Oliver Busch im Interview

Warum Facebook Schweizer Digitalagenturen umgarnt

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von René Jaun und jor

Facebook ist neu Partner von Best of Swiss Web. Künftig will das soziale Netzwerk hiesige Webagenturen enger betreuen. Wie diese Betreuung aussieht, sagt Oliver Busch, Facebook Director DACH, im Interview. Zudem spricht er über Facebooks Umgang mit Desinformation und über den Datenschutz-Clinch mit Apple.

Oliver Busch, Director DACH – Agencies, Facebook. (Source: zVg)
Oliver Busch, Director DACH – Agencies, Facebook. (Source: zVg)

Wer war der erste Schweizer Werbekunde von Facebook?

Oliver Busch: Das ist eine gute Frage, die ich gar nicht beantworten kann. Denn der erste Schweizer Werbekunde von Facebook dürfte vor mehr als einem Jahrzehnt gewonnen worden sein und entweder aus unserer Europazentrale in Dublin oder aus einem der Büros in Hamburg, Paris oder London betreut worden sein. Aber heute sind wir stolz, dass wir grosse Unternehmen wie L'Oreal, Swarovski und Breitling ebenso zu unseren Kunden zählen dürfen wie die zahlreichen kleinen und mittleren Unternehmen aus der Schweiz.

Seit wann ist Facebook in der Schweiz auf Kundenfang?

Mit eigenen Räumlichkeiten in Zürich sind wir seit 2016 präsent - einerseits mit einem starken Entwicklerteam in den Bereichen Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR), andererseits aber auch mit Mitarbeitern, die direkt mit Schweizer Kunden und Werbetreibenden im Kontakt stehen. So können wir KMUs, Werbetreibende und Agenturen noch besser vor Ort beraten.

Was versprechen Sie sich vom Schweizer Markt?

Die Schweiz ist ein bedeutender Markt. Als Innovationstreiber für das gesamte Unternehmen hat unser Standort in Zürich eine enorme Bedeutung. Zürich bietet mit führenden Forschungseinrichtungen wie der ETH oder Universität Zürich Zugang zu top ausgebildeten Fachkräften. Davon profitieren natürlich auch wir. Künftig werden hier mehr als 200 Kollegen und Kolleginnen arbeiten. Ausserdem ist die Schweiz sehr exportstark und Heimat zahlreicher toller Produkte, Marken und Organisationen, die für uns wichtige Partner sind. 

Nun will Facebook Schweizer Agenturen ansprechen. Warum gerade Agenturen?

Media-, Kreativ- und Social-Agenturen sind ein wesentliches Rückgrat der Schweizer Werbeindustrie. Wir sehen, dass es sowohl unter den grössten als auch unter den kleinsten Unternehmen herausragende "Selbstversorger" mit Inhouse-Expertise gibt. Doch der Grossteil der Werbetreibenden setzt in der digitalen Transformation auf die Kompetenz ihrer Agenturpartner - gerade jetzt in der Pandemie, in der die Nutzung digitaler Medien den Entwicklungsschub einer Dekade in weniger als einem Jahr erfahren hat. Doch so gross das Potential von Social Media für die Kunden ist, so intensiv ist es für Agenturen die Kompetenz aufzubauen und mit der rasanten Entwicklung mitzuhalten. Deshalb arbeiten wir eng mit den schnellsten und engagiertesten Dienstleistern zusammen. 

Was dürfen Agenturen von Facebook erwarten?

Eine Partnerschaft auf Augenhöhe und die gemeinsame Leidenschaft für messbare Kundenerfolge. Wir verkaufen Agenturen keine Werbeplätze, sondern liefern wertstiftendes Wissen. Wir halten uns nicht mit Rabatten oder Rückvergütungen auf, sondern fokussieren uns auf die gemeinschaftliche Optimierung des Business-KPI der Werbetreibenden sowie auf die maximale Skalierung für den grösstmöglichen Kundenerfolg. Konkret heisst das: Schulungen zu Insights, Strategien, Messbarkeit und optimaler Exekution, vor dem Hintergrund der Auktionsmechanik und algorithmischen Optimierung. Dazu Beratung aus erster Hand zur wirksamsten Umsetzung auf Facebook, Instagram und Messenger. In Workshops unterstützen wir Fokuskunden mit allen beteiligten Agenturen dabei, silofreie Kampagnenkonzepte aus einem Guss zu schmieden, die eine gemeinschaftliche KPI verfolgen und letztlich auch messbar machen. 

Warum soll sich ein KMU für Facebook und gegen Google als Werbepartner entscheiden?

Ich sehe das nicht als Entweder-Oder-Frage. Verschiedene Plattformen bieten KMUs unterschiedliche Angebote. Wir konzentrieren uns darauf, KMUs dabei zu helfen, mit ihren Kunden im Austausch zu bleiben und neue Kunden zu erreichen - mit dem Ziel, nachhaltige Verbindungen zu schaffen. Das neue App-übergreifende Interface Facebook Business Suite erlaubt es Unternehmerinnen und Unternehmern beispielsweise, ihre Profile auf Facebook und Instagram zentral zu verwalten, organische Inhalte sowie Werbeanzeigen noch besser vorauszuplanen und Nachrichten gebündelt zu beantworten. Daneben bietet WhatsApp Business speziell KleinunternehmerInnen die Möglichkeit, schnell und einfach mit ihren KundInnen zu kommunizieren. 

Ihr Unternehmen muss häufig heftige Kritik einstecken, insbesondere wegen zu geringem Einsatz im Kampf gegen Desinformation. Was entgegnen Sie?

Wir haben absolut kein Interesse an Falschinformationen auf unseren Plattformen. Um die Verbreitung von Falschmeldungen zu reduzieren, arbeiten wir weltweit mit mehr als 70 externen, unabhängigen Faktenprüfern zusammen, die über 50 Sprachen abdecken. 2020 haben wir unser Faktenprüferprogramm auch in die Schweiz gebracht und arbeiten mit der Deutschen Presseagentur (dpa) und der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP). Die Prüfer sind fortlaufend tätig, um irreführende Nachrichten, Bilder und Videos auf Facebook und Instagram zu erkennen. Sobald ein Beitrag von einem Faktenprüfer als falsch eingestuft wird, schränken wir seine Reichweite auf Facebook und Instagram ein und zeigen den Menschen zusätzlich verlässliche Informationen dieser Partner an. Zudem benachrichtigen wir Personen, die diese Inhalte bereits geteilt haben oder dies beabsichtigen und machen sie darauf aufmerksam, dass sie auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft worden sind.

Trotzdem bleibt die Kritik harsch. Wie wirkt sich das auf Ihr Werbegeschäft aus?

Diese Kritik ist wichtig und wir hören genau zu. Gleichzeitig haben weder unsere Nutzer, die Werbetreibenden oder wir selbst ein Interesse an unerwünschten Inhalten. Wir vertreten hier also alle die gleiche Position. Um unsere Plattformen sicherer zu machen, investieren wir jährlich mehrere Milliarden US-Dollar in Mitarbeiter und Technologien. Wichtig bei dieser Diskussion ist auch: der ganz erhebliche Grossteil der Menschen erlebt auf unseren Plattformen Positives, Schönes, Lustiges - sei es die Verkündung der Geburt des Kindes oder das Engagement in  Nachbarschafts-Hilfegruppen -, sonst würden sie nicht täglich wiederkehren. Das erklärt auch den Erfolg unseres Geschäftsmodells. Inzwischen nutzen mehr als zehn Millionen Werbetreibende weltweit unsere Plattformen. Aber natürlich, wir können und müssen immer noch besser werden im Umgang mit unerwünschten Inhalten.

Was hat Facebook in technologischer Hinsicht zu bieten, was andere Tech-Konzerne nicht im Angebot haben?

Wachsende Unternehmen wissen, dass sie neue Kunden auf eine Art gewinnen müssen, wie es Search nicht kann. Unser Ansatz unterscheidet sich von Plattformen, auf denen sich die Menschen schon mit einer konkreten Kaufvorstellung bewegen. Wir möchten, dass sich die Menschen auf unseren Plattformen inspirieren lassen und Produkte entdecken. Besonders in Zeiten wie diesen: Aus einer aktuellen Studie zusammen mit McKinsey wissen wir, dass 60 Prozent der weltweiten Nutzer ein neues Unternehmen oder Produkt in der Pandemie auf unseren Plattformen entdeckt haben. Wir nennen diesen Ansatz Discovery Commerce. Dabei wollen wir den Online-Einkauf so attraktiv und nahtlos wie möglich gestalten. Das heisst, auf unseren Plattformen soll man Produkte nicht mehr nur finden, sondern auch kaufen können - ohne die App dafür verlassen zu müssen. 

Mit dem Update von Apples Mobile-Betriebssystem auf iOS 14 könnten Apple-Nutzer künftig die Weitergabe ihrer Daten an Werbetreibende empfindlich einschränken. Facebook teilte mit, durch das Update könnten die Werbeeinnahmen um über 50 Prozent einbrechen. Sieht es wirklich so dramatisch aus für Facebook?

Angesichts der vielen unbekannten Variablen ist es schwierig, die Auswirkungen für Publisher und Entwickler zum jetzigen Zeitpunkt exakt vorauszusehen. In Tests haben wir einen Einnahmenrückgang von mehr als 50 Prozent bei Audience-Network-Publishern festgestellt, wenn die Personalisierung von Anzeigen entfernt wird und die Kampagne auf die Installation von mobilen Apps abzielt. Tatsächlich könnten die Auswirkungen für das Audience Network auf iOS 14 weitaus grösser sein, weshalb wir an kurz- und langfristigen Strategien arbeiten, um Publisher im Zuge dieser Veränderungen zu unterstützen.

Wagen Sie einen Blick voraus? Welches Werbemodell wird Facebook in fünf Jahren anbieten?

Innovation ist und bleibt die treibende Kraft unseres Erfolgs. Wir sehen Veränderung immer als Chance und fördern Innovationen bei allen zu Facebook gehörenden Unternehmen und Diensten. Schaut man in unseren letzten Quartalsbericht, so zeigt sich, dass Investitionen in den Bereich Forschung und Entwicklung um 34 Prozent gestiegen sind. Deswegen arbeiten wir kontinuierlich an neuen Technologien, die Menschen begeistern, die Produktivität von Menschen und Unternehmen erhöhen oder neuartige Kauferlebnisse bieten können. Auch in den nächsten Jahren möchten wir daher Werbetreibenden neue Lösungen anbieten und Trends setzen - ob im Bereich Commerce, in der Entwicklung von neuen Formaten oder in Augmented und Virtual Reality, unter anderem entwickelt von unseren Expertinnen und Experten im Zürcher Büro.

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