E-Collecting

Wie die Schweiz Unterschriftensammlungen digitalisieren kann

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von René Jaun und jor

Wer Volksinitiativen oder Referenden unterstützen will, tut dies heute noch analog – mit einer handschriftlichen Unterschrift. Digitale Unterschriftensammlungen wären theoretisch möglich. Dafür braucht es aber Gesetzesänderungen, und idealerweise eine E-ID.

(Source: ra2 studio / Fotolia.com)
(Source: ra2 studio / Fotolia.com)

Bis in der Schweiz elektronisch abgestimmt wird, dürfte es laut Experten noch sehr lange dauern, sagen Experten. Doch wie steht es um die Digitalisierung von Volksinitiativen und Referenden? Auch sie sind wichtige Instrumente der Schweizer Demokratie, und auch sie finden aktuell fast ausschliesslich analog statt. Wo die Schweiz in puncto elektronischer Unterschriftensammlung (E-Collecting) steht, und was noch fehlt, untersuchte das Zentrum für Demokratie Aarau in einer Studie.

Schaffhausen und St. Gallen als Vorreiter

Aktuell existieren in der Schweiz keine rechtliche Grundlagen für eine Digitalisierung der Unterschriftensammlung, die über das Zurverfügungstellen von elektronischen Unterschriftenlisten hinausgehen, wie die Forschenden schreiben. Eine Änderung der Bundesverfassung sei zur Einführung von E-Collecting allerdings nicht nötig, denn diese enthalte keinerlei Vorgaben zur Art und Weise der Unterschriftensammlung. Auf Gesetzesstufe hingegen müsste das Thema "mit hinreichender Bestimmtheit geregelt werden". Und dank Corona sei die Diskussion dazu neu aufgeflammt.

Schaffhausen ist ein Kanton, der sich aktuell mit E-Collecting auseinandersetzt. Auf Anfrage erklärt Studien-Mitautorin Katja Gfeller, das Thema werde dort stark von einzelnen Exponenten vorangetrieben. Zudem kenne der Kanton schon seit 2018 eine digitale Identität für die Kantonsbewohnerinnen und -bewohner. Damit sei "eine wichtige Grundlage für die Einführung von E-Collecting gegeben". Diese dürfte aufgrund der tieferen Einwohnerzahl schliesslich leichter zu bewältigen sein als in grösseren Kantonen.

Auch im Kanton St. Gallen laufen Bemühungen zur Lancierung von E-Collecting. Laut Gfeller wurde dort 2018 eine Motion zur Schaffung der Rechtsgrundlagen für entsprechende Pilotprojekte angenommen, und das Vorhaben werde seither stark vorangetrieben.

"Auf kantonaler Ebene kann aus unserer Sicht - insbesondere in den voranschreitenden Kantonen St. Gallen und Shaffhausen - allenfalls mit der Einführung von E-Collecting per Ende 2023 gerechnet werden. Auf Bundesebene dürfte es hingegen noch erheblich länger dauern", teilt Studienautorin Katja Gfeller auf Anfrage mit. Sowohl auf Kantons- wie auf Bundesebene werde der Zeitpunkt der Einführung von E-Collecting stark von den Entwicklungen im Zusammenhang mit der elektronischen Identität abhängen.

Keine Touchscreens, keine Deckelung

In der Frage nach der konkreten Umsetzung sprechen sich die Studienautoren für eine vollwertige Lösung aus, bei der die Identität und die Stimmberechtigung der unterzeichnenden Personen elektronisch überprüft und bestätigt wird. Ein solches Verfahren könnte auf einer E-ID-Lösung aufbauen, liesse sich aber auch mit bestehenden kantonalen E-Government-Portalen realisieren.

Von der Idee, künftig einfach auf einem Touchscreen zu unterschreiben, halten die Autoren dagegen wenig. Zwar seien mobile Geräte mit Touchscreens weit verbreitet und die Bürgerinnen und Bürger damit gut vertraut. "Allerdings lassen das Ausdrucken der elektronisch unterzeichneten Unterschriftenbogen und die weiterhin manuell vorzunehmende Bescheinigung der Unterschriften durch die Gemeinden den Prozess als schwerfällig erscheinen."

Abschliessend beurteilen die Autoren kritische Stimmen, die etwa "ein flächendeckendes Ergreifen des fakultativen Referendums gegen sämtliche Vorlagen" befürchten oder davor warnen, "dass die Meinungsbildung vor der Unterstützung von Volksbegehren qualitativ abnehmen könnte".

Beide Bedenken teilen die Autoren in ihrer Beurteilung nicht. Angesichts der Pandemie drohe derzeit eher eine Suspendierung der Volksrechte als eine Überlastung des politischen Systems. Zudem sei auch ohne Corona die Anzahl eingereichter Volksinitiativen eher tief. Und: "Den Stimmberechtigten ist zuzutrauen, Referenden und Volksinitiativen auf analogem wie auf digitalem Weg gleichermassen ernsthaft zu beurteilen." Entsprechend lehnen sie denn auch den Vorschlag ab, den Anteil elektronisch gesammelter Unterschriften zu limitieren. Vielmehr sollte es den Stimmberechtigten überlassen werden, wie sie ein Volksbegehren unterzeichnen wollen.

Sicherheitsbedenken stünden beim E-Collecting deutlich weniger im Vordergrund als beim E-Voting, sagt Gfeller. Vor allem deswegen, "weil bei der Unterschriftensammlungen - im Unterschied zur Abstimmung - kein Stimmgeheimnis zu wahren ist." Es könne "höchstens zu einer zusätzlichen, ungerechtfertigten Abstimmung kommen". Allerdings, so gibt die Forscherin zu bedenken, kämen "Täuschungshandlungen im Rahmen der Unterschriftensammlung auch im analogen System vor".

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