation kommt, aber es müssen auch immer die richtigen Anreize gesetzt werden".

Hier hören Sie das vollständige Interview mit Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse:

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