Interview mit Angela Nicoara

Das bringt die Zukunft des IoT

Uhr

Die Pandemie hat die Digitalisierung vorangetrieben – und damit auch das Internet der Dinge (IoT). Die Technologie ist aus vielen Bereichen bereits nicht mehr wegzudenken. Wohin sich das IoT entwickelt und welche Rolle Satelliten spielen, erklärt Angela Nicoara, Professorin am Departement Informatik der HSLU.

Wie verbreitet ist das Internet der Dinge (IoT) bereits?

Angela Nicoara: IoT ist die grösste Computerrevolution und wird alle Branchen durchdringen. Prognosen gehen davon aus, dass bis 2023 weltweit über 35 Milliarden vernetzte "Dinge" an der Edge des IoT im Einsatz sein werden. Bis 2025 sollen es fast 42 Milliarden sein. Diese rasante Entwicklung und die ständige Zunahme der Vernetzung stellt hohe Anforderungen an das Know-how von Unternehmen, die verfügbaren Technologien und die Infrastrukturen. Sie erfordert noch leistungsfähigere Netze, die gleichzeitig robust, agil und sicher sein müssen.

Inwiefern hat die Pandemie das IoT vorangetrieben?

Covid-19 hat die digitale Transformation der Welt verändert. Die rasche Einführung von IoT-Technologien während der Pandemie hat zahlreiche Unternehmen in verschiedenen Bereichen definiert und verändert, darunter das Gesundheitswesen, Smart Buildings oder industrielles IoT. Die grössten IoT-Herausforderungen konzentrierten sich auf die Bedürfnisse der Menschen, zum Beispiel in den Bereichen Gesundheit und Sicherheit. Hier kamen etwa Fernüberwachung des Gesundheitszustands von Patienten zum Einsatz, Track-and-Trace-Funktionen, Gebäudereinigungstechnologien und so weiter. IoT-Technologien an der Edge ermöglichen umfassendere digitale Kundenerfahrungen.

Aus welchen Branchen ist das IoT nicht mehr wegzudenken?

IoT hat sich in vielen Bereichen durchgesetzt, zum Beispiel in Smart Buildings, im Verkehrswesen, in Smart Citys, in der Fertigung, in der Landwirtschaft, in der Automobil­industrie und so weiter. Mit dem Aufschwung des IoT sind Millionen von vernetzten Geräten in Betrieb und schaffen einen Mehrwert für die Wirtschaft, die Kunden und die Gesellschaft.

Können Sie konkrete Beispiele dafür nennen?

Im Gebäudebereich sorgen IoT-Geräte zum Beispiel für mehr Komfort für die Bewohnerinnen und Bewohner, sparen Ressourcen im Energiesektor oder tragen zu einer besseren Nutzung der Infrastruktur in Bezug auf die Mobilität bei. Im Bereich Smart City spielt das IoT eine wesentliche Rolle, um Infrastruktur wie Verkehr, Parkplätze, Stadt­beleuchtung oder Wassernutzung effizienter zu gestalten und so Millionen zu sparen. Das IoT verbindet Geräte, Fahrzeuge, Gebäude oder Infrastrukturen und vereinfacht den kontinuierlichen Zugang zu Daten und Prozessen. Das ermöglicht bessere Produkte, effizientere Prozesse sowie neue Geschäftsmodelle und macht unsere Welt lebenswerter.

In welchen Branchen wird sich das IoT in den nächsten fünf Jahren etablieren?

Die Technologie entwickelt sich so schnell, dass wir die Zukunft nicht mehr zuverlässig vorhersagen können, nicht einmal ein paar Jahre im Voraus. Die nächsten fünf bis zehn Jahre dürften für Industrie und Verbraucher spannend werden. Dann beginnen wir, zu erkennen, welchen Impact künstliche Intelligenz sowie der Einsatz von 5G- und 6G-Netzen in der Praxis haben. Ausserdem werden wir sehen, welche Auswirkungen die schnelle Einführung von IoT-Technologien während der Pandemie haben wird.

Wie wird die zunehmende Etablierung des IoT die Branchen ­beeinflussen?

Vernetzte Dinge erzeugen riesige Mengen an IoT-Daten. Die Anforderungen an die Verfügbarkeit und die Rolle dieser Daten werden die Industrie in einer Vielzahl von Bereichen – wie Fertigung, Transport und Smart City – dazu veranlassen, mehr intelligente IoT-Architekturen, Distributed-IoT-Computing-Technologien und IoT-spezifische Edge-Netzwerke zu entwickeln, einzuführen und bereitzustellen. Diese werden die Unternehmen, das Leben der Menschen und die Weltwirtschaft verändern und in diesem sowie in den kommenden Jahren das Wachstum und massive wirtschaftliche Veränderungen in unserem Markt vorantreiben.

Welchen Technologien wird das IoT weiteren Auftrieb geben?

IoT-Technologien verändern die Branche und sorgen dafür, dass immer mehr Rechen-, Speicher- und Analyse­kapazitäten an der Edge zur Verfügung stehen. Unternehmen können diese Technologien nutzen, um die Effizienz in allen Branchen zu steigern und das Kundenerlebnis zu verbessern.

IoT wird oft auch als Sicherheitsrisiko dargestellt. Was ist da dran?

Die Sicherheit stellt eine der grössten Herausforderungen bei der Verwirklichung des IoT dar. Sicherheit ist eine wesentliche Voraussetzung für das Vertrauen in die Technologie und für ihre Akzeptanz. Internetfähige IoT-Geräte wie Smartphones, Haushaltsgeräte, intelligente Stromzähler, persönliche Gesundheitsmonitore, Fahrzeuge und andere sind persönliche vernetzte Geräte, die eine Fülle von Daten speichern, auch wenn sie nicht verbunden sind. Die Daten müssen sowohl auf den Geräten als auch in der Cloud sicher gespeichert werden – Verschlüsselung der Daten im Ruhezustand. Auch die Datenübertragung muss gesichert werden – Verschlüsselung von Daten während der Übertragung. Schliesslich werden die Daten für alle Arten von analytischen Verarbeitungen verwendet und möglicherweise mit Informationen aus anderen Quellen zusammengeführt, um daraus verwertbare Erkenntnisse abzuleiten. Daher ist neben der Datensicherheit auch der Schutz der Privatsphäre heute zu einem wichtigen Anliegen geworden.

Wie können Firmen die Sicherheit rund um das IoT erhöhen?

IoT-Systeme müssen von Anfang an über Mechanismen zur Wahrung der Sicherheit und der Privatsphäre verfügen. Sie später hinzuzufügen, ist eine grosse Herausforderung. Darüber hinaus muss die Sicherheit durchgängig end-to-end angewendet werden. Das heisst, sie muss vom IoT-Gerät bis hin zur Edge und dann zum Cloud-Back-End und zur Analyse-Applikation reichen, die aus den Daten Erkenntnisse gewinnt. IoT-Geräte stellen aufgrund ihres begrenzten Energiebudgets und ihrer begrenzten Rechenleistung zusätzliche Herausforderungen für die zu verwendenden kryptografischen Primitive dar.

Welches wird die nächste grössere Entwicklung im Bereich IoT sein?

Wenn es um die Konnektivität für das IoT-Ökosystem geht, werden die Unternehmen aufgrund der massiven Anzahl von IoT-Geräten im nächsten Jahrzehnt die Telekommunikation in den Weltraum verlagern müssen, auch wenn noch Netzwerk-Upgrades folgen werden. Obwohl mit dem Einsatz von Satelliten zu rechnen ist, werden Satellitenkonstellationen, die als Orbital Edge Computing bezeichnet werden, im nächsten Jahrzehnt möglicherweise noch nicht verfügbar sein. Mithilfe vieler Kleinsatelliten können Daten aber an praktisch jeden Punkt der Erde übertragen werden.

Wie sieht die komplett vernetzte Stadt respektive Smart City aus?

In einer zunehmend digitalisierten Welt werden in Zukunft intelligente Städte angestrebt, wo überall IoT-verbundene Geräte sowie Sensoren zum Einsatz kommen und autonom fliegende Drohnen sowie vernetzte Autos unterwegs sind, mit personalisierten Fahrpräferenzen und Diensten, die sich an die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer anpassen.

Zur Person

Angela Nicoara ist Professorin für Informatik an der Hochschule Luzern (HSLU) in der Schweiz, und leitet das IoT Innovation Lab und die IoT Systems and Software Research Group. Sie ist eine technische Führungspersönlichkeit, Systemforscherin und Innovatorin mit mehr als 19 Jahren Erfahrung in Industrie und Forschung. Sie hat Technologien, Systeme und Software-Architekturen in den Bereichen IoT, Mobile und verteilte Systeme von der Entwicklung bis zur breiten Einführung entwickelt (bei Intel USA, Deutsche Telekom USA, Google USA, ETH Zürich, Caatoosee Ltd, WebQuote USA, HSLU Schweiz). Sie verfügt über fundierte Kenntnisse in den Bereichen Technologie, Software und Wirtschaft, die sie an der ETH Zürich (PhD in Informatik) erworben hat. Angela hat sich intensiv mit dem Stand der Technik in diesen Bereichen befasst und veröffentlichte begutachtete Artikel, die in zahlreichen technischen Konferenzen, Workshops und Symposien erschienen sind. Sie hält mehrere Patente für mobile Systeme.

Tags
Webcode
DPF8_253606