Kehrtwende für Unternehmen auf der Reise in die Multi-Cloud
Die Schweizer IT-Landschaft ist auf dem Weg in die Multi-Cloud. Zumindest war sie das. Die aktuelle Ausgabe der Cloud-Trends-Studie von Digital Realty zeigt, dass einige Anwendungen kehrtmachen und zurück ins eigene Rechenzentrum wandern – obwohl Unternehmen weiterhin Kurs in Richtung Multi-Cloud halten wollen.

Früher war IT viel einfacher. Das stimmt zwar nicht wirklich, aber immerhin waren die Daten einfacher zu finden. Sie waren irgendwo auf der eigenen Hardware, meist im Keller oder im umfunktionierten Besenschrank. Unterdessen stehen Unternehmen vor zahlreichen Entscheidungen, wenn es um die Aufbewahrung von Daten geht. Was kommt infrage? Die Cloud? Mehrere Clouds? Und wo ist diese Cloud beheimatet? Die heutige IT-Landschaft ist divers und erstreckt sich vom eigenen Rechenzentrum (RZ) über die Hybrid bis zur Public Cloud. Oftmals nutzen Unternehmen nicht nur eine Cloud, sondern einen Multi-Cloud-Ansatz – dabei wird die Last auf verschiedene Cloud-Anbieter verteilt. Den Kunden soll dies verschiedene Vorteile bringen, wie etwa eine geringere Störungsanfälligkeit, mehr Sicherheit und einen besseren Return on Investment. Das vollständige White Paper von Digital Realty zur Studie können Interessierte hier auf der Website des Unternehmens herunterladen.
Wie weit sind die Schweizer Unternehmen auf der Reise in die Multi-Cloud bereits gekommen? Dieser Frage geht der Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen Digital Realty seit 2018 etwa alle zwei Jahre in einer grossen Studie nach. In diesem Jahr erscheint die vierte Ausgabe der Cloud-Trends-Studie. Für diese befragte Digital Realty wieder 150 IT-Entscheider von Schweizer Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als 250 Millionen Franken und mindestens 5000 Mitarbeitenden. Neu enthält der Fragenkatalog ein paar zusätzliche Fragen zur aktuellen und geplanten Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI). Digital Realty gab der Redaktion einen Einblick in die Ergebnisse der Umfrage.
Die Topografie der Daten
Die drei bisherigen Ausgaben der Studie zeigten einige deutliche, allgemeine Trends auf. Etwa, dass …
- immer mehr Unternehmen ihre Anwendungen primär aus der Public Cloud beziehen,
- der Anteil an Unternehmen, die ihre Anwendungen primär aus einer extern gehosteten Private Cloud beziehen (Hosting/Colocation), ebenfalls steigt
- und die Nutzung monolithischer Anwendungen oder einer Private Cloud im eigenen Rechenzentrum deutlich abnimmt.
Diese Trends ermöglichten präzise Voraussagen. 2024 etwa zeigte sich, dass die vorhergehenden Prognosen (mit einer Ausnahme) nur jeweils 1 bis 2 Prozentpunkte danebenlagen. Die aktuelle Ausgabe hingegen belegt eine deutliche Rückkehr monolithischer Anwendungen und Private Clouds im eigenen RZ. In einigen Kategorien entsprechen die Umfrageergebnisse wieder dem Stand von 2020.
Insbesondere stieg die Anzahl der Unternehmen stark an, die ihre Anwendungen primär aus einer Private Cloud im eigenen RZ nutzen. 2025 liegt der Anteil bei 24,1 Prozent. Das entspricht einer Zunahme von 6,8 Prozentpunkten im Vergleich zu den Werten von 2023; die Experten hatten jedoch erwartet, dass der Anteil Private Clouds im eigenen RZ auf 12 Prozent sinken würde – eine deutliche Diskrepanz! Der Anteil der Unternehmen, die ihre Anwendungen primär aus monolithischen Anwendungen im eigenen RZ beziehen, hätte gemäss der Prognose auf 3,5 Prozent sinken sollen. Stattdessen liegt er 2025 bei 10 Prozent. Ein Anstieg von 2,7 Prozentpunkten gegenüber 2023.
Rückgang bei Public Cloud und Colocation
In den übrigen Bereichen sanken die Anteile. Mit einem Anteil von 34 Prozent setzen die meisten Unternehmen zwar weiterhin auf die Public Cloud eines Hyperscalers. Das sind jedoch 2,5 Prozentpunkte weniger als der Vergleichswert von 2023 und 7,4 Prozentpunkte weniger als die Prognose.
Bei den lokalen Anbietern sank der Anteil um 2,4 Prozentpunkte auf 17,7 Prozent. Die Vorhersage war von 24,6 Prozent ausgegangen. War diese Kategorie 2023 noch die zweithäufigste Nennung, rutscht sie 2025 auf den dritten Platz. Und schliesslich reduzierte sich auch die Anzahl der Befragten, die ihre Anwendungen primär aus einer Private Cloud in einem outgesourcten Rechenzentrum beziehen. Dieser Wert sank um 4,9 Prozentpunkte auf 12,6 Prozent. Die Erwartung 2023 war, dass dieser Wert gleich bleiben würde.
Ein Dämpfer auf dem Weg zur Multi-Cloud
Die Reise hin zur Multi-Cloud musste aufgrund der allgemeinen Rückkehr in das eigene RZ ebenfalls einen Dämpfer hinnehmen. Vergleicht man die Umfrageergebnisse mit denen von 2023, zeigt sich zwar, dass die meistgenannten Antworten weiterhin dieselben sind:
- Im Bereich IaaS setzen die Unternehmen in der Regel auf bis zu 10 Cloud-Provider.
- Im Bereich PaaS setzen die Unternehmen in der Regel auf bis zu 5 Cloud-Provider.
- Im Bereich SaaS setzen die Unternehmen in der Regel auf bis zu 10 Cloud-Provider.
Diese vermeintliche Beständigkeit täuscht aber darüber hinweg, dass sich die einzelnen Verhältnisse sehr stark verschoben haben – und zwar wieder weg von der Multi-Cloud. 2023 setzten alle Befragten ausser im Bereich PaaS auf mindestens einen Cloud-Provider. In der aktuellen Studie ist der Anteil der Unternehmen, die keinen Anbieter nutzen, in allen Kategorien angestiegen. Vor allem der Bereich SaaS zeigt einen starken Abwärtstrend: Vor zwei Jahren nutzten noch 17,3 Prozent der Befragten mehr als 10 Provider und alle mindestens einen; in der aktuellen Ausgabe setzen nur noch 4 Prozent auf über 10 Anbieter und 6 Prozent auf gar keinen.
Diese Konsolidierung von mehr als 10 Providern auf mehr als 5 Anbieter muss aber nicht zwingend als Abkehr von einem Multi-Cloud-Ansatz gedeutet werden. Dahinter könnte auch ein Trend zur Reduktion der Komplexität in der eigenen, verteilten Cloud-Landschaft stecken. Denn der Optimismus der Befragten und der Wille, in die Multi-Cloud zu gehen, bleiben ungebrochen. 83,3 Prozent der Umfrageteilnehmenden planen, bis Ende 2027 ein Multi-Cloud-Konzept umzusetzen. Dies übertrifft sogar den Vergleichswert von vor zwei Jahren. Damals lag der Anteil bei 81,3 Prozent.
Die individuellen Reisen in die Multi-Cloud
Die Studie analysiert ausser der Gesamtentwicklung auch die Veränderungen in den folgenden Anwendungsbereichen: ERP, CRM, Supply Chain Management (SCM), Datenbanken mit kundenspezifischen Daten, Datenbanken mit produktspezifischen Daten, Storage, Backup, Projektmanagement, Collaboration, HR, Marketing Automation, Produktion, Digital Asset Management, IT-Service-Management, Softwareentwicklung/-test und Security-Anwendungen. Betrachtet man diese einzelnen Bereiche, zeigt sich, dass jedes Segment seine ganz individuelle Reise in die Cloud unternimmt.
Gewisse Bereiche verfolgen nach wie vor konsequent ihre Reise in die Cloud. Im Segment Collaboration etwa setzen sogar mehr Befragte auf einen Hyperscaler als noch vor zwei Jahren. Der ohnehin schon enorm hohe Anteil der Unternehmen, die auf Hyperscaler setzen, kletterte von 78 auf 80,7 Prozent. Der Anteil der Befragten, die ihre Collaboration-Lösungen im eigenen RZ horten, ist zwar leicht gestiegen, aber weiterhin verschwindend gering: Monolithische Anwendungen im eigenen RZ kommen 2025 auf 2,7 Prozent und die private Cloud im eigenen RZ auf 3,3 Prozent.
Für lokale Cloud-Provider dürfte der Bereich HR wohl besonders interessant sein. Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) gab in diesem Bereich an, auf einen Schweizer Anbieter zu setzen. Im Vergleich zu 2023 stieg der Anteil sogar noch um 1,3 Prozentpunkte
Das Schlusslicht auf der Reise in die Multi-Cloud bleibt wie gewohnt der Bereich Produktion. Dieses Segment scheint wieder in die andere Richtung zu wollen. 2025 liegt der Anteil monolithischer Anwendungen im eigenen RZ bei 40,7 Prozent – das sind rund 9 Prozentpunkte mehr als der Vergleichswert von 2023. Zudem gaben 33,3 Prozent der Befragten an, dass sie ihre Anwendungen primär von einer Private Cloud im eigenen RZ beziehen – auch dieser Wert stieg um rund 9 Prozentpunkte an.
Cloud-Repatriierung wegen Kosten und Datenschutz
Teil der Umfrage waren auch die Beweggründe der Teilnehmenden, weshalb sie sich für eine bestimmte Lösung entschieden haben. Diese Gründe blieben seit der ersten Befragung 2018 mehrheitlich konstant. Auch in diesem Jahr begründen die Teilnehmenden den Entscheid zu einem eigenen RZ mehrheitlich mit der Datensicherheit.
Die vorherige Studie wurde noch vor dem Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) durchgeführt. Dies verlieh einer beginnenden Welle von Cloud-Repatriierungen wohl noch mehr Schub. Gemäss einer IDC-Umfrage treiben auch unerwartete Kostenüberschreitungen, Leistungsengpässe, Compliance-Bedenken und die komplexe Verwaltung einer Multi-Cloud-Umgebung die Unternehmen wieder zurück ins eigene RZ. Ein weiterer Faktor, der gemäss der Digital-Realty-Studie für ein eigenes RZ spricht, ist, dass die Unternehmen hier auf die eigene Erfahrung und Expertise zurückgreifen können. Es ist durchaus denkbar, dass das aktuelle geopolitische Klima und aufkommende Bedenken bezüglich US-amerikanischer Hyperscaler diese Bewegung bis zur nächsten Studie im Jahr 2027 zusätzlich verstärken werden.
Den Schritt in die Public Cloud begründet die überragende Mehrheit mit den Kosten. Ferner sind auch die Flexibilität und die Skalierbarkeit wichtige Entscheidungsfaktoren. Datensicherheit und die eigene Expertise spielen hier nur noch eine untergeordnete Rolle.
Für eine Private Cloud bei einem externen Hoster spricht in der Regel ebenfalls das Kostenargument. Allerdings sind hier die Antworten deutlich ausgewogener verteilt als bei der Public Cloud. So erhielten Datensicherheit und Flexibilität als Beweggründe fast ebenso viele Nennungen. Bei dieser Frage war jeweils nur eine Antwort möglich. Dass nicht ein einzelner Vorteil hervorsticht, deutet darauf hin, dass Colocation als der Allrounder mit unterschiedlichen Vorteilen unter den verschiedenen Optionen wahrgenommen wird.
Viele KI-Pläne – trotz Bedenken
Erstmals befragte Digital Realty die teilnehmenden IT-Entscheider auch nach ihren KI-Plänen. Knapp die Hälfte der Befragten (48,7 Prozent) geht davon aus, bis Ende des laufenden Jahres KI produktiv einzusetzen. 18 Prozent nutzen die Technologie schon jetzt produktiv.
Fast alle Befragten gaben an, dass sie KI für den Kundenservice beziehungsweise in Form von Chatbots einsetzen oder planen, einzusetzen. Auch Datenanalyse und Entscheidungsfindung, Produktion/Robotersteuerung sowie IT-Sicherheit und Datenschutz wurden jeweils von über 80 Prozent der Umfrageteilnehmenden als Einsatzzweck genannt. Prozessoptimierung – mit leicht weniger Nennungen – rundet schliesslich die Top 5 ab.
Die Implementierung von KI geschieht jedoch nicht ohne Hindernisse. Als die drei grössten Herausforderungen sehen die Befragten Datenschutz- und Sicherheitsbedenken (62 Prozent), Rechtliche und ethische Herausforderungen beziehungsweise Haftung (59,3 Prozent) sowie die Akzeptanz durch die Mitarbeitenden (54 Prozent).
Ein Blick auf 2027
Wie wird sich die Cloud-Landschaft in den nächsten zwei Jahren entwickeln? Interessanterweise gehen die Befragten wohl davon aus, dass die aktuellen Entwicklungen keine Trendwende, sondern nur eine Anomalie sind. Für 2027 rechnen sie nämlich mit Werten, die mehrheitlich wieder den zuvor geltenden generellen Trends folgen. Der Anteil monolithischer Anwendungen im eigenen RZ soll auf 3,2 Prozent sinken; dicht gefolgt von der Private Cloud im eigenen RZ, deren Anteil sich auf 12,5 Prozent in den nächsten zwei Jahren halbieren soll.
Der Colocation-Bereich soll sich – entgegen des bisherigen Trends – jedoch erneut rückläufig entwickeln. Bis 2027 soll der Anteil der Unternehmen, die ihre Anwendungen primär aus einer Private Cloud im outgesourcten RZ beziehen, nämlich auf 10,9 Prozent sinken. Aber, wie Digital Realty betont, bei Zukunftsthemen wie KI und bei sicherheitsrelevanten Themen setzt weiterhin ein relevanter Anteil der Unternehmen auf dieses Modell.
Dafür dürfen sich die Hyperscaler freuen – und wohl auch die Colocation-Betreiber, bei denen die Hyperscaler in der Schweiz eingemietet sind. Ihre Public Clouds sollen auf einen Anteil von 44,3 Prozent klettern – der unangefochtene Platzhirsch gemäss der Studie. Das grösste Wachstum erwarten die Befragten allerdings bei den Public-Cloud-Angeboten lokaler Anbieter. Hier soll der Anteil um 10,5 Prozentpunkte auf 28,2 Prozent anwachsen. Ob die Experten wieder einen guten Riecher hatten, wird sich aber wohl erst in zwei Jahren zeigen, wenn die nächste Ausgabe der Digital-Realty-Studie ansteht.
Die Beiträge zu den bisherigen Ausgaben der Cloud-Trends-Studie mit Daten von Digital Realty finden Sie hier:
- Hyperscaler vs. lokale Provider: Wo Schweizer Unternehmen ihre Daten speichern (2023)
- Wo die Schweiz auf dem Weg zur Multi-Cloud steht (2019)
- Wo Schweizer Unternehmen ihre Daten horten (2018)

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